Nach der Liquiditätskrise Immobilienfonds wollen neu durchstarten

Deka-Investitions-Standort Prag: Die offenen Immobilienfonds wollen die Krise hinter sich lassen
Foto: CorbisHamburg - Für die offenen Immobilienfonds war der gestrige Montag ein besonderer Tag. Die Credit Suisse entschied über das Schicksal ihres "CS Euroreal". Und es gab keine Überraschung: Der Fonds mit einem Volumen von rund sechs Milliarden Euro wird abgewickelt - genau wie mehrere andere vor ihm ebenfalls.
Die Entscheidung mag für die Anleger unerfreulich sein. Für die Branche insgesamt jedoch hat sie auch ihr Gutes. Denn die Anbieter können nun einen Strich unter die Schwierigkeiten der vergangenen Jahre ziehen.
Kurz nach der Lehman-Pleite 2008 hatten Investoren begonnen, viel Geld aus den Fonds abzuziehen. Da die Mittel jedoch zum Großteil in Immobilien steckten, konnten die Fonds die Anleger nicht wie gewünscht auszahlen. Die Folge: Viele Fonds mussten die Rücknahme der Anteilsscheine aussetzen. Da dies wiederum lediglich für die Dauer von maximal zwei Jahren erlaubt ist, mussten die Fondsmanager jetzt Farbe bekennen. Der CS Euroreal war der letzte große Fonds, über dessen Schicksal entschieden wurde.
Die Bilanz insgesamt sieht damit auf den ersten Blick nicht gut aus: Mindestens zehn offenen Immobilienfonds gelang es nicht, ihr Liquiditätsmanagement so stabil aufzustellen, dass eine dauerhafte Wiederöffnung möglich gewesen wäre. Das Misstrauen der Anleger war offenbar zu groß, zu viele wollten aus den Investments heraus.
Hohe Liquiditätsquoten, schlechte Mietabschlüsse
Diese Fonds werden nun im Laufe der kommenden Jahre nach und nach ihre Bestände veräußern und die Erlöse an die Investoren auszahlen. Unter den betroffenen Produkten befinden sich prominente Adressen wie Morgan Stanley, Axa, Degi, SEB oder eben Credit Suisse.
Damit aber nicht genug: Bei der Performance stehen die offenen Immobilienfonds derzeit ebenfalls nicht besonders gut da. Nach Berechnung der Ratingagentur Scope sind die Renditen, die schon im Vorjahr auf niedrigem Niveau lagen, zuletzt weiter gesunken. In einer aktuellen Analyse schreibt Scope, die Zehnjahresperformance liege derzeit im Schnitt bei 3,7 Prozent. 2011 waren es noch 4 Prozent.
Als Grund für den Rückgang nennt die Ratingagentur vor allem die hohen Liquiditätsquoten, die die Fonds inzwischen vorhalten, sowie tendenziell schlechtere Mietabschlüsse.
Angesichts dessen überrascht das Urteil der Fachleute nicht: 17 Produkte - sowohl Publikumsfonds als auch solche für institutionelle Anleger - hat Scope untersucht. Bei zehn Fonds verschlechterte sich das Rating, bei vieren blieb es gleich. Lediglich drei Produkte konnten sich verbessern.
Krise, Fondsliquidierungen, Renditeschwund - das alles klingt nicht erfreulich. Experten fällen jedoch mit Blick nach vorn ein positives Urteil. Die Branche habe "eine historische Chance zum Neubeginn", heißt es etwa bei Scope. "Den Anlegern werden auch nach Abschluss der Konsolidierung genügend gute offene Immobilienfonds zur Verfügung stehen", so Analystin Sonja Knorr.
Wichtig ist die Vertriebskraft
Auch Steffen Sebastian, der einen Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung an der International Real Estate Business School (IREBS) der Uni Regensburg hat, sagt: "Offene Immobilienfonds sind nach wie vor ein gutes Produkt. Allerdings haben sie durch die Ereignisse der vergangenen Jahre an Ansehen verloren, was zum Teil auch selbst verschuldet war."
Sebastian sieht vor allem bei den Vertriebspartnern der Fondsanbieter eine Mitschuld, denn die hätten nicht ausreichend vor den Risiken der Anlageklasse gewarnt. Insbesondere auf die Möglichkeit, dass ein Fonds geschlossen werden könne, sei zum Teil nicht hingewiesen worden.
