ABP Pensionsfonds Rentenriese verkauft "schmutzige" Beteiligungen für 15 Milliarden Euro

Der niederländische Pensionsfonds ABP will bis 2023 sein Portfolio quasi dekarbonisieren und sich von Investments im Wert von 15 Milliarden Euro aus der Öl-, Gas-, Auto- und Luftfahrtindustrie trennen. Ein drohender Prozess dürfte die Entscheidung beschleunigt haben.
Öl-Raffinerie von Royal Dutch Shell: Der niederländische Pensionsfonds ABP verwaltet Vermögen von rund 530 Milliarden Euro, Beteiligungen an Unternehmen auch der Ölindustrie will der Großinvestor komplett aus dem Portfolio kehren

Öl-Raffinerie von Royal Dutch Shell: Der niederländische Pensionsfonds ABP verwaltet Vermögen von rund 530 Milliarden Euro, Beteiligungen an Unternehmen auch der Ölindustrie will der Großinvestor komplett aus dem Portfolio kehren

Foto: Landov Paul O'driscoll / picture-alliance/ dpa

Mit 528 Milliarden Euro Anlagevermögen zählt der Pensionsfonds ABP zu den größten weltweit. Jetzt wollen die Niederländer ihre gesamten Beteiligungen an Firmen, die im Öl-, Gas- oder Kohlegeschäft tätig sind, verkaufen. Die 80 Beteiligungen machen rund 3 Prozent des gesamten Fondsvermögens aus und sollen bis zum ersten Quartal abgestoßen werden, berichtet die "Financial Times" . Das bedeutet, dass ABP auch keine Anteile mehr an dem Ölkonzern Royal Dutch Shell halten wird.

Wo Hedgefonds in Zeiten rasant steigender Energiepreise derzeit beste Geschäfte mit Investments in Öl- und Gasfirmen machen, glaubt ABP nicht, dass die Verkäufe sich negativ auf die langfristigen Erträge des Fonds auswirken würden, von denen die Altersbezüge für Lehrpersonal und Beamte erwirtschaftet werden müssen.

Der "radikale Wandel" in der Anlagestrategie des Pensionsfonds sei notwendig, sagt ABP-Chefin Corien Wortmann. Die globalen Temperaturen würden wegen des Klimawandels innerhalb von sieben Jahren um 1,5 Grad ansteigen. Die langfristigen Ersparnisse der Rentensysteme gelte es vor der Bedrohung dieses Wandels zu schützen, sagt Wortmann. Einen anderen Weg, "die notwendige Energiewende bei diesen Unternehmen voranzutreiben", sehe sie derzeit nicht. Neben genannten Branchen seien auch Strom- und Automobilkonzerne sowie Unternehmen der Luftindustrie von dem Desinvestment betroffen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: ABP sieht sich in den Niederlanden einem Gerichtsverfahren wegen seiner Investitionen in fossile Brennstoffe ausgesetzt. Der Fonds erklärte laut "FT", die Entscheidung zur Veräußerung dieser Firmenanteile stehe in keinem Zusammenhang mit den angedrohten rechtlichen Schritten. Dabei hatte der Pensionsfonds im Juni noch erklärt, dass er keine Pläne für einen Ausstieg habe.

Unternehmen, die mit ihrer Produktion das Klima belasten, stehen immer stärker unter Druck – von Aktivisten, Regierungen, Gerichten und Investoren eben . Letztere schreiben sich das nachhaltige Investieren entlang sogenannter ESG-Kriterien auf die Fahnen ("ESG" steht für "Environmental, Social and Governance"). Dabei ist in der Investmentbranche keineswegs Konsens, welche Geschäfte und unternehmerischen Aktivitäten überhaupt unter das Label ESG fallen.

Ob allein der Rückzug aus Kohlenstoff verschlingenden und CO₂ emittierenden Unternehmen bereits ESG-konform ist, darf bezweifelt werden. Zwar steht ABP mit seinem Vorstoß nicht allein: Ende September hatte Kanadas zweitgrößter Pensionsfonds CDPQ angekündigt, Unternehmen der Ölindustrie bis Ende kommenden Jahres aus seinem 400-Milliarden-Dollar-Portfolio zu schmeißen. Und Norwegens Staatsfonds drängt schon länger Klimasünder aus seinem Investmentuniversum.

Noch aber scheinen viele Pensionsfonds nicht so recht auf den grünen Pfad gefunden zu haben. Zwar spielten Nachhaltigkeitsaspekte eine immer größere Rolle in der Kapitalanlage. Aber immer noch weniger als die Hälfte der Pensionspläne in Europa und in Großbritannien berücksichtigen die vom Klimawandel ausgehenden Anlagerisiken, ergab eine groß angelegte Studie der Berater von Mercer im vergangenen Monat . Und lediglich 8 Prozent dieser Pensionspläne, die zusammen ein Vermögen von einer Billion Euro verwalten, hätten sich bisher verpflichtet, bei ihrer Anlage einer "Net-Zero"-Strategie zu folgen – dass ihre Investments unter dem Strich also keine Kohlenstoffemissionen verursachen.

rei
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