Handel mit NFT-Kunst "Der Kunstmarkt darf nicht zur Geldwaschmaschine verkommen"

Bored Ape Yacht Club: Yuga Labs verkaufte im April 2021 Profilbildchen mit Affenköpfen zu je 300 US-Dollar. Anschließend explodierten die Preise.
Foto: All mauritius images / mauritius images / Mininyx Doodle / Alamy / Alamy Stock PhotosDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
mm: Herr Decker, mit dem Kauf eines "Non-fungible-Token" (NFT) erwirbt ein Käufer vereinfacht gesagt einen digitalen Registereintrag auf der Blockchain. Dieser Eintrag weist ihn als Besitzer eines Profilbildchens, eines Sammlerstücks oder eines Kunstwerkes aus. Was ist daran so bedeutsam?
Pascal Decker: Ein NFT wirkt wie ein Besitznachweis. Er ermöglicht das Eigentum an digitalen Werken. Dadurch wird digitale Kunst, die technisch beliebig reproduzierbar ist, handelbar, denn das Bild oder Kunstwerk wird einem oder mehreren Besitzern eindeutig zugeordnet. Zusätzlich kann theoretisch auch ein Meisterwerk wie die Mona Lisa dank NFT-Technologie an 1000 Käufer versteigert werden: Wer einen der 1000 Mona-Lisa-NFT erwirbt, darf sich als Mitbesitzer der Mona Lisa fühlen. Beides hat für den Kunstmarkt enorme Konsequenzen.
Der NFT-Hype lockt jedoch nicht nur Kunstfreunde an, sondern auch Glücksritter, Spekulanten und Geldwäscher …
Das ist in der Tat ein Problem. Sie bezahlen ein NFT ja mit Kryptowährung. Und die großen NFT-Handelsplattformen werden derzeit, anders als der Aktienhandel, kaum reguliert, sodass auch Scheingeschäfte leichter möglich sind. Allein im Jahr 2021 wurden Kryptowerte im Wert von rund 8,6 Milliarden US-Dollar gewaschen, und die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Derzeit ist der NFT-Kunstmarkt noch ein Wilder Westen.
Geldwäsche mithilfe von NFT-Kunstwerken – wie funktioniert das konkret?
Um Schwarzgeld aus einer strafbaren Vortat zu waschen, geht ein Geldwäscher in der Regel in mehreren Schritten vor. Er kann zum Beispiel auf einer Plattform ein günstiges NFT-"Kunstwerk" kaufen. Dafür wird in der Regel sauberes Geld verwendet.
Im zweiten Schritt wird der NFT dann auf einer geeigneten Plattform zum Kauf angeboten. Nun kauft der Geldwäscher selbst oder über einen Mittelsmann den NFT von sich selbst mit der zu waschenden Summe Schwarzgeld. Da der Kauf meist in einer digitalen Währung abgewickelt wird, bieten sich hier zusätzliche Möglichkeiten, um die Identität und die Herkunft des Geldes zu verschleiern.
Nach außen sieht es nun so aus, als habe der Geldwäscher durch den Verkauf des NFT einen hohen Gewinn erzielt. Dieser kann als sauberer Profit angegeben werden und nun in den legalen Wirtschaftskreislauf einfließen. Bei einem sogenannten "Wash Trade" verkauft der Verkäufer den NFT also an sich selbst – zu einem deutlich höheren Preis.
Das erklärt auch, warum die Umsätze und Preise auf vielen unregulierten Plattformen so in die Höhe geschossen sind – und viele Anleger glauben, der Hype würde weitergehen …
Nicht jede Transaktion auf einer NFT-Plattform ist ein Wash Trade. Es gibt sehr viele Interessierte, die bei diesem Trend dabei sein und NFTs handeln wollen. Die Zahl der Kryptokonten, mit denen NFTs gehandelt wurde, ist seit Anfang 2021 auf knapp 3 Millionen gestiegen. Insofern ist das schon ein neuer und wichtiger Markt mit einer echten Nachfrage …
Dieser Markt wird aber auch von Spekulanten, die Preise aufpumpen, sowie von Geldwäschern missbraucht …
Jede neue Methode Vermögenswerte zu handeln, eröffnet neue Wege für Kriminelle, illegale Gelder in den regulären Wirtschaftskreislauf zu schleusen. Die Behörden und die Politik müssen erst die richtigen Instrumente schaffen, um mit den Geldwäschern Schritt zu halten, die permanent und kreativ nach immer neuen Wegen suchen. Dazu gehört auch, auf dem NFT-Hype mitzuschwimmen.
Wie kann Geldwäsche im NFT-Handel verhindert werden?
Um Geldwäsche zu verhindern, ist in erster Linie eine gute Risikoanalyse der Plattformen notwendig. Sie müssen erkennen, wo konkret die Risiken liegen, für den Zweck der Geldwäsche missbraucht zu werden. Zusätzlich ist ein ordentlicher KYC- (Know Your Customer) Prozess für die Betreiber der Handelsplattformen wichtig. Dieser kann mittlerweile auch digital und automatisch durchgeführt werden. Genauso wichtig ist ein ordentlicher KYT-Prozess – Know Your Transaction. Kunden können durch diese Prozesse vorab geprüft werden, bevor ein Risiko zu einem echten Problem im Kunsthandel wird.
Haben nationale Regierungen überhaupt die Möglichkeit, die international agierenden Handelsplattformen zu solchen Compliance- und Sicherheitsprozessen zu zwingen?
