Zusätzliche Nachfrage durch Corona-Krise Logistik-Objekte - heimliche Stars am Immobilienmarkt

Logistik-Center von Hermes in Leipzig: Immobilien dieser Art werden zunehmend gebraucht - und sind bei Investoren beliebt.

Logistik-Center von Hermes in Leipzig: Immobilien dieser Art werden zunehmend gebraucht - und sind bei Investoren beliebt.

Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Investmentboom am deutschen Immobilienmarkt - das war vor der Corona-Krise. Gegenwärtig, das ist von Marktteilnehmern zu erfahren, ruht der Handel mit Gewerbeimmobilien weitgehend. Verkaufswillige Besitzer von Bürogebäuden oder Einzelhandelsobjekten legen ihre Bemühungen auf Eis. Und Investoren auf der anderen Seite warten ebenfalls erstmal ab, bis klar ist, wie es nach dem großen Ausnahmezustand namens Lockdown weitergeht mit Preisen, Mieten und damit auch Renditen.

Nur über eins herrscht in der Branche weitgehend Einigkeit: Wenn es eine Immobilienart gibt, die diese schwierige Phase gemessen am Nutzerinteresse und damit womöglich auch an der Attraktivität für Investoren noch am besten überstehen kann, dann sind es vermutlich Logistikimmobilien, also Lagerhallen, Umschlagzentren und ähnliches.

Schon vor der Krise gehörte diese Immobilienart zu den Lieblingen von Investoren aus dem In- und Ausland. Im ersten Quartal 2020 beispielsweise, in dem das Geschäft hierzulande von der Corona-Krise noch weitgehend unbeeinflusst lief, flossen Zahlen des Dienstleisters JLL zufolge insgesamt 28 Milliarden Euro von institutionellen Geldanlegern in deutsches Betongold - ein historischer Höchstwert. Allein 18,3 Milliarden davon entfielen auf Gewerbeimmobilien, so JLL, der Rest auf den Wohnsektor.

Innerhalb des Gewerbebereichs wiederum zogen Logistikimmobilien den Angaben zufolge in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutschlandweit 2,3 Milliarden Euro an Investorengeldern an - auch das ein Rekord. Das Transaktionsvolumen lag etwa 70 Prozent über jenem des vergleichbaren Vorjahreszeitraums und auch deutlich über dem vorherigen Quartalsrekord von zwei Milliarden Euro aus dem Jahr 2017.

Logistikimmobilien auch in der Corona-Krise gefragt

Der Hintergrund ist klar: Vor allem durch die Globalisierung, die Digitalisierung und den zunehmenden Online-Handel nimmt die Bedeutung der Transport- und Lagerwirtschaft weltweit seit Jahren zu. Diese Entwicklung wurde auch durch die Corona-Krise kaum gestoppt - eher im Gegenteil. Zwar ruht seit Wochen ein Großteil der Realwirtschaft rund um den Globus, wodurch auch Lieferketten, Transportwege und Handelsverbindungen unterbrochen wurden.

Millionen Menschen sind allerdings zugleich durch den Lockdown in ihrer Mobilität eingeschränkt. Sie können den lokalen Einzelhandel - sofern der überhaupt geöffnet hat - kaum aufsuchen und sind vermehrt auf das Online-Shopping angewiesen. Nicht durch Zufall gehört der Online-Handelskonzern Amazon  bislang zu den Gewinnern der Corona-Krise - ein Unternehmen, das auch zu den großen Playern am Markt für Logistikimmobilien zählt.

Ein weiteres Beispiel: Die Gebrüder Weiss Holding AG mit Sitz in Lauterach, Österreich. Das Unternehmen mit mehr als 7300 Mitarbeitern an 150 Standorten und einem Jahresumsatz von rund 1,7 Milliarden Euro zählt eigenen Angaben zufolge zu den führenden Transport- und Logistikunternehmen Europas - und baut seine Geschäfte in diesen Tagen sogar noch weiter aus. Einer Mitteilung zufolge hat Gebrüder Weiss gerade in Südkalifornien ein neues Lager mit einer Fläche von mehr als 9000 Quadratmetern eröffnet. "Viele unserer Kunden rücken derzeit verstärkt produktionsnahe Lieferketten in ihren Fokus und erhöhen die Lagerbestände an kritischen Materialien und Produkten", sagt USA-Chef Mark McCullough. "Mit unserem neuen Lager in Südkalifornien können wir diese Kunden gezielt unterstützen."

Warum Logistik-Objekte für Investoren attraktiv sind

Eine ähnliche Belebung seines Geschäfts erlebt der Logistik-Spezialist Logivest aus München. "Ende März hatten wir in einer einzigen Woche Flächenanfragen für rund eine Million Quadratmeter", sagt Firmenchef Kuno Neumeier. "Zum Vergleich: 2019 hatten wir deutschlandweit insgesamt einen Flächenumsatz von rund 6,8 Millionen Quadratmetern."

