Milliardär und Investor Carsten Maschmeyer "Wer 10 Investments macht, sieht bis zu 5 Insolvenzen"

Milliardär und Start-up-Investor Carsten Maschmeyer spricht mit manager-magazin.de über die Chancen und Schwächen der deutschen Fintech-Szene sowie sein Vorzeigeinvestment, den Berliner Zahlungsdienstleister Barzahlen.de.
Milliardär Maschmeyer mit seiner Gattin, der Schauspielerin Veronica Ferres: Die Beiteiligung Barzahlen.de des Finanzunternehmers wurde mit dem "Digital Banking Award" ausgezeichnet.

Milliardär Maschmeyer mit seiner Gattin, der Schauspielerin Veronica Ferres: Die Beiteiligung Barzahlen.de des Finanzunternehmers wurde mit dem "Digital Banking Award" ausgezeichnet.

Foto: Marc Müller/ dpa

manager-magazin.de: Herr Maschmeyer, von Bill Gates stammt der Ausspruch "Banking is necessary, banks are not", womit er auf die Chancen innovativer Unternehmen im Bereich Fintech anspielte. Stimmen Sie dem Microsoft-Gründer zu?

Maschmeyer: Absolut, ich antizipiere die zukünftige Entwicklung so: Die Full-Service-Filiale, mit allem, was von einer großen Bank üblicherweise angeboten wird, brauchen wir künftig durch die Digitalisierung nicht mehr. Aber die Teildienstleistung, nämlich die Bereitstellung von Zahlungs-Infrastruktur, ist weiterhin flächendeckend nötig.

mm.de: Sie sind Gesellschafter von Barzahlen.de, einem Fintech-Start-up, das Onlineshopping mit Barzahlung verknüpft, und das gerade einen Preis gewonnen hat. Wie kam es zu dem Investment?

Maschmeyer: Wir fanden die drei Gründer von Barzahlen.de sehr gut. Die haben so eine Unerschrockenheit und so ein revolutionäres Denken, sind aber gleichzeitig sehr bodenständig und sympathisch. Und sie waren sich sicher, dass ihr Cash-Payment-Konzept disruptiv sein könnte.

Carsten Maschmeyer
Foto: Paul Zinken/ dpa

Carsten Maschmeyer gründete Ende der 1980er Jahre den Finanzdienstleister AWD, den er vor wenigen Jahren an den Schweizer Versicherer Swiss Life veräußerte. Seither betätigt er sich als Finanzinvestor und soll bereits rund 100 Millionen Euro in Start-ups investiert haben.

Maschmeyer verfügt nach Recherchen des manager magazins über ein Vermögen von etwa einer Milliarde Euro und zählt damit zu den reichsten Deutschen. Das Fintech-Start-up Barzahlen.de, an dem er etwa ein Drittel der Anteile hält, wurde vor wenigen Tagen auf einer Bankenkonferenz in Frankfurt mit dem Branchenpreis "Digital Banking Award" ausgezeichnet.

mm.de: Das heißt, Sie selbst haben sich das Geschäftsmodell und die Konkurrenzsituation gar nicht so genau angeschaut, sondern stattdessen die Macher dahinter?

Maschmeyer: Doch. Wie bei jedem Investmentprozess haben wir natürlich das Produkt und das Team sorgfältig analysiert. Wir würden aber nicht in ein erstklassiges Produkt investieren, wenn es durch ein zweitklassiges Team exekutiert würde.

mm.de: Und mit welchem Ziel haben Sie investiert? Mit einem langfristigen Horizont, oder eher mit dem Plan, möglichst schnell mit großer Rendite wieder auszusteigen?

Maschmeyer: Wir konnten uns bei dem Investment beides vorstellen. Eingestiegen sind wir damals auf einer 3,5-Millionen-Bewertung. Inzwischen ist das Unternehmen einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag wert. Möglich wäre, dass ein großer strategischer Investor aus der Finanzwelt die Firma kauft. Als zweites Szenario - und das soll keineswegs anmaßend klingen - gilt aber auch: Wer von Anfang an Aktien von Facebook hatte, kann sich doch auch darüber freuen, dass er die Anteile behalten hat.

mm.de: Profitabel ist Barzahlen aber noch nicht?

Maschmeyer: Ja, noch nicht. Es handelt sich um ein klassisches Wachstumsunternehmen, das zunächst vor allem rasant expandiert. Wir von Alstin unterstützen mit Wachstumsfinanzierung und helfen im Vertrieb.

mm.de: Barzahlen.de ist eins von rund 200 Fintechs in Deutschland. Etwa zwei Dutzend davon sind ebenfalls im Bereich Zahlungsabwicklung tätig. Wann werden Sie erfahren, ob Sie auf das richtige Pferd gesetzt haben?

