Anleger-Ärger Immobilienboom geht an gefloppten Fonds vorbei

Skyline Frankfurt: Viele Immobilienfonds müssen Objekte verkaufen - und erzielen keine besonders attraktiven Preise
Foto: DPAMünchen - Es scheint paradox: Auf der gerade zu Ende gegangenen internationalen Immobilienmesse Expo Real in München wurden wieder neue Anlagerekorde vermeldet. Bürotürme, Shoppingcenter und Logistikobjekte im Wert von knapp 25,5 Milliarden Euro hatten in- und ausländische Investoren in den ersten neun Monaten dieses Jahres allein in Deutschland erworben. "Das Investmentvolumen ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum um ein Drittel gestiegen", sagt Ignaz Trombello, Leiter der Investmentsparte der Maklergesellschaft Colliers International. "Das günstige Zinsumfeld und der stetig wachsende Kapitalstrom treiben die Nachfrage und die Preise."
Doch vom Drang zum Betongold profitieren nicht die Anleger jener 15 offenen Immobilienfonds, die sich derzeit in Abwicklung befinden. Im Gegenteil: Nach einer neuen Studie des Immobilienberatungsunternehmens DTZ konnten die Manager der angeschlagenen Investmentvehikel zwar Objekte im Gesamtumfang von rund zwei Milliarden Euro in der ersten Hälfte dieses Jahres losschlagen - allerdings größtenteils nur mit massiven Abschlägen auf die zuletzt ermittelten Verkehrswerte.
"Im Schnitt betrugen die Wertabschläge 21 Prozent", sagt Magali Marton, Chefresearcherin Europa bei DTZ. "Die Spanne reichte dabei von leichten Aufschlägen auf den Buchwert bis hin zu Abschlägen von mehr als 40 Prozent." Damit hat sich der Negativtrend des vergangenen Jahres nochmals verschärft. "2013 betrug bei den Verkäufen der durchschnittliche Abschlag auf die Verkehrswerte 15 Prozent", sagt Marton.
Abstriche bei Zerschlagung
Das ist erschütternd für all jene Anleger, die darauf vertrauten, dass offene Fonds immer Gewinngaranten sein würden. Seit 1959 die ersten Immobilienanlageprodukte in Deutschland aufgelegt wurden, hatten die Investmentvehikel Jahr für Jahr nur positive Renditen vermeldet - bis zum Ausbruch der Finanzkrise in 2009. In Panik wollten damals so viele Anleger ihr Kapital aus den Fonds ziehen, dass 15 von ihnen zunächst eingefroren und später in die Abwicklung geschickt wurden.
Nur zehn Vehikel für Privatkunden kamen ungeschoren davon. Die Krise hatte die Achillesferse der Fonds offengelegt: Ihr Versprechen, jedem Anleger auf Wunsch börsentäglich sein investiertes Geld zurückzuzahlen. "Ein Irrwitz", sagt Dieter Thomaschowski, Inhaber des Analysehauses Thomaschowski Research & Advisory. "Anders als Aktien können Immobilien nicht binnen Minuten, sondern häufig erst nach vielen Monaten veräußert werden."
Die neue DTZ-Studie zeigt nun, dass in einem solchen Zerschlagungsszenario deutliche Abstriche auf die Buchwerte hingenommen werden müssen - selbst wenn die Immobilienmärkte gerade boomen. "Die in Abwicklungen befindlichen Fonds konnten die Perlen in ihren Portfolios gleich zu Beginn des Abverkaufs veräußern", sagt Sonja Knorr, Analystin der Berliner Ratingagentur Scope. "Von den Immobilien im Restbestand sind viele überaltert, teilweise nicht vermietet oder befinden sich an Standorten minderer Qualität."
Solche Objekte ließen sich auch im gegenwärtigen Boom nur mit deutlichen Preisnachlässen losschlagen. "Die Masse der Investoren sucht weiterhin Bürotürme und Einkaufszentren in guten Lagen mit langen Mietvertragslaufzeiten", sagt Knorr.
Anleger investieren wieder, Anbieter legen neue Fonds auf
Trotz des Debakels ist bei vielen Anlegern der Appetit auf die Immobilieninvestmentvehikel wieder zurückgekehrt. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Branchenverband BVI Mittelzuflüsse im Gesamtvolumen von 3,15 Milliarden Euro. Weitere 339,2 Millionen Euro kamen bis Ende Juli in diesem Jahr neu hinzu. Dass der Geldregen dieses Jahr deutlich spärlicher ausfiel, führt Knorr auf die von der Bundesregierung im vergangenen Jahr verabschiedete Reform der Anlageprodukte zurück.
Um künftig Liquiditätsengpässe zu verhindern, müssen Anleger seither neu investiertes Kapital mindestens zwei Jahre in den Fonds belassen. Rücknahmen von mehr als 30.000 Euro in einem Kalenderhalbjahr müssen ein Jahr zuvor angekündigt werden.
