CS-Investoren verlieren 16 Milliarden Euro Die Milliardenbombe am Markt für Bankanleihen

Im Zuge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verlieren Investoren sogenannter AT1-Anleihen mehr als 16 Milliarden Euro. Das bringt das gesamte Marktsegment in Turbulenzen.
Licht und Schatten: Die Schieflage der Credit Suisse kostet Investoren Milliarden

Licht und Schatten: Die Schieflage der Credit Suisse kostet Investoren Milliarden

Foto: Denis Balibouse / File Photo / REUTERS

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An Tag eins nach der Übernahme der strauchelnden Schweizer Großbank Credit Suisse durch die Rivalin UBS bleibt die Nervosität an den Finanzmärkten hoch: Aktien von Geldhäusern wie der Deutschen Bank und der Commerzbank stehen unter Druck, zugleich haben sich Kreditversicherungen in dem Sektor enorm verteuert.

Besonders groß sind am Montag jedoch die Verluste in einer speziellen Nische des Finanzgeschäfts: Die Kurse hochriskanter Bankanleihen, sogenannter AT1-Bonds, fielen europaweit um großteils 10 Prozent oder mehr. In der Nacht zuvor war dieser Sektor bereits in Asien ins Rutschen geraten.

Auslöser der Verluste am AT1-Anleihenmarkt war eine Entscheidung der Schweizer Finanzaufsicht Finma. Im Zuge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS entschied die Behörde am Wochenende, sämtliche AT1-Bonds der Credit Suisse abzuschreiben. Das heißt: AT1-Anleihen der Bank im Wert von 16 Milliarden Schweizer Franken (rund 16,2 Milliarden Euro) wurden für deren Halter von jetzt auf gleich wertlos. Einen Ausfall dieser Größenordnung hat es zuvor in diesem Marktsegment nicht gegeben.

Bonds, wie gemacht für den Fall Credit Suisse

Hintergrund: AT1-Anleihen heißen mit vollem Namen Additional-Tier-1-Anleihen und werden auch CoCo-Anleihen genannt ("Contingent Convertible Bonds"). Sie wurden nach der Finanzkrise 2008 erfunden und sollen Banken, die in Schwierigkeiten geraten, einen Kapitalpuffer verschaffen. Diese Bonds sind also eigentlich wie gemacht für Fälle wie die Credit Suisse. Letztlich wollte der Gesetzgeber mit der Einführung von AT1-Bonds verhindern, dass noch einmal Steuerzahler für Bankpleiten aufkommen müssen.

Konkret handelt es sich bei AT1-Bonds um eine spezielle Form der Wandelanleihe, bei der die ausgebende Bank, sofern sie sich in Schwierigkeiten befindet und ihre Eigenkapitalquote eine vorgegebene Grenze unterschreitet, Fremdkapital zwangsweise in Eigenkapital wandeln oder – wie jetzt bei der Credit Suisse – komplett abschreiben kann. So wird die Bilanz des Geldinstituts gestützt – doch für Investoren entstehen Verluste. Die Papiere bringen damit hohe Risiken mit sich. Sie bieten aber im Gegenzug auch einen vergleichsweise guten Zins.

Wie etwa Bloomberg berichtete, lag die Verzinsung europäischer CoCo-Anleihen im Jahr 2020, mitten in der Niedrigzinsphase also, zwischen 3,375 und 7,5 Prozent. Das sei das zwei- bis Dreifache des Zinses auf herkömmliche Bankanleihen gewesen, so der Finanznachrichtendienst.

Präzedenzfall: Bei der Übernahme der spanischen Banco Popular durch die Banco Santander fielen ebenfalls AT1-Anleihen aus

Präzedenzfall: Bei der Übernahme der spanischen Banco Popular durch die Banco Santander fielen ebenfalls AT1-Anleihen aus

Foto: Andrea Comas/ REUTERS

Investoren sahen darin in den vergangenen Jahren offenbar Anreiz genug, um viel Geld in diesen Bond-Typ zu stecken. Laut Bloomberg  flossen seit der ersten Emission im Jahr 2013 europaweit rund 260 Milliarden Euro in CoCo-Anleihen. Zwar hielten manche Finanzprofis den Renditeaufschlag angesichts der hohen Risiken trotz allem noch für zu gering, so der Finanznachrichtendienst. Tatsächlich gab es bis zum vergangenen Wochenende jedoch lediglich einen Ausfall von AT1-Anleihen zu beklagen: 2017, als die spanische Banco Popular für einen Euro von der Banco Santander übernommen wurde, mussten Investoren die entsprechenden Papiere ebenfalls abschreiben. Seinerzeit hatte der Bond-Ausfall allerdings lediglich ein Volumen von etwa 1,25 Milliarden Euro.

