Abschaffung der Maestro-Karte Zeitplan von Mastercard wackelt

Das in Deutschland beliebte Maestro System ermöglicht bargeldlose Zahlungen im Ausland. Es wurde von Mastercard entwickelt. Konkurrent Visa bietet ein Pendant, das sich V-Pay nennt.
Foto: Jochen Tack / IMAGODieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Die Zeiten sind unruhig, doch das Geschäft für das Kreditkartenunternehmen Mastercard läuft gut. Aus der komfortablen Situation heraus kündigte das US-Unternehmen vor einigen Monaten an, seinen Maestro-Dienst einstellen zu wollen. Ab Mitte 2023 sollten die Banken in Europa keine neuen Karten mit Maestro mehr ausgeben, sondern stattdessen – so das Kalkül – eine Karte mit einer Mastercard Debit-Funktion anbieten. Die Folge der Entscheidung: Ab Ende 2027 wäre Maestro Geschichte. So lange sollte die Systemumstellung dauern. Eine Herkulesaufgabe für die Insitute.
Bei den Banken kam die Entscheidung mitunter weniger gut an. Immerhin soll ein etabliertes und zumindest in Europa weit verbreitetes System beerdigt werden. Auch gilt der Zeitplan als ambitioniert. Manche Branchenkenner bewerteten den Schritt von Mastercard jedoch auch positiv: "Mit der Entscheidung von Mastercard, Maestro einzustellen, öffnet sich für die Banken der Markt und sie können noch mal überdenken, was sie anbieten wollen", kommentiert ein Experte im Gespräch mit manager magazin. So entschied sich die eine oder andere Bank schließlich nicht für Mastercard, sondern wechselte zum Konkurrenten Visa.
Nun titelte "Finanzszene", dass Mastercard seine Entscheidung zum Maestro-Aus angeblich revidiere. Tatsächlich dürfte das US-Unternehmen aber nur mit einzelnen Häusern eine individuelle Verlängerung für den Kartenwechsel vereinbart haben, vermuten Branchenkenner.
Eine Sprecherin von Mastercard sagte manager magazin: "Viele Partner haben dieses Upgrade bereits heute erfolgreich umgesetzt. Bei technischen Herausforderungen finden wir zusammen mit unseren Partnern Migrationspläne, die auch Übergangsfristen beinhalten können." Eine Kehrtwende vom Maestro-Aus sei damit nicht zu erwarten, höchstens eine längere Umstellungsfrist für einzelne.
Maestro – was ist das?
Maestro ist das System, das bargeldlose Zahlungen im Ausland ermöglicht. Es wurde vor rund 30 Jahren weltweit eingeführt und von Mastercard entwickelt. Konkurrent Visa bietet ein Pendant, das sich V-Pay nennt, aber nur in Europa eingesetzt wird. Beide Kartensysteme funktionieren nur im stationären Handel oder am Geldautomaten, nicht aber für den Onlinehandel.
Während hiesige Kunden innerhalb Deutschlands überwiegend mit dem eigens entwickelten Giro-System bargeldlos zahlen, sorgen die Systeme der US-Unternehmen dafür, dass es auch im Ausland klappt. "Mit der Girokarte werden Zahlungen im Ausland entweder über Visas System V-Pay oder über Mastercards Maestro abgewickelt", fasst Rechtsanwalt David Riechmann von der Verbraucherzentrale NRW zusammen.
Tatsächlich steht Deutschland mit einem eigenen Zahlungssystem in Europa nicht allein. Auch in Frankreich und Belgien gibt es ein eigenes Kartensystem, andere Länder haben hingegen darauf verzichtet und nutzen wie etwa die Niederlande vorrangig Maestro. Obwohl es sich nur um Zahlungen im Ausland handelt, herrscht bei Kunden teilweise Verwirrung und der Bankenverband wird nicht müde zu betonen, dass das Maestro-Aus keinesfalls das Aus der Girocard bedeutet.
Warum will Mastercard Maestro einstellen?
"Es ist eine strategische Entscheidung, Maestro auslaufen zu lassen", sagte eine Mastercard-Sprecherin manager magazin. Während das US-Unternehmen davon spricht, mit den Banken lange vorher gesprochen zu haben, fühlten sich einige Geldinstitute hierzulande Branchenbeobachtern zufolge von der Entscheidung überrascht. Als einen der Hauptgründe für das Ende von Maestro nennt Mastercard, dass die neue Debitkarte neben dem stationären Geschäft problemlos auch im Onlinehandel genutzt werden könne. Zudem sei die Zahl der Akzeptanzstellen für die Debitkarte deutlich höher als für Maestro. Den eigenen Angaben zufolge zählt Maestro 15 Millionen Akzeptanzstellen, während die Debitcard 90 Millionen Akzeptanzstellen weltweit habe.
"Die Bedürfnisse der Kundschaft ändern sich", sagt auch Zahlungsexperte Ronny Wittig von der Unternehmensberatung Bain. Karten müssten online und mobil einsetzbar sein. "Nicht alle etablierten Karten-Schemes unterstützen bisher solche Anwendungen." Und Rechtsanwalt Riechmann sagt, Maestro funktioniere nur bei stationären Geschäften – im Supermarkt oder am Geldautomaten. "An Online-Einkäufen hat Mastercard aber nicht mitverdienen können. Sollten jetzt mehr Kundinnen und Kunden Mastercard-Produkte nutzen, also Debit- oder Kreditkarten, wäre hier mehr drin."
