Zaudernder Mittelstand Deutschlands Unternehmen horten Kapital

Arbeit an einem Roboter bei Kuka: Deutsche Mittelständer bunkern Geld
Foto: Stefan Puchner/ picture alliance / dpaFrankfurt am Main - Die deutschen Mittelständler haben so viel Geld auf der hohen Kante wie nie zuvor. "Der Mittelstand baut wieder massiv Liquidität auf, hat hohe Reserven und daher hohen Anlagebedarf", sagt Professor Volker Wittberg von der Fachhochschule des Mittelstandes in Detmold. Sein Institut hat im Auftrag der Commerzbank im Frühjahr 137 Mittelständler mit 5 bis 50 Millionen Euro Umsatz und bis zu 499 Mitarbeitern befragt sowie Einzelinterviews geführt.
Rund 60 Prozent der befragten Unternehmen müssen demnach überschüssiges Geld anlegen: im Schnitt drei Millionen Euro und damit fast doppelt so viel wie im Vorkrisenjahr 2007 mit seinerzeit nur 1,7 Millionen Euro. 2009, auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise, war das Reservepolster sogar auf 100.000 Euro abgeschmolzen.
Die Studie bestätigt einen Trend: So ist die Ertragslage der deutschen Unternehmen deutlich besser als noch vor ein paar Jahren, zugleich aber halten sie sich aus Angst vor einer erneuten Flaute mit Investitionen in ihr Kerngeschäft zurück. Kreditklemme? Gibt es nicht, denn je besser die Unternehmen finanziert sind, desto weniger Kredite fragen sie nach. Zugleich zeigen die Zahlen, dass die Investitionen schnell ansteigen könnten, sobald sich die Unternehmen wieder sicherer fühlen - Geld ist schließlich genug da.
Für dieses Gefühl von Sicherheit nehmen die Firmen, genau wie die Privatanleger, sogar Minirenditen in Kauf. So legen die Mittelständler ihre Überschüsse vor allem in Wertpapiere mit kurzer Laufzeit an. Deren Verzinsung ist zwar mikroskopisch, dafür können sie umstandslos versilbert werden, sobald sich eine sinnvollere Gelegenheit zum Geldausgeben bietet.
"Tendenz zur renditestärkeren Produkten"
Wichtig ist den Mittelständlern vor allem, dass ihr Geld sicher angelegt ist. So parken fast alle Befragten ihr Kapital in Sichteinlagen und Termingeld - obwohl damit kaum jene 1,8 Prozent Mindestverzinsung drin ist, die sich die Unternehmer im Schnitt eigentlich erhoffen.
Immerhin macht Studienleiter Wittberg unter der Oberfläche eine "zumindest wachsende Tendenz zur Beimischung renditestärkerer Produkte" aus. Die Rekordstände an den Börsen locken inzwischen auch die Firmen an: So sind immerhin 38 Prozent der Unternehmen in Aktien- und Aktienanleihen investiert. 2009 sei dieser Anteil hingegeben noch verschwindend gering gewesen.
Auch die Anlage in Fremdwährungen spiele eine immer größere Rolle. Sie löse die Geldmarktfonds ab, die sich in der Krise für manchen Mittelständler als weniger liquide und sicher erwiesen haben als gedacht.
"Die im Exportgeschäft erwirtschafteten Gelder werden stärker auf Währungskonten deponiert, vor allem in Dollar und Pfund", heißt es in der Studie. Das zeige nicht nur, wie exportstark die Mittelständler weiterhin sind. Sondern auch, dass sie nicht mit einer starken Aufwertung des Euro rechnen. "Es ergibt Sinn, einen Teil des ohnehin in Fremdwährungen erwirtschafteten Geldes dort liegen zu lassen und dadurch unter Umständen Rendite zu generieren", sagt Martin Keller, Bereichsleiter Anlage-, Zins- und Währungsmanagement der Commerzbank.
Mit Blick auf die Euro-Krise sind viele Unternehmen nach wie vor skeptisch. Immerhin 33 Prozent der befragten Firmen fürchten, der Euro könne in den kommenden Jahren in seiner Existenz gefährdet sein. Die Mehrheit allerdings geht davon aus, dass der Euro auf unbestimmte Zeit Bestand hat. "Dass der Großteil den Euro als stabil einschätzt, war nicht abzusehen", sagt Studienautor Wittberg. Für viele Firmen sei es aber schlicht nicht mehr vorstellbar, ohne einheitliche Währung in Europa zu arbeiten, sagt er zur Erklärung.
Inflationsängste plagen die Mittelständler im Übrigen kaum - trotz der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. Nur ein Prozent der Befragten rechnet mit einer Inflation von mehr als vier Prozent. "Es gibt daher wenige, die allein aus Angst vor einem Ende des Euro oder der Inflation in Sachwerte investieren", sagt Wittberg. Kein Wunder: So lange Sparer und Unternehmen ihr Geld auf Konten horten anstatt es zu investieren, ist die Inflationsgefahr gering.