Die kurzfristige Nachfrage beruhe auf den Umsatzsteigerungen der Märkte, die Produkte des täglichen Bedarfes anbieten, also Lebensmittel-Nahversorger, so Neumeier. "Durch die weltweit unterbrochenen Lieferketten merken wir aber auch im Non-Food-Handel und bei der Produktion einen deutlich erhöhten Lagerflächenbedarf", sagt er.

"Im Non-Food-Bereich ist die Herausforderung die sogenannte gestrandete Ware. Dabei handelt es sich um disponierte Ware, beispielsweise im Textilbereich für die neue Saison, die aufgrund der geschlossenen Geschäfte nicht ausgeliefert werden konnte und somit zwischengelagert werden muss." Mit der langsamen Entspannung der Corona-Krise werde diese spezielle Flächennachfrage allerdings wieder zurückgehen, glaubt der Manager.

Was allerdings nicht bedeutet, dass die Nachfrage nach Logistikimmobilien nach der Corona-Krise wieder sinken wird. Im Gegenteil: Beinahe unisono sehen Branchenteilnehmer und Fachleute für diesen Sektor eine stabile Zukunft - mindestens.

Experten sehen gute Perspektiven für den Logistik-Bereich

Der Logistik-Sektor wird aus dieser Krise gestärkt hervorgehen, sagt beispielsweise Nick Jones, Chef des Bereichs Industrial Investment bei JLL in Deutschland. Zweifellos gelte es noch einige Herausforderungen zu meistern, aber Deutschland bleibe im Mittelpunkt Europas und JLL beobachte bereits eine steigende Nachfrage nach Logistik- und Industrieimmobilien.

Auch Marcus Lemli, Deutschland-Chef des Immobilienberaters Savills, nennt Logistikimmobilien als das "Gewinner-Segment" in der Corona-Krise. Ein Grund: Die Krise habe deutlich gemacht, wie wichtig beispielsweise auf nationaler Ebene speziell im medizinischen Bereich die Vorratshaltung bei bestimmten Produkten wie etwa Schutzausrüstungen oder Medikamenten sei. Das komme zur ohnehin zunehmenden Flächennachfrage aufgrund von Digitalisierung und Online-Handel noch hinzu, so Lemli.

Die Politik werde gezwungen sein, Permanentbestände an dringend benötigten Produkten sowie Waren des täglichen Bedarfs in ausreichender Menge für Boom- und für Krisenzeiten vorzuhalten, glaubt zudem Umut Ertan, Chef des Immobilienunternehmens Realogis. "Zudem werden Pufferlager benötigt, um Lieferengpässe zu vermeiden", sagt er. "Unternehmen werden ihre Lieferketten auf ihre Funktionalität auch in Krisenzeiten überprüfen und sie beständiger machen. Damit steigt der Bedarf an Lagerflächen und die Assetklasse Logistik wird noch attraktiver als ohnehin schon."

Höhere Renditen als bei Büro- und Einzelhandelsgebäuden

Was heißt das alles für Investoren? Welche Renditen werden sich mit Logistikimmobilien künftig erzielen lassen?

Bisher war dieser Sektor aus Sicht von Geldanlegern noch vergleichsweise attraktiv. So sind beispielsweise die Renditen, die mit Büro- oder Einzelhandelsimmobilien erzielt werden können, im Investmentboom der vergangenen Jahre auf deutlich unter 4 Prozent abgesunken. Im Logistiksegment gab es bei Top-Immobilien zwar einen ähnlichen Trend, wie Bernhard Ehm, Spezialist für Industrial-Investments bei Savills, sagt. "Dennoch waren im Logistiksektor für Top-Immobilien immer noch höhere Renditen erzielbar als es bei Top-Objekten im Bürosektor möglich wäre", so Ehm. "Damit ein Argument für die Anleger."

Und künftig? Laut Ehm ist es noch zu früh, Aussagen darüber zu treffen, wie sich die Renditen am Immobilienmarkt in den kommenden Wochen und Monaten angesichts der neuen Verhältnisse entwickeln werden.

Logivest-Chef Neumeier dagegen lehnt sich weiter aus dem Fenster. "Logistikimmobilien zeigen Investoren in der aktuellen Krise ihre Vorzüge gegenüber anderen Immobilien-Assetklassen", sagt er. "Der Trend zunehmenden Interesses von Investoren an Logistikimmobilien - und damit einhergehend von steigenden Preisen und sinkenden Renditen - dürfte sich also fortsetzen."

Sollte Neumeier Recht behalten, wäre das eine klare Botschaft für Investoren: Der Logistikimmobilienbereich erscheint attraktiv für die Geldanlage - aber für eine attraktive Rendite läuft offenbar bereits die Zeit ab.

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