Das Argument wiegt schwer, denn die Vertriebspower eines Anbieters gilt unter Fachleuten inzwischen als eines der wesentlichen Erfolgskriterien. Auch ein Blick auf die Liste der nach der Krise verbleibenden Fonds lässt diesen Schluss zu: Im wesentlichen bieten nur noch die Sparkassen, die Genossenschaftsbanken, die Deutsche Bank sowie die Commerzbank Publikumsfonds an. Ausschließlich vertriebsstarke Finanzhäuser also.
"Stetige Mittelzuflüsse erleichtern das Management", erläutert Torsten Knapmeyer, Geschäftsführer des Marktführers Deka Immobilien und der WestInvest. "Deshalb ist ein starker Vertrieb hilfreich."
Nähe zum Anleger
Der Absatz über das Filialnetz der Sparkassen hat besondere Vorteile, so Knapmeyer. Denn die Berater vor Ort können den Anlegern die jeweilige Situation der Fonds- und Immobilienmärkte "jederzeit ausreichend" erklären.
Zum Hintergrund: Seit 2006 trennt die Deka-Gruppe die Gelder von institutionellen und privaten Anlegern und leitet sie in verschiedene Produkte. In den Publikumsfonds des Hauses befinden sich zu über 90 Prozent Privatanleger. Zum Beispiel im "Deka ImmobilienEuropa" also, dem mit rund elf Milliarden Euro größten Vertreter seiner Art hierzulande.
Zudem steuert die DekaBank Mittelzuflüsse durch die Zuteilung von Kontigenten. Und sie hält einen hohen Liquiditätsanteil. "Dabei nehmen wir die dämpfende Wirkung auf die Performance bewusst in Kauf", sagt Knapmeyer.
Der Erfolg gibt ihm Recht: Mit Renditen zwischen 2 und 2,7 Prozent lagen die offenen Fonds mit den Labels Deka und WestInvest nach Angaben des Anbieters 2011 über dem Schnitt aller Produkte.
Doch nicht nur der starke Vertrieb soll künftig dabei helfen, Liquiditätskrisen wie die jüngste zu verhindern. Zudem wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert.
Neue Regeln sollen Krisen verhindern
So müssen spätestens ab 2013 alle Anleger offener Immobilienfonds eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten einhalten. Für alle, die gerade neu in einen Fonds einsteigen, gilt zudem eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren. Lediglich Beträge bis 30.000 Euro pro Halbjahr sind von diesen Fristen ausgenommen.
Experte Sebastian hält dieses Reglement für geeignet - wenngleich er kleine Verbesserungsvorschläge hat. "Man sollte die Liquidität der Fonds noch stärker einschränken können", so Sebastian zu manager magazin online. "Zudem gibt es bei der Gestaltung von Fondsabwicklungen Nachbesserungsbedarf."
Grundsätzlich jedoch, so der Fachmann, sei der offene Immobilienfonds weiterhin die "beste Form der indirekten Immobilienanlage". Er sei sowohl der Immobilienaktie als auch dem geschlossenen Fonds überlegen, weil beide mit größeren Risiken verbunden seien und insbesondere der geschlossene Fonds keine ausreichende Streuung der Gelder biete.
Privatleuten rät Sebastian allerdings, nicht mehr als 20 Prozent des Vermögens in offene Immobilienfonds zu investieren und die Mittel ausreichend zu verteilen. Allein mit den jetzt verbliebenen Produkten könne ein Anleger in mehr als 1000 Objekte investieren, so Sebastian. Das reiche zur Risikostreuung vollkommen aus.
Die Investoren folgen dem Vorschlag offenbar. Die offenen Immobilienfonds verzeichnen trotz der schlechten Nachrichten aus dem Sektor seit Monaten Zuflüsse. Dabei profitieren sie nach Einschätzung von Experten von der generellen Nachfrage nach "sicheren" Anlagen, die auch auf dem Häusermarkt in Deutschland einen Boom ausgelöst hat.
Im ersten Quartal 2012 flossen laut Branchenverband BVI netto 1,37 Milliarden Euro in offene Immobilienfonds. Allein Marktführer DekaBank verbuchte seit Anfang 2011 Nettozuflüsse von mehr als 1,5 Milliarden Euro.
Gelder, mit denen die Deka bereits auf Einkaufstour ging. Erst am Montag verkündete das Unternehmen den Kauf einer Immobilie in Prag für den Deka ImmobilienEuropa. Insgesamt wurden in diesem Jahr für die drei Publikumsfonds des Hauses bereits Objekte für 750 Millionen Euro erworben. Verkauft wurden dagegen Gebäude im Wert von lediglich 640 Millionen Euro.
Die Geschäfte der offenen Immobilienfonds laufen offenbar auf vollen Touren.