Beobachter gehen auch davon aus, dass Mastercard aufgrund des zunehmenden Drucks durch neue Konkurrenten wie Apple, Google oder Anbieter wie Amazon und Klarna den Umstieg auf die neuen Debitkarten vorantreibt. Die Deutsche Kreditwirtschaft, die die Girocard verantwortet, zeigt sich ebenfalls bemüht, in den Onlinehandel vorzustoßen. Mit Paydirekt wurden die ersten Schritte bereits geleistet, geplant ist aber auch, die Karte in den nächsten Monaten und Jahren mit mehr Funktionen auszustatten, dass sie ähnlich wie eine Debitkarte der Kreditkartenunternehmen genutzt werden kann.
Jedoch ist das Girosystem weiterhin auf Deutschland beschränkt. Wer im Ausland bargeldlos zahlen will, muss weiterhin eine Debit- oder Kreditkarte der US-Kreditkartenriesen oder eine andere Lösung beispielsweise via App nutzen. Hierzulande gilt die Girokarte jedoch als unangefochtener Marktführer – zumindest im stationären Bereich: Von mehr als 100 Millionen ausgegebene Karten, über eine Million Bezahlpunkten und fast sechs Milliarden Transaktionen im Jahr 2021 innerhalb Deutschlands, berichtet eine Sprecherin.
Wie lange sind Maestro-Karten noch gültig?
Einige Medien titelten "EC-Karte vor dem Aus" oder "EC-Karte bald nicht mehr gültig". Schnell gaben Mastercard wie auch betroffene Geldinstitute Entwarnung. Abgesehen davon, dass die EC-Karte schon längst Girokarte heißt, und weiterhin ihre Gültigkeit behält, erklärte Mastercard gegenüber manager magazin: "Maestro wird so lange funktionieren, bis die letzte Karte vom Markt ist."
Nach der bisherigen Planung könnten Banken noch bis Sommer 2023 neue Karten mit Maestro-Funktion ausgeben. Wer danach eine neue Karte erhält, dürfte entweder eine Debitfunktion von Mastercard oder eine von Visa auf seiner Girokarte erhalten oder eine Karte mit V-Pay, dem Pendant zu Maestro, nur von der Konkurrenz.
Mastercard ging bisher davon aus, dass bis Ende 2027 die letzten Maestro-Karten vom Markt verschwunden sind. Geldinstitute sollten im normalen Turnus ihre Karten bei den Kunden austauschen können. Das Datum könnte sich nun jedoch verschieben. Laut Branchenkennern sollen einige Banken individuell Verlängerungen erwirkt haben.
So sollen laut "Finanzszene" beispielsweise einige Banken sich zwar für die Mastercard-Konkurrenz V-Pay entschieden, die Entscheidung jedoch überdacht haben aufgrund der Ungewissheit, wie lange Visa diesen Dienst aufrechterhält. Stattdessen soll nun ein Wechsel auf eine Debitkarte angestrebt werden, was eine längere Umstiegsfrist benötigen könnte. Bei den Genossenschaftsbanken heißt es, dass die Häuser den Wechsel wie geplant vornehmen.
Allerdings würden die meisten Genossenschaftsbanken ihre Karten turnusgemäß erst im Herbst wechseln, weshalb die Kunden die Änderungen wahrscheinlich erst zu diesem Zeitpunkt wahrnehmen. Ein Sparkassen-Sprecher sagte manager magazin: "Wir sehen keine Notwendigkeit, hier einen Aufschub auszuhandeln." Die Sparkassen-Finanzgruppe hätte sich schon frühzeitig mit der Schaffung von Alternativen zu Maestro beschäftigt, sodass die neuen Lösungen bereits verfügbar seien. So habe es bereits 2020 erste Sparkassen gegeben, die eine Girocard und Debit Mastercard ausgegeben hätten. Die Sparkasse Niederbayern-Mitte gebe hingegen eine Girocard mit Visa Debitkarte aus. Die übrigen Institute sollen im kommenden Jahr folgen.
Wird die neue Debitkarte teurer?
Über die Bankkartengebühren entscheide jede Bank selbst, erklärt Mastercard. So heißt es beispielsweise bei der Commerzbank auf Nachfrage, dass derzeit keine Erhöhung der Kontoführungsgebühren geplant seien. Die ING Bank betont, eine kostenfreie Visa Debitkarte anzubieten, und die Deutsche Bank berichtet, schon seit 2016 die Deutsche Bank Card Plus mit einer Mastercard-Debitfunktion im Portfolio zu haben.
Während sich die Geldinstitute also zurückhaltend äußern, was die Kontoführungsgebühren angeht, rechnen die Händler in Deutschland mit drastischen Mehrkosten. "Tatsächlich kostet die Debitkarte von Mastercard und Visa in der Akzeptanz wesentlich mehr als die Girocard", berichtet Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland - HDE. Denn neben den Autorisierungs- beziehungsweise Interbankenentgelten käme noch eine Systemgebühr für die globalen Schemes hinzu. "Damit ergeben sich bis zu viermal höhere Kosten." Das gelte für jeden Händler.
Die Folge: Eine hohe Zahl von Händlern akzeptiert Binnebößel zufolge die globalen Karten hierzulande nicht. So gebe es in Deutschland schätzungsweise 200.000 Kassen, die nur die Girocard-Funktion akzeptierten – für Kunden, die keine Girokarte haben, keine optimale Lösung. Alle anderen merken nichts.