
Zentralbanken im Fokus: So wird angeblich am Goldpreis gedreht
Gold-Crash Die Spur führt nach Washington
Hamburg - Am 5. August 1993 begann am Goldmarkt eine neue Zeitrechnung - jedenfalls wenn man der Theorie glaubt, die Dimitri Speck vom Investmentmanager Staedel Hanseatic aufgestellt hat. Seit jenem Sommertag vor 20 Jahren, so der Rohstoffanalyst und Buchautor, unterliegt der Preis des Edelmetalls nicht mehr dem freien Spiel des Marktes. Er wird vielmehr von unsichtbaren Kräften gezielt beeinflusst.
Verschwörungstheorien über Preismanipulationen gibt es so einige in der Community der Gold-Fans. Und seit dem Crash vor wenigen Tagen haben sie wieder Hochkonjunktur. Binnen 48 Stunden war der Goldpreis um mehr als 10 Prozent abgestürzt. Selbst Experten tun sich schwer, für den historischen Einbruch eine Erklärung zu finden.
Kaum eine der exotischen Hypothesen, die im Internet in Blogs und Foren herumgereicht werden, ist allerdings so umfangreich und gründlich recherchiert, wie jene, die Dimitri Speck in seinem Buch "Geheime Goldpolitik" ausbreitet. Auch der aktuelle Preissturz, so Speck, könnte damit zusammenhängen.
Die Behauptung des Goldfachmanns: Im Sommer 1993 beschloss die US-Notenbank Fed, den Goldpreis nicht mehr sich selbst zu überlassen, sondern gezielt zu deckeln. "Es gab zu der Zeit eine große Inflationsgefahr", sagt Speck im Gespräch mit manager magazin online. "Der seinerzeitige Fed-Chef Alan Greenspan gab die Devise aus: Wenn der Goldpreis weiter steigt, wandelt er sich vom Inflationsindikator zum Inflationsantreiber, weil die Leute dann aus Sorge um den Geldwert ihr Verhalten ändern würden." Diese Ansicht Greenspans, so Speck, sei in Fed-Protokollen dokumentiert.
Deutliche Kursanomalien
Die Folge: Laut Speck beschloss die Fed unter Greenspan, den Goldpreis nicht über 400 Dollar je Unze steigen zu lassen, ein Wert, der nach Angaben des Experten in der Folge auch einige Jahre hielt.
Als wichtigsten Beleg legt Speck eine Analyse der täglichen Goldpreisentwicklung seit 1986 vor, unterteilt in die Zeit bis zum 4. August 1993 sowie ab dem 5. August 1993, dem laut Speck entscheidenden Tag der Zeitenwende am Goldmarkt also. Um regelmäßige Aufälligkeiten identifizieren zu können, betrachtet er den durchschnittlichen Intraday-Verlauf des Goldpreises.
Und siehe da: Beide Graphen unterscheiden sich tatsächlich signifikant voneinander. Zeigt der Chart für die Zeit von 1986 bis 1993 einen relativ gleichmäßigen Verlauf, so gibt es seit 1993 offenbar häufig einen herben Rückgang des Goldpreises, und zwar täglich exakt zum Nachmittags-Fixing des Goldpreises an der New Yorker Rohstoffbörse Comex.
"Das ist zunächst einmal eine deutliche Kursanomalie, die erklärungsbedürftig ist", sagt Speck. "Meine Erklärung dafür lautet, dass regelmäßig zum weltweit beachteten Nachmittags-Fixing am Goldmarkt interveniert wird. Und ich halte es für wahrscheinlich, dass diese Interventionen durch die US-Notenbank oder ein nahestehendes privates Bankhaus geschehen." Es sei nämlich denkbar, so der Analyst, dass inzwischen auch andere Institute, beispielsweise US-Großbanken, an dem fragwürdigen Geschehen beteiligt sind.
Wer hat den Preissturz am vergangenen Freitag und Montag ausgelöst?
Eine steile These, die einige Fragen aufwirft. Warum zum Beispiel sollte der Goldpreis in der unterstellten Weise beeinflusst werden? Und sollte es die Interventionen tatsächlich geben, wie war dann die rasante Goldhausse der vergangenen zehn Jahre möglich?
Verschiedene Gründe sind denkbar, sagt Speck. Zum einen gibt es Anlageprodukte, die sich am Goldpreis orientieren. Eine Einflussnahme aufs Fixing hätte unmittelbare Auswirkungen auf deren Rendite - ein Muster, das gegenwärtig auch beim Libor-Skandal zu beobachten sei.
Zum anderen liege es auf der Hand, dass ein stark steigender Goldpreis das Vertrauen in die Politik sowie in die Stabilität der Kapitalmärkte und des Vermögens der Anleger unterminiere. Den Notenbanken gehe es darum, die Inflationsangst im Zaum zu halten. Ein niedriger Goldpreis sei da hilfreich. Er bedeute niedrige Zinsen und Renditen an den Finanzmärkten und erleichtere damit auch die Bedienung von Staatsschulden.
Und die Goldhausse der vergangenen Jahre? Anfang des Jahrtausends änderten die Zentralbanken ihre Gold-Politik, sagt der Experte: Sie verhinderten nicht mehr den Anstieg des Goldpreises, sondern nur noch den zu schnellen Anstieg. Zu dem Zweck schränkten die Zentralbanken laut Speck ihre Gold-Leihen ein. "Das Angebot am Goldmarkt ging dadurch merklich zurück", erläutert Speck. "Und der Druck auf den Goldpreis ließ nach."
"Vieles spricht für einen Kurseingriff"
Zum Hintergrund: Bis 2001 hatten viele Notenbanken nach Angaben des Fachmanns einen großen Teil ihrer Goldbestände regelmäßig am Markt verliehen. Carry-Trader etwa versuchten mit dem Verkauf geliehener Edelmetalle Gewinne zu erzielen. Goldminen nutzten diese Methode zum Teil, um sich zu finanzieren. Das führte laut Speck dazu, dass der Goldpreis in den Neunzigern zeitweise nicht mehr stieg oder sogar fiel.
Wohl gemerkt: Zwar gibt es eine Reihe von Indizien, die für Specks Thesen sprechen. Ein Beispiel sind die beschriebenen durchschnittlichen Tagescharts des Goldpreises. Trotz allem handelt es sich jedoch nach wie vor um eine Theorie - der letztgültige Beweis fehlt.
Auch ein Verfahren gegen den damaligen Fed-Chef Greenspan wegen des Verdachts der Goldpreis-Manipulation verlief im Jahr 2001 im Sande.
Zudem bleibt eine Frage offen: Wer hat den Preissturz am vergangenen Freitag und Montag ausgelöst? "Vieles, wie die blitzartigen Intraday-Rückgänge, spricht für einen Kurseingriff", sagt Speck. "Dabei war das Ausmaß des Preisrutsches so groß, dass eine Notenbank federführend gewesen sein muss."
Genau lasse sich das derzeit allerdings noch nicht recherchieren, so der Goldfachmann. Die Beteiligten ließen sich nicht in die Karten blicken.
Zentralbanken im Verdacht: So wird angeblich am Goldpreis gedreht