Märkte Greenspan zwingt Börsen in die Knie
Hamburg/Frankfurt am Main - Alan Greenspan, normalerweise ein Meister der verklausulierten Andeutungen, äußerte sich vor dem Bankenausschuss des US-Senats überraschend deutlich: Die konjunkturellen Aussichten seien gut und deflationäre Tendenzen nicht mehr akut, sagte der "Herr der Zinsen" am Dienstagabend und hat mit dieser Ankündigung den Markt überrumpelt. "Greenspan war mit seiner Aussage schneller und ist weiter gegangen, als wir gedacht haben", sagte ein Londoner Händler.
Die Reaktion der Märkte war entsprechend: Der Dax fiel bis zum Mittagshandel am Mittwoch um 0,8 Prozent auf 4030 Punkte. Der Euro rutschte auf ein Fünf-Monatstief und notierte bei 1,1826 Dollar.
Hintergrund des Kursrutsches: Eine Zinserhöhung wird nun wahrscheinlicher. Vor allem die Aussage von Greenspan, nach der Deflation keine Gefahr mehr sei, wird als Indiz für eine Zinserhöhung in den USA gedeutet. Darüber hinaus habe sich die Lage der US-Wirtschaft deutlich verbessert.
Die amerikanische Wirtschaft sei zudem auf einen möglichen Zinsanstieg gut vorbereitet, sagte Greenspan. Die Bankenbranche scheine sich der Zinszyklen ausreichend bewusst zu sein und keine unangemessenen Risiken eingegangen zu sein.
Heute kann Greenspan nochmals nachlegen: 16 Uhr (MESZ) wird der Notenbankchef eine weitere Rede vor dem Wirtschaftsausschuss von Senat und Kongress halten. Bis dahin sollte der Dow Jones, der gestern 1,2 Prozent schwächer auf 10.314 Zählern schloss, etwa unverändert notieren.
Infineon legt Zahlen vor
Im Mittelpunkt des Anlegerinteresses in Frankfurt steht heute die Aktie von Infineon. Der Chiphersteller präsentiert im Handelsverlauf seine Zahlen zum zweiten Quartal seines Geschäftsjahres. Analysten prognostizieren, dass das Unternehmen zum vierten Mal in Folge einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) erzielt hat. Ein Nachfolger für Ex-Unternehmenschef Ulrich Schumacher wird vermutlich nicht vorgestellt. Interimschef Max Dietrich Kley wird vorerst weiter die Geschäfte leiten.
Für eine Überraschung sorgte MAN. Der Maschinen- und Anlagenbauer hat bereits am Vormittag seine Geschäftszahlen veröffentlicht und damit die Erwartungen übertroffen. "Der Auftragseingang fiel wie erwartet positiv aus, während der Umsatz meine Prognosen übertraf", sagte HVB-Analyst Albrecht Denninghoff. Die Aktie kletterte mit einem Kursplus von 2,4 Prozent auf 30,72 Euro an die Dax-Spitze.
Neuer Bundesbankchef gefunden
Gesprächsthema unter Börsianern ist auch die Nominierung Axel Webers zum Präsidenten der Bundesbank. Führende Konjunkturforscher haben die Entscheidung begrüßt.
"Herr Weber kennt die europäischen Zentralbanken wie seine Westentasche", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Mittwoch. Weber verfüge über tiefe Einblicke in die nationalen und internationalen Institutionen sowie entsprechende Kontakte und werde das Gewicht Deutschlands in der Europäischen Zentralbank (EZB) stärken. Der Wirtschaftsweise werde sich wie die bisherigen Amtsinhaber der Geldwertstabilität verschreiben. Zimmermann sagte, er erwarte auch, dass Weber den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt öffnen und flexibler gestallten wolle. Auch das Münchner Ifo-Institut würdigte die Leistungen Webers.
Motorola überrascht den Markt mit Gewinnplus
Für eine positive Überraschung sorgte am Dienstagabend der US-Technologieriese Motorola. Der Handyhersteller und Telekomausrüster hat im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 25 Cent je Aktie (EPS) verdient und die Erwartungen des Finanzmarktes damit überraschend klar übertroffen. Die Aktie zog nachbörslich sehr stark an.
Für das zweite Quartal gab sich Motorola optimistisch: So werde der Umsatz im zweiten Vierteljahr zwischen 8,2 und 8,6 Milliarden Dollar liegen. Nach US-GAAP rechnet das Unternehmen im zweiten Quartal mit einem EPS zwischen 14 und 18 Cent - allerdings ohne mögliche Effekte der geplanten Auslagerung der Halbleiter-Sparte, die danach an die Börse gebracht werden soll.