Erst Banco Popular, jetzt Credit Suisse

Der aktuelle AT1-Flop der Credit Suisse übersteigt dieses Volumen um ein Vielfaches. Für Aufregung am Finanzmarkt sorgt der Fall allerdings nicht nur wegen seiner Größe. Auch die Tatsache, dass die Anleihegläubiger der Schweizer Bank noch vor den Aktionären zur Kasse gebeten werden, verschreckt Investoren.

Eigentlich stehen die Eigenkapitalgeber im Ranking derjenigen, die für einen solchen Schaden aufkommen müssen, stets an erster Stelle. Im Falle der Credit Suisse jedoch entschied die Finma anders: Die AT1-Investoren verlieren ihren kompletten Einsatz, während die Aktionäre nur einen Teil ihres Geldes verlieren. Zwar rutschte die Aktie der Schweizer Bank am Montag um rund 60 Prozent ab. Auch nach diesem Kurssturz verfügt die Credit Suisse jedoch noch über einen Börsenwert von rund drei Milliarden Euro, was ziemlich genau der Wert ist, den die UBS den Credit-Suisse-Aktionären für ihre Anteile zahlen will.

Wurde der AT1-Markt von der Schweizer Finanzaufsicht "gekillt"?

"Das macht keinen Sinn”, echauffiert sich Patrik Kauffmann, Portfoliomanager bei Aquila Asset Management, laut Bloomberg. Er befürchtet einen "totalen Schlag für den AT1-Markt". "Es ist völlig klar, dass AT1-Bonds über Aktien stehen", sagt Kauffmann . Einen britischen Banker zitiert der Finanznachrichtendienst zudem mit der Einschätzung, die Schweizer Finanzaufsicht habe mit ihrer Maßnahme den AT1-Markt praktisch "gekillt". Auch die "Financial Times"  berichtet über Investoren, die angesichts der Entwicklung bei der Credit Suisse ihr Engagement in diesem Marktsegment nun grundsätzlich überdenken.

Zu den AT1-Finanziers der Credit Suisse gehörten kurz vor der Übernahme durch die UBS nach Angaben Bloombergs etwa die Allianz-Tochter Pimco, das US-Investmenthaus Invesco sowie BlueBay Fund Mangement mit Sitz in London. Hiesige Geldhäuser wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank dagegen beeilten sich am Montag zu versichern, dass sie von den AT1-Ausfällen bei der Schweizer Großbank nicht oder nur geringfügig betroffen seien.

Dabei fallen die Reaktionen auf die Aufregung unter den AT1-Investoren höchst unterschiedlich aus. Diese riskanten Anleihen seien eigens für Notfälle wie jenen der Credit Suisse konzipiert, heißt es. Wie könne man sich als Investor nun wundern, wenn ein solcher Ernstfall tatsächlich eintrete? Der bekannte US-Anleiheinvestor Jeffrey Gundlach etwa rät den Betroffenen in einem etwas hämischen Eintrag auf Twitter, erst einmal zu lernen, wie Risiko gemanagt wird.

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Wesentlich sachlicher reagieren die Bankenaufseher der Europäischen Union auf die Entwicklung am AT1-Anleihemarkt. In einer gemeinsamen Mitteilung betonen die Europäische Zentralbank (EZB), der europäische Bankenabwicklungsfonds SRB und die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA am Montag die Stabilität des Bankenmarktes. Und sie verweisen darauf, dass für den Fall der Schieflage einer Bank in der Europäischen Union eine feste Regel gelte, in welcher Reihenfolge Aktionäre und andere Gläubiger herangezogen würden.

Verluste einer Bank gingen zuerst zulasten des Aktienkapitals, so die Bankenaufseher. Erst wenn dieses nicht ausreiche, würden die Geldgeber von Nachrang-Anleihen, also die AT1-Investoren, herangezogen. An dieser Reihenfolge würde innerhalb der EU auch künftig festgehalten.

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