Sebastian Mallaby Warum Investmentbanken Gift sind, Hedgefonds aber nicht

Demonstration im Finanzdistrikt von New York (2009): Die Regulierung der Finanzmärkte ist noch nicht so weit wie versprochen
Foto: Mario Tama/ Getty Imagesmm: Mr. Mallaby, an den Märkten scheint die Finanzkrise längst vergessen und Regularien weiter entfernt zu sein denn je. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Politik die Finanzmärkte noch nachhaltig reguliert?
Mallaby: In den meisten wichtigen Finanzplätzen der Welt wurden regulatorische Änderungen versprochen. Das Basel-III-Abkommen beispielsweise hat die Höhe des Eigenkapitals der Banken, das diese gegen zukünftige Verluste vorhalten müssen, erhöht. In den Vereinigten Staaten hat das Dodd-Frank-Gesetz den Finanzunternehmen eine breite Palette von neuen Beschränkungen auferlegt. Und sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa experimentieren neue "systemische Risiko-Regulatoren" mit einer Aufsicht, die auf Risiken konzentriert ist, die wegen der Verbindungen zwischen den Finanzinstitutionen bestehen. In Summe gibt es also eine Fülle von neuen Verordnungen. Doch ob sie funktionieren, ist eine andere Frage.
mm: Warum?
Mallaby: Die jüngste Finanzkrise hat etliche Ausfälle der Regulierungssysteme in verschiedenen Ländern offengelegt - die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland hatten unterschiedliche regulatorische Institutionen und Regeln, aber alle haben unter der Krise gelitten. Dies zeigt, dass es außerordentlich schwierig ist, angemessene Vorsicht in finanziellen Unternehmen durchsetzen, wenn sie nicht die richtigen Anreize zur Vorsicht setzen. Deswegen ist mein Urteil über Hedgefonds auch positiv. Da Hedgefondsmanager ihre persönlichen Ersparnisse in ihre Fonds stecken, leiden sie selbst, wenn sie Geld verlieren. Und weil Hedgefonds wissen, dass sie nicht "too big to fail" sind, wissen sie auch, dass sie nicht erwarten können von der Regierung gerettet zu werden.
mm: Was bedeutet das?
Mallaby: Diese Bedingungen schaffen Anreize für eine gute Risikokontrolle. Und sie erklären, warum die Steuerzahler in den Jahren 2008 bis 2009 zur Rettung von Banken, Versicherungen, Investmentbanken, Geldmarktfonds und so weiter schreiten mussten. Aber sie mussten nicht einen einzigen Cent an Hedgefonds zahlen
mm: Was wäre denn nun das Gebot der Stunde - zum Beispiel den Hebel, den Leverage, zu begrenzen?
Mallaby: Begrenzungen zu nutzen ist ein guter Weg. Im 19. Jahrhundert hielten US-amerikanische Banken häufig Kapital in Höhe von 40 Prozent ihrer Kredite, am Vorabend der Finanzkrise waren es nur 10 Prozent, wenn Sie deren Zahlen glauben. Die Wahrheit lag deutlich darunter. Indem die Banken gehalten werden, das Kapital zu erhöhen, könnten die Regulierungsbehörden versuchen sicherzustellen, dass, wenn die Banken schon Geld verlieren, die Institute selbst damit klarkommen anstatt zu Lasten der Steuerzahler. Es gibt aber auch viele andere lohnende Reformrichtungen.
Falsche Anreize als Quelle des Bösen
mm: Welche Reformschritte sind denn noch wichtig?
Mallaby: Zum Beispiel, dass der Derivatehandel, der derzeit "over-the-counter" ausgeführt wird, also zwischen den Banken, in einen zentralisierten Austausch überführt wird. Aber der Ansatz, der in der gegenwärtigen Debatte fehlt, ist zu fragen: Wenn wir die Risikobereitschaft der "too big to fail"-Banken einbremsen, wo werden diese Risiken hingehen? Schließlich werden Währungen weiterhin nach oben und nach unten schwanken; Zinsen werden weiterhin steigen und fallen - man kann Unsicherheit nicht aus der Wirtschaft verbannen. Ebenso wie eine Agenda von Vorsicht und Kontrolle müssen Regulatoren entscheiden, wo Risiken gesunderweise in Kauf genommen werden können.
mm: Welche Unternehmen haben denn richtigen Anreize, exzessive Risiken zu vermeiden?
Mallaby: Die Antwort auf diese Fragen lässt sich eigentlich mit Händen greifen. Anstatt den "too-big-to-fail-Banken" zu erlauben, solche Risiken einzugehen, sollten wir sie ermutigen, von kleinen Hedgefonds übernommen zu werden.
mm: Investmentbanken und Hedgefonds scheinen sich den schwarzen Peter über die Mitverantwortlichkeit für die Kirse gegenseitig zuzuschieben.
Mallaby: In meinem Buch zeige ich, dass Investmentbanken die Schurken waren und Hedgefonds die Guten. Einfach nur die Fakten anschauen. Als es in die Krise ging, gab es fünf große amerikanische Investmentbanken. Eine davon, Bear Stearns, wurde gerettet. Eine zweite Rettung schlug fehl, Lehman Brothers. Eine dritte wurde per Notfall-Deal verkauft, Merrill Lynch. Und die letzten beiden, Morgan Stanley und Goldman Sachs, wurden gerettet durch die Regierung. Steuerzahler und die Gesellschaft bezahlen eine enorme Menge für die Fehler dieser Investmentbanken. Im Gegensatz dazu kamen Hedgefonds relativ gut durch die Krise. Als Gruppe hat die Industrie 2008 um 19 Prozent an Wert verloren - nur halb so viel wie im Schnitt die Aktien, die im US-