
Riskante Immobilieninvestments Hauskäufer tappen in die Renditefalle
Hamburg - Geld anzulegen funktioniert im Grunde nach einem ganz simplen Prinzip: Ich verzichte heute auf eine Summe x, um irgendwann in der Zukunft diese Summe x plus eine ordentliche Rendite wiederzubekommen. Manchmal wird die Regel jedoch auf den Kopf gestellt. Dann verzichten Anleger freiwillig auf eine Summe x - wohl wissend, dass sie am Ende weniger zurückbekommen, als sie eingezahlt haben.
Ein solch absurdes Verhalten konnte man zuletzt bei deutschen Staatsanleihen beobachten. Als im Juli die Finanzagentur Bonds mit zehn Jahren Laufzeit emittierte, rissen Anleger der Behörde die Papiere förmlich aus den Händen. Und das bei einer historisch niedrigen Rendite von 1,31 Prozent. Zieht man die Inflationsrate ab, ist die Rendite negativ. Mit anderen Worten: Investoren werfen dem Bund Geld hinterher und zahlen dafür sogar noch eine Prämie.
Ein ähnliches Phänomen kündigt sich derzeit auf dem deutschen Immobilienmarkt an. Der Run auf das vermeintliche "Betongold" ist in einigen Großstädten so extrem, dass die Renditen zuletzt deutlich abgesackt sind. Das ist nicht nur für Anleger ein Problem. Die Entwicklung ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich in einigen Lagen möglicherweise eine gefährliche Preisblase aufpumpt.
Kaufpreise koppeln sich von Mieten ab
Beispiel München: In der bayerischen Hauptstadt, dem ohnehin teuersten Immobilienmarkt Deutschlands, sind die Kaufpreise für Eigentumswohnungen innerhalb von zwölf Monaten noch einmal um knapp ein Viertel gestiegen. Im Schnitt zahlten Käufer im ersten Halbjahr 2012 rund 4240 Euro für einen Quadratmeter Wohnfläche. Das zeigt eine Studie des Immobiliendienstleisters Jones Lang LaSalle (JLL), für die insgesamt 220.000 Mietangebote und 92.000 Kaufangebote für acht deutsche Städte ausgewertet wurden.
Auch die Mieten sind in keiner anderen Metropole so stark gestiegen wie in München. Sie legten im Durchschnitt um 8,8 Prozent auf 13,15 Euro pro Quadratmeter zu. Die Kaufpreise sind demnach knapp drei Mal so schnell gestiegen wie die Mieten. In einzelnen Teilmärkten Münchens sei die Preisspirale nicht mehr fundamental zu begründen, heißt es in der JLL-Studie - deutliche Worte für die sonst nüchtern formulierte Auswertung.
Die Kaufpreise laufen den Mieten davon - ein Trend, der sich in allen acht von JLL untersuchten Städten beobachten lässt. Neben München stiegen die Kaufpreise auch in Hamburg, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Leipzig mindestens doppelt so schnell wie die Mieten. "In den Metropolen beobachten wir teilweise eine fundamentale Abweichung von Miet- und Kaufpreisen", bestätigt Michael Kiefer, Chefanalyst von Immobilienscout24.
Kritische Schwelle erreicht
Die Entwicklung hat dramatische Folgen für Käufer, die Haus oder Wohnung nicht selbst bewohnen, sondern sie an andere vermieten. Die Mietrendite, also das Verhältnis aus Kaufpreis und Jahresmieteinnahmen, bricht ein. In einigen Fällen steht nach Abzug aller Kosten unter dem Strich ein Verlust.
Zurück zu München: Nach Berechnungen von JLL für manager magazin online ist die Rendite für Zinshäuser in den vergangnen drei Jahren von durchschnittlich 5 Prozent auf 4,5 Prozent gefallen. Bei Topobjekten fiel die Mietrendite von 4 auf 3,5 Prozent - ein Rückgang von 14 Prozent. Damit ist eine kritische Schwelle erreicht. "Unter 3,5 Prozent Rendite werden die Kosten für die Finanzierung und die Instandhaltung nicht mehr gedeckt", sagt JLL-Chefgutachter Andrew Groom.
Mancher Anlageprofi sieht Immobilien als Kapitalanlage deswegen skeptisch. "Die Faktoren für Mehrfamilienhäuser in einigen Metropolen sind auf ein krankhaftes Niveau gestiegen", warnt Wolfgang Köbler von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg. "Käufer gehen Risiken ein, die rational nicht mehr nachzuvollziehen sind."