"Manche Anleger zögern nun, sich mit ihrem Kapital längerfristig zu binden", sagt Knorr. "Die überlebenden Altfonds sind mit der Gesetzesreform zur Zwei-Klassen-Gesellschaft geworden." Fondsanteile, die vor der Neuregelung erworben wurden, können weiterhin jederzeit in unbegrenztem Umfang zurückgegeben werden. "Neuanleger laufen deshalb Gefahr, dass ihr Geld bei einer erneuten Fondskrise eingefroren wird, während Altanleger noch durch die Tür kommen", sagt Thomaschowski.
"Diese Gefahr ist aber sehr gering", schränkt Knorr ein. Die Fonds, die unbeschadet durch die Turbulenzen kamen, werden allesamt von großen Banken mit starken Vertrieben und dichtem Filialnetz gemanagt. Hinter ihnen stehen die Commerzbank, die Deutsche Bank, der Sparkassen-Fondsbesorger Deka Bank und die Union Investment Real Estate aus der Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken.
Keine Zwei-Klassen-Gesellschaft mehr
"Diese Banken und ihre Vertriebe haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie selbst Paniksituationen an den Kapitalmärkten gut managen können", sagt Knorr. Teilweise hätten sie bei zu hohen Mittelabflüssen rückläufige Fondsanteile auf die eigenen Bücher genommen, um eine Schließung der Investmentvehikel zu vermeiden.
Dennoch sehen zwei Fondsanbieter in der Gesetzesreform die Chance, neue Produkte auf den Markt zu bringen, bei denen es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Die Frankfurter Kapitalanlagegesellschaft KanAm hat bereits 2013 ihren Fonds "Leading Cities Invest" auf den Markt gebracht, der in Gewerbeimmobilien in europäischen Metropolen investiert. Die Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Asset & Wealth Management (DeAWM) zieht jetzt mit dem "Grundbesitz Fokus Deutschland" nach, der ausschließlich hiesige Gewerbeimmobilien erwerben soll.
"Neben den bestehenden global und europaweit investierenden offenen Fonds wollen wir den Anlegern ein drittes Produkt unseres Hauses bieten, das sich klar differenziert und auf den deutschen Immobilienmarkt fokussiert", sagt DeAWM-Geschäftsführer Ulrich Steinmetz. Um zu verhindern, dass Anleger in Scharen den beiden zusammen rund 6,5 Milliarden Euro schweren Altfonds den Rücken kehren, ist das Volumen des neuen Fonds auf 700 Millionen Euro begrenzt.
KanAm hingegen hat seinem neuen Investmentvehikel kein Limit gesetzt - weil es innerhalb des Hauses kein Konkurrenzprodukt gibt. Die früheren beiden Fonds der Frankfurter wurden ebenfalls von der Turbulenzen getroffen. Der einst rund 650 Millionen US-Dollar schwere "US-Grundinvest" konnte - als bislang einziger Krisen-Fonds - bereits alle Immobilien verkaufen. "80 Prozent der Anleger haben eine positive Rendite erzielt", sagt Unternehmenssprecher Michael Birnbaum. Lediglich jene Investoren, die erst kurz vor der Schließung Anteile erwarben, hätten Verluste hinnehmen müssen, weil der Fonds durch den vorzeitigen Verkauf der Immobilien Vorfälligkeitsentschädigungen an die finanzierenden Banken zahlen musste.
Abwicklung im Eiltempo
Bei der Abwicklung des deutlich schwereren Grundinvest-Fonds ist die Gesellschaft weit vorangekommen. "In 30 Monaten wurden weltweit 29 Immobilien veräußert und das Immobilienvermögen von ursprünglich 6,4 Milliarden Euro auf 2,6 Milliarden Euro reduziert", sagt Birnbaum. "Kein zweiter Anbieter, der einen Fonds für Privatanleger auflöst, hat ein ähnliches Tempo bei den Verkäufen vorzuweisen."
Das helfe nun, auch ohne großen Bankenvertrieb Anleger für den neuen Fonds zu gewinnen. Bislang seien rund 23 Millionen Euro eingesammelt und in ein kleineres Büroobjekt in Hamburg sowie in fünf Einzelhandelsimmobilien in Paris investiert worden. "Bis wir weitere Objekte mit nachhaltigem Renditepotential erworben haben, geben wir keine neuen Anteile aus", sagt Birnbaum. Die Liquidität würde sonst die Mietrendite verwässern.
Die SEB, deren Immoinvest ebenfalls abgewickelt wird, hat zwar auch einen neuen Fonds angekündigt. Bislang aber nicht Vollzug gemeldet. Die übrigen Anbieter hingegen wollten bisher keine Produkte nach neuem Recht auf den Weg bringen. Diese Einstellung könnte sich nun ändern, meint Birnbaum. "Wenn das Flaggschiff Deutsche Bank einen neuen Fonds auflegt, geraten die übrigen Anbieter unter Zugzwang."