Börsenprofi Robert Halver erklärt Wie weit der Staat als Firmenretter in der Krise gehen darf

Der "starke Staat" kehrt zurück!
Foto: AP Photo/Markus SchreiberIn der Corona-Krise muss Vater Staat ran. Große Wohlfahrtsverluste mit höchsten sozialen Kosten muss er unbedingt verhindern. Daher ist seine einmischende Politik mit hoher Neuverschuldung und Beteiligung an wirtschaftlich systemrelevanten Unternehmen zum Schutz vor feindlicher Übernahme gerechtfertigt. Doch wird die aktuelle Krisenlage kein Dauerzustand sein. Die deutsche Konjunktur wird sich wieder erholen. Und dann wird es spannend: Ist der Staat gekommen, um zu bleiben oder geht er wieder?

Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarkt-analyse der Baader Bank AG und bekannt durch regelmäßige Medienauftritte und als Kolumnist. Mit Wertpapieranalyse beschäftigt er sich seit über 20 Jahren.
Nach Jahrzehnten des Schattendaseins scheint Corona dem "starken Staat" ein Rückfahrticket ins Licht ausgestellt zu haben. Die Staatsgläubigen waren ja schon immer der Meinung, dass der Staat am besten mit Geld umgehen könne. Der Staat stelle das Gemeinwohl in den Mittelpunkt, während vor allem Unternehmen nur an ihren Eigennutz dächten. Der Staat sei ein gutmütiges Kontrollorgan, das seinen unmündigen Schutzbefohlenen Verantwortung abnimmt. Und daher solle er auch das Recht haben, wegzunehmen und umzuverteilen. Diese Freiheit dürfe er sich nehmen.
Für gewisse Zeit-"Genossen" ist es ohnehin nur fair, dass staatlich gerettete Unternehmen Gegenleistungen zu erbringen haben. Zum Zweck der allgemeinen Wohlfahrt dürfe man sie regulieren.
Warum Staatswirtschaft immer wieder ausprobieren?
Hierfür sind staatliche Beteiligungen ein einflussreiches Instrument. Als im letzten Jahr die Vergesellschaftung etwa von BMW diskutiert wurde, war der allgemeine Aufschrei noch riesengroß. Doch jetzt, mit der beängstigenden Epidemie, scheint staatliches Aktionärstum bei Wählern durchaus in Mode zu kommen. Wenn das mal keine Einladung zum ordnungspolitischen Tabubruch ist. Vater Staat könnte leichtes Unternehmens-Spiel haben: Er kann klarmachen, was bisher "falsch" war, aber zukünftig "richtig" sein wird.
Die EU wird kaum einschreiten. Bedeutende Länder wie Frankreich oder Italien haben der Staatswirtschaft ohnehin nie wirklich ablehnend gegenübergestanden. Und wenn Deutschland bei weiterer Verschuldung der EU-Staaten aus Solidarität alle Augen zudrückt, dürfte der staatliche Beteiligungs-Deal abgemacht sein.
Was wäre also, wenn sich der Staat nachhaltig, auch nach Wirtschaftswiedererholung zum Beispiel an der Lufthansa oder an Reisekonzernen beteiligen würde? Was wäre, wenn Bayern oder Baden-Württemberg sich ein Beispiel an Niedersachsen als VW-Aktionär nähmen und sich an BMW oder Daimler beteiligten? Überhaupt gibt es unzählige systemrelevante Unternehmen auch aus der zweiten Reihe oder aus dem Mittelstand mit seiner hochattraktiven Industriegüterkultur und einzigartigen Patenten, die man vor chinesischen Staatskonzernen und blutrünstigen Hedgefonds retten muss. Tatsächlich schreien die geringen Unternehmensbewertungen doch förmlich nach Übernahmen.

Sitzen Politiker gut dotiert - auch in Staatswirtschaften ist sich mancher selbst der Nächste - in Aufsichtsräten oder Kontrollgremien und werden Unternehmen fest mit staatlicher Liebe umarmt, haben die eigentlichen Manager und Geschäftsführer nur noch wenig Bewegungsfreiheit für marktwirtschaftliche Entscheidungen.
Denn Staatswirtschaft richtet sich nicht an Marktbedingungen oder dem Wettbewerb aus. Politiker können gar kein Interesse an Werksschließungen haben. Bis zur nächsten Wahl wollen sie erhalten, bewahren, behüten und Arbeitsplätze kurzfristig retten.
Mit diesen staatlichen Fehlallokationen werden nicht zuletzt unrentable Firmen künstlich am Leben gehalten. Es sei an den großen Nationalökonomen Joseph Schumpeter erinnert: Jeder wirtschaftliche Fortschritt baut auf dem Prozess der schöpferischen beziehungsweise kreativen Zerstörung auf. Darauf hat übrigens auch Deutschland seinen industriellen Weltruf gegründet.
Und überhaupt, hat die Staatswirtschaft erst einmal Blut geleckt, könnte die Lenkung ungeahnte Dimensionen erreichen. Politisch und moralisch einwandfreie Gutmenschen fordern bereits, dass nach Staatsbeteiligung an der Lufthansa der Flugverkehr begrenzt wird.
Rechnet man diese höheren staatlichen Weihen hoch, nehmen Produktivität, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und schließlich Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Wohlfahrt im gesamten Land ab.
Den gesunden Menschenverstand nach Corona wieder einschalten
Ich bin zwar überzeugt, dass die Parteien der Mitte keine Planwirtschaft mit VEBs (Volkseigene Betriebe) anstreben. Doch scheinen selbst einige in der Ludwig Erhard-Partei zu meinen, ein ein bisschen Staatswirtschaft nicht schaden kann.
Es gibt ohne Zweifel Bereiche, wo Staatswirtschaft ausdrücklich erwünscht ist. Vater Staat hat für die Befriedigung von Grundbedürfnissen zu sorgen: Essen, Trinken, Wohnen und natürlich ein Gesundheitssystem, das nicht kaputtgespart wird. Der aktuelle Kampf um Atemschutzmasken und medizinische Ausrüstung zeigt dramatisch, dass man hier dringend eingreifen muss.
Grundsätzlich sollte es dem Staat jedoch um Zukunftsförderung gehen. Er hat Sorge zu tragen für Infrastruktur, Digitalisierung und Klimaschutz ohne ideologische Bretter vor dem Kopf, sondern wie man mit diesem Geschäftsmodell Geld verdienen und neue Arbeitsplätze schaffen kann. Auch die Wasserstoffmobilität als Nachfolger der E-Mobilität darf man nicht der asiatischen Konkurrenz überlassen. Der Staat hat also die Rolle des Schiedsrichters auf dem Wirtschaftsfeld, nicht des dominierenden oder gar foulenden Mitspielers.
Der Staat soll aufblühen, wenn es ernst wird, aber ansonsten verduften und die Menschen machen lassen. Er darf nur ein kurzes Gastspiel geben, keine Dauervorstellung. Denn hat sich der Staat erst einmal in der Wirtschaft breitgemacht, wird man größte Mühe haben, ihn wieder loszuwerden. Warum sollte ein Löwe seine erjagte Beute wieder abgeben?
Seine zwischenzeitlichen Engagements als Unternehmensaktionär darf sich Vater Staat nach der Krise über Wiederverkauf gerne mit dicken (Börsen-)Gewinnen bezahlen lassen.
Nur wegen seiner marktwirtschaftlichen Ordnung kann Deutschland die üppigen Rettungspakete stemmen. Andere staatswirtschaftliche Länder sind geradezu blass vor Neid. Staatswirtschaft kann es eben nicht besser.
Kommen wir also nach der Krise schnell wieder zu unserem deutschen Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft zurück. Und die Staatswirtschaft soll hingehen, wo sie hingehört: Auf den Misthaufen der Geschichte!