Renditen im Sturzflug
Auch in allen anderen Städten, die JLL unter die Lupe genommen hat, sind die Renditen im Sturzflug. Spitzenreiter im negativen Sinne ist Leipzig, wo die durchschnittliche Rendite seit 2009 um ein Fünftel geschrumpft ist. Danach folgen Düsseldorf (-12,5 Prozent), Berlin (-12 Prozent), Hamburg (-8,7 Prozent) , Frankfurt (-8,7 Prozent), Köln (-8,3 Prozent) und Stuttgart (-8 Prozent). Auch bei Topobjekten mussten Anleger empfindliche Einbußen hinnehmen. In gleich fünf Städten (München, Hamburg, Köln, Stuttgart, Frankfurt) gingen die Mietrenditen im zweistelligen Prozentbereich zurück.
In die gleiche Richtung dürfte auch der Preisspiegel des Maklerverbands IVD weisen, der in dieser Woche veröffentlicht wird. "Wer jetzt in Städten wie München, Frankfurt oder Hamburg sehr teuer einkauft, kann nur noch von einem geringen Wertsteigerungspotenzial des Objekts ausgehen", sagt IVD-Vizepräsident Jürgen Michael Schick.
In Hamburg weichen Anleger bereits auf Viertel im Stadtrand aus. Denn im Zentrum rund um die Alster kommen kaum noch Objekte auf den Markt. Und wenn doch einmal ein Haus zum Verkauf steht, sind nicht mehr als 2 bis 3 Prozent Rendite drin, hat das Maklerhaus Grossmann & Berger ermittelt. Im Speckgürtel der Hansestadt sind dagegen noch über 5 Prozent zu holen - Tendenz fallend.
Ein Ende der Rendite-Talfahrt - die nichts anderes ist, als die Kehrseite des Immobilien-Kaufrauschs - scheint so schnell nicht in Sicht. "Wenn sich die Bedingungen nicht fundamental ändern, könnte der Boom noch zwei bis drei Jahre anhalten", schätzt JLL-Experte Groom. Auch bei Immobilienscout24 rechnet man mit einer Fortsetzung: "Der Nachfragedruck in den Metropolen bleibt hoch, deswegen werden wir auch in Zukunft teilweise leicht fallende Rendite sehen", sagt Chefanalyst Kiefer.
Warum lassen sich Anleger auf Verlustgeschäfte ein? Die Antwort lautet wohl: Angst. Angst vor dem Kollaps des Euro. Angst vor der Inflation. Angst, anderswo noch mehr Geld zu verlieren. Das gilt für Immobilien genauso wie für deutsche Staatsanleihen. "Das Fluchtkapital sucht händeringend nach Investitionsmöglichkeiten", sagt Kiefer.
Gefährliche Kettenreaktion
Hinzu kommt bei Immobilien: Die Konditionen für Kredite sind in Deutschland schon seit Monaten extrem günstig. Ein Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren ist derzeit - entsprechendes Eigenkapital vorrausgesetzt - zu einem Effektivzins von 2,6 Prozent zu haben. Vor fünf Jahren waren es noch 5 Prozent. Bei fünf Jahren Laufzeit verlangen Banken nur knapp über 2 Prozent Zinsen. "Die Baufinanzierungszinsen liegen derzeit nahe der Inflationsrate", sagt Immobilienscout24-Analyst Kiefer.
Doch das muss nicht so bleiben. "Wir rechnen mit einem Anstieg von 0,25 Prozentpunkten in den nächsten Monaten", sagt Max Herbst von der Finanzberatung FMH. Seine Begründung: Die Zinsen für Darlehen orientieren sich an der Rendite für deutsche Staatsanleihen. Und diese könnte bald steigen. Schuld seien die gestiegenen Haftungsrisiken Deutschlands, die sich aus den unbegrenzten Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank und aus dem Ja des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm ESM ergäben, so Herbst. Auch der Hypothekenvermittler Interhyp rechnet mit steigenden Zinsen.
"Die Euphorie kann schnell kippen"
Sollten die Finanzierungskonditionen tatsächlich deutlich steigen, könnte der Immobilienboom einen Dämpfer bekommen. "Die Euphorie kann schnell kippen, wenn die Zinsen um 2 Prozent steigen", sagt Vermögensverwalter Köbler.
Dadurch würde eine Kettenreaktion in Gang gesetzt: Denn mit steigenden Kreditzinsen sinkt tendenziell die Nachfrage. Das wiederum sorgt für fallende Preise. Investoren, die trotz Mini-Renditen auf eine Wertsteigerung beim Wiederverkauf gewettet haben, droht dann ein böses Erwachen.
Mietrenditen von acht Metropolen im Überblick
- • Staatsanleihen zu Mini-Zinsen: Investoren schütten Bund mit Geld zu
- • Immobilienboom: Besorgte Blicke nach Hamburg und Berlin