An einer länderübergreifenden und stärkeren Regulierung des Handels mit NFTs und Kryptowerten geht kein Weg vorbei. Mit der "Kryptowertetransferverordnung" wurde auf europäischer Ebene bereits eine Richtlinie beschlossen, die darauf abzielt. Wir brauchen ordentliche Compliance-Prozesse, um das Einfallstor für Geldwäscher zu schließen.
Das ist auch im Interesse der Plattformen selbst: NFTs können nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn den Kunden ein sicheres Umfeld gewährleistet wird. Der Kunstmarkt darf nicht zu einer Geldwaschmaschine verkommen.
Ein sicheres Umfeld für Händler, Verkäufer und Käufer: Das gilt nicht nur für den NFT-Markt, sondern auch für den klassischen Kunsthandel. Müssen auch klassische Auktionshäuser und Kunsthändler künftig stärker darauf achten, an wen sie verkaufen?
Für den klassischen Kunsthandel wie für den NFT-Handel gilt: Wir brauchen klare Rahmenbedingungen und eine digitale Geldwäscheprävention. Diese muss in der Praxis für alle einfach, bezahlbar und umsetzbar sein. Die meisten Kunsthändler und Auktionshäuser sind mittelständische Unternehmen, die sich davor schützen müssen, von kriminellen Geldwäschern missbraucht zu werden.
Kunsthändler müssen sich ohnehin bereits mit verschärften Compliance-Regeln auseinandersetzen: Seit rund zwei Jahren sind Kunstvermittler explizit in das Geldwäschegesetz aufgenommen. Wer die Geldwäsche-Compliance-Regeln nicht einhält, dem drohen Bußgelder von bis zu einer Million Euro.
Warum gilt der Kunstmarkt als anfällig für Geldwäsche?
Der Kunstmarkt ist traditionell ein diskreter Markt. Bei großen Transaktionen haben in der Regel weder Verkäufer noch Käufer ein Interesse, genannt zu werden. Als Käufer treten vermehrt auch Offshore-Gesellschaften auf, hinter denen ein anonymer Käufer steht. Zudem geht es in der Regel um große Summen. Während der Corona-Pandemie hat zudem der Handel über Online-Plattformen und damit die Möglichkeit zugenommen, anonyme und grenzüberschreitende Transaktionen zu tätigen – auch mit Kryptowährungen.
Aus diesen Gründen hat die Nationale Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums den Kunsthandel als besonders anfällig für Geldwäsche eingestuft. Und mit der neuen Geldwäscherichtlinie sind Kunstvermittler ausdrücklich "Verpflichtete" im Sinne des deutschen Geldwäschegesetzes.
Wozu genau sind Kunsthändler inzwischen verpflichtet?
Kunst- und Auktionshändler müssen inzwischen ein voll umfassendes Risikomanagement anwenden, um Geldwäsche zu verhindern. Dazu gehören beispielsweise die Erstellung von Risikoanalysen, Mitarbeiterschulungen, die Identifizierung von Vertragspartnern vor dem Vertragsabschluss sowie die Meldung von Verdachtsfällen an die Financial Intelligence Unit (FIU).
Das klingt nach viel Detektivarbeit … was muss ein Kunsthändler konkret tun, wenn er ein Kunstwerk für 20.000 Euro an einen ausländischen Kunden verkaufen will?
Er muss den Kunden identifizieren und authentifizieren und damit die KYC-Anforderungen erfüllen. Ist der Käufer eine Offshore-Gesellschaft, muss er die juristischen oder natürlichen Personen ermitteln, die dahinterstecken. Außerdem muss der Händler per PEP-Check feststellen, ob es sich bei dem Käufer um eine politisch exponierte Person handelt. Zudem ist festzustellen, ob der Kunde seinen Wohnsitz in einem Hochrisikoland hat. Die EU hat derzeit zahlreiche Länder auf ihre Rote Liste gesetzt. All diese Schritte müssen dokumentiert werden. Daher ist es sinnvoll, für diese Schritte ein digitales Tool einzusetzen, das Zugriff auf die entsprechenden Datenbanken hat.
Kunsthändler sollten außerdem hellhörig werden, wenn ein Käufer seine Zahlungsverpflichtungen durch Dritte erfüllen will, oder auch, wenn Angaben zur Identität des Vertragspartners oder den Zahlungsmodalitäten mehrfach korrigiert werden.
Das sind viele neue Anforderungen. Wie groß ist nach Ihrer Einschätzung die Bereitschaft der Akteure im Kunstmarkt, für so viel Transparenz zu sorgen?
Nicht nur die Preise, zu denen reale Kunstwerke wie auch NFTs gehandelt werden, sind enorm gestiegen. Gestiegen ist auch die Sensibilität für Themen wie Geldwäsche. Aus gutem Grund: Wenn wir uns nicht erfolgreich gegen den Missbrauch durch Kriminelle wehren, dann leidet nicht nur die Reputation. Der Missbrauch wird auch zu einer handfesten Bedrohung für die Geschäfte. Der Kunstmarkt muss nach den Regeln der Kunst funktionieren – und nicht nach den Regeln von kriminellen Organisationen.
Auf vielen NFT-Handelsplattformen herrscht derzeit aber eher Goldgräberstimmung. Das Streben nach Transparenz und Compliance scheint dort weniger ausgeprägt …
Wie gesagt, dort herrscht noch Wilder Westen. Aber das Ziel muss das gleiche sein wie im klassischen Kunsthandel: Die Einfallstore für Geldwäscher schließen. Wer sich nicht daran hält, dem muss die Lizenz entzogen werden. Im Bereich NFT-Handel werden wir das nur durch internationale Zusammenarbeit schaffen.