Börsenprofi Thomas Grüner erklärt Wie Investoren Benchmarks richtig nutzen

Von Thomas Grüner
Bei der Geldanlage ist es wichtig, in welche Richtung man läuft, in welchem Tempo und welche Abgründe links und rechts des Weges lauern

Bei der Geldanlage ist es wichtig, in welche Richtung man läuft, in welchem Tempo und welche Abgründe links und rechts des Weges lauern

Foto: imago images / Westend61

Wie investiere ich richtig?

Eines der weitläufig bekannten Probleme der Geldanlage ist, dass Anleger ihre eigenen Fähigkeiten tendenziell überschätzen. Ergebnisse werden in der Folge nicht nüchtern analysiert, sondern in das heroische Selbstbild eingeordnet. Lag man richtig, war es die persönliche Leistung. Lag man mit der Investitionsentscheidung jedoch falsch, liegt die Schuld bei anderen - dem bösen Markt, den Medien oder dem Analysten, der das gewählte Instrument empfohlen hat. Eigene Fehler finden kaum Beachtung. Dabei werden diese häufig schon bei der generellen Herangehensweise begangen.

Thomas Grüner

Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.

Anleger wählen Aktien häufig nach persönlichen Vorlieben aus. Gekauft wird, was bekannt ist. Unbekannte Firmen wirken dagegen eher fremd, man fühlt sich uninformiert und kann die Arbeitsweise und Produkte der Unternehmen nicht einschätzen. Daher fühlt man sich bei der Anlageentscheidung bestärkt, Anteile an Unternehmen zu erwerben, deren Wirkungsweise man kennt und für gut befunden hat.

Derartige Investitionsstrategien führen langfristig nicht zum Erfolg. Sie gleichen eher einem ziellosen Umherirren, einer Unwissenheit bezüglich Chancen und Risiken. Eng verknüpft ist dies mit einem mittelfristigen Scheitern. Die Lösung für das Problem? Eine Benchmark.

Wähle weise!

Um die richtige Benchmark zu wählen, benötigt es zunächst einiger Fakten. Was möchte ich erreichen, in welchem Zeitraum, welche Liquidität benötige ich in der Zwischenzeit und welches Risiko bin ich bereit auszuhalten? Durch die Festlegung des Ziels und der damit verbundenen Investmentidee wird die Anzahl der möglichen Benchmarks schon deutlich eingeschränkt. Das Risiko gibt mir eine Idee davon, ob ich mental in der Lage bin, den eingeschlagenen Weg auch tatsächlich bis zum Ende trotz möglicher Rückschläge durchzuhalten. Die benötigte Liquidität hilft bei der Einschätzung, ob der Weg aufgrund der Lebensplanung überhaupt möglich ist. All diese Fragen gilt es zu beachten, bevor man sich als Anleger in das Abenteuer einer Investition stürzt.

Benchmark-Hopping als gefährliche Modeerscheinung

Investoren verzichten häufig auf eine Benchmark-Auswahl, wenn sie ihre Aktienauswahl nach persönlichen Vorlieben treffen. Wird doch einmal eine Benchmark angewandt, zählt tendenziell vor allem der Performancevergleich. Kennziffern wie beispielsweise das zusätzlich eingegangene Risiko spielen eher keine Rolle. Da verwundert es wenig, dass Anleger dazu tendieren, den Gewinnern der jüngeren Vergangenheit hinterherzulaufen. Die Gründe einer vorangegangenen Outperformance zählen kaum. Dabei beäugen Anleger nicht nur neidisch den besten Sektor oder das beste Land einer Anlageklasse, sondern springen den letzten Gewinnern wild hinterher.