Maschmeyer: Das wissen wir jetzt schon. Dafür sprechen auch die hohen, konstanten Steigerungsraten der Nutzer und die erfolgreiche Ausdehnung der eigentlichen Grundidee. Das Konzept beruht ja darauf, dass viele Leute im Internet kaufen möchten, aber dem Online-Bezahl-Vorgang nicht trauen. Dazu kam bereits die Erweiterung, an inzwischen 9000 Filialen sogar Geld abheben zu können sowie die Zusammenarbeit mit weiteren Unternehmen wie beispielsweise dem Energiekonzern Eon, dessen Kunden ihre Rechnung mit Barzahlen.de begleichen können. Jetzt fangen auch noch die Versicherungen an, ihren Barzahlern die Dienstleistung anzubieten. So entsteht eine echte Zahlungsverkehrsfiliale.

mm.de: Barzahlen bewegt sich offenbar - wie auch andere Fintechs - nah am Bankgeschäft. Kritiker sagen, die vielen kleinen Fintech-Gründungen erscheinen momentan nur deshalb aussichtsreich, weil sie sich noch unter dem Radar der Finanzaufsicht bewegen und die hohen Regulierungskosten nicht tragen müssen, anders als beispielsweise Geldinstitute. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis diese Problematik die Start-ups in Schwierigkeiten bringt und deren Wachstum stocken lässt?

Maschmeyer: Barzahlen.de ist gegenüber den Aufsichtsämtern völlig transparent, erfüllt die Anforderungen der Bafin und hat alle Prüfungen positiv bestanden. Wie streng die Finanzaufsicht ist, sieht man daran, dass sie dem einzigen Wettbewerber barpay die Geschäftstätigkeit untersagt hatte und dieser den Betrieb einstellen musste.

mm.de: Aber würden Sie zustimmen, dass das Thema Regulierung und Finanzaufsicht für die Fintechs insgesamt irgendwann zum Wachstumshemmnis werden kann?

Maschmeyer: Ja. Als wir uns einmal ein Fintech-Start-up angeschaut haben, bemerkten wir schon zu Beginn der Due Dilligence, dass die Einhaltung der Bafin-Regularien dort nicht ernst genommen wird. Von da an haben wir diese Investmentmöglichkeit nicht weiter verfolgt, denn diese Naivität darf nicht sein. Ein Fintech-Unternehmen, das klassische Bankdienstleistungen betreibt, muss genauso streng kontrolliert werden, wie die Banken selber.

mm.de: Barzahlen.de ist nicht Ihr einziges Investment, Sie sollen bereits insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag in Start-ups investiert haben. Können Sie darstellen, welche Rolle Barzahlen.de in ihrem gesamten Portfolio spielt?

Maschmeyer: Wir veröffentlichen hierzu grundsätzlich keine Zahlen. Es handelt sich ja bisher ausschließlich um Geld meiner Familie. Außerdem wollen wir die Vertraulichkeitsvereinbarung mit anderen Investoren strikt einhalten.

mm.de: Es hat allerdings bereits einige Berichterstattung über Ihre Investments gegeben. Anders gefragt: Es gilt als Faustregel, dass Start-up- und VC-Investoren für jedes erfolgreiche Investment mindestens neun Flops einkalkulieren müssen, weshalb eine breite Streuung unerlässlich sei. Können Sie diese Rechnung bestätigen?

"Es wird ein Fintech-Sterben geben"

Maschmeyer: Vom Grundsatz her ist diese Faustregel richtig. Wer sich an zehn Unternehmen beteiligt, sucht sich ja nicht zehn ähnliche Firmen heraus. Wir diversifizieren in die beiden Zukunftssegmente Internet und Healthcare. Damit sind wir in zwei Wachstumsbranchen investiert, die nicht miteinander vernetzt sind, sodass die eine unberührt bleibt, sollte die andere mal leiden. Innerhalb dieser Segmente setzen wir auf verschiedene Zukunftstrends, wie etwa Travel, eCommerce oder Medizintechnik. Man muss sich aber bewusst sein: Wer zehn sehr frühphasige Investments tätigt, wird traurigerweise drei bis fünf Insolvenzen sehen. Deshalb sind wir besonders stolz darauf, dass von den 14 Unternehmen, an denen sich Alstin beteiligt hat, zehn auf gutem Kurs sind und teilweise schon mehrfach so hoch bewertet sind wie bei unserem Einstieg.

mm.de: Bei Barzahlen.de ist das Misstrauen vieler Kunden gegenüber der Online-Zahlung Teil der Geschäftsgrundlage. Bei anderen Fintechs dagegen kann die Sorge der Menschen um den Datenschutz ein echtes Hindernis sein. Wird dieses Problem die Branche in Zukunft beeinträchtigen?

Maschmeyer: Das wird in der Tat so sein. Bestimmte Transaktionen wickeln Kunden nur ab, wenn sie es mit großen Markennamen zu tun haben. Wer damit nicht aufwarten kann, wird künftig ein Problem bekommen. Bei Geld verstehen viele Menschen keinen Spaß.

mm.de: Viele Fintechs dürften also schon aus diesem Grunde kaum überleben.

Maschmeyer: Richtig. Ich bin überzeugt: So wie es bei den Banken ein Filialsterben gibt, wird es auch ein Fintech-Sterben geben. Ich schätze, dass von den derzeitigen insgesamt 200 Firmen leider 90 Prozent auf der Strecke bleiben und nur circa 20 dauerhaft erfolgreich sein werden, sei es eigenständig oder an eine Bank angedockt.

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