Der Ablauf folgt einem wiederkehrenden Muster - unabhängig von der Marktphase. In Bullenmärkten vergleichen sich Investoren mit Aktienmarktrenditen, insbesondere dem besten Sektor oder Land, in Bärenmärkten tendenziell eher mit Anleihen oder Gold, in Immobilienblasen mit Immobilienmarktrenditen - diese Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen. Wer hätte nicht gerne in den siebziger Jahren in Rohstoffe investiert, in japanische Aktien in den achtziger Jahren oder hätte die Technologieblase zumindest in der Aufwärtsbewegung zur Jahrtausendwende mitgenommen? Wenn Gold einmal wieder eine Hochphase erlebt, drängen Anleger in Gold, wenn Öl sich positiv entwickelt, glauben Anleger, dass der Preis aufgrund des begrenzten Angebots wohl nie wieder fallen wird. Der letzte zu beobachtende Hype schließlich drehte sich um Kryptowährungen, insbesondere Bitcoins.

Was haben all diese Entwicklungen gemeinsam? Man verlässt willkürlich seine gewählte Benchmark, um den Gewinnern der jüngsten Vergangenheit hinterher zu jagen. Häufig bedarf es jedoch erst eines großen Crashs, der Anleger begreifen lässt, dass dieser Weg nicht ans Ziel führt. Gerade in der aktuellen Phase, in welcher der letzte Bärenmarkt eine gewisse Zeit zurückliegt, verlieren Anleger mehr und mehr das Gefühl für Gefahr. Sie tendieren dazu, unverhältnismäßige Risiken einzugehen. Die jüngere Vergangenheit wird stark überbewertet - in der Fachsprache "Rezenz-Effekt".

Die Benchmark als Bauplan

Eine Benchmark stiftet jedoch einen viel größeren Mehrwert als lediglich das Bewusstsein für Chancen und Risiken. Sie ist in der Lage, Wegweiser aufzustellen auf dem schwierigen Weg durch das Investitionslabyrinth. In der heutigen medialen Landschaft lauern viele Fallen. Medien lieben es, mit den Gefühlen der Anleger zu spielen, emotionale Themen rufen Angst und Gier hervor und steigern das Interesse.

Eine Benchmark sollte jedoch vor allem einen nützlichen Bauplan für die eigenen Investitionsentscheidungen liefern. Wer zu stark von der Konstruktion der Benchmark abweicht, läuft Gefahr, auch den vorgegebenen Pfad zu verlassen und damit das selbst gesteckte Ziel zu verpassen. Auch werden die eigenen Emotionen, vor allem Angst und Gier, in den Abweichungen von der gewählten Benchmark messbar. Beispielhaft kann man den von der Firma MSCI herausgegebenen Index des MSCI World betrachten, der eine hervorragende Benchmark liefern kann. Vergleicht man dann die eigene Aufstellung mit der Konstruktion des Indexes, wird man schnell erkennen, ob es sich um ein ausgewogenes Depot handelt, ob man möglicherweise defensive Sektoren bevorzugt oder doch eher ein höheres Risiko eingeht.

Somit kann eine Benchmark einen Bauplan für das eigene Depot liefern, gleichzeitig auch ein Instrument sein zur ständigen Prüfung, ob man sich noch auf dem vorgegebenen Pfad befindet oder sich doch eher verleiten lässt, davon abzuweichen und somit seine Ziele gefährdet.

Fazit

Investieren ohne Benchmark, mit der Überzeugung grundsätzlich klüger als der Markt zu sein, ist extrem gefährlich. Es nimmt einem bildlich gesprochen das Bewusstsein dafür, in welche Richtung man läuft, in welchem Tempo und welche Abgründe links und rechts des Weges lauern. Trotzdem ist es gängige Praxis, dass Anleger ihre gewählten Finanzinstrumente ohne festen Bauplan auswählen. Diese Marschroute kann für einen gewissen Zeitraum gutgehen, eine falsche Entscheidung kann jedoch den eingeschlagenen Weg schnell beenden. Wer solche Risiken eingeht, wird langfristig sein Investitionsziel nicht erreichen, unabhängig davon, ob es Gewinnmaximierung, Vermögenserhalt oder Sicherung des Lebensabends lautet. Nur ein Plan und eine konsequente Verfolgung, auch mit eingeplanten Rückschlägen, ist die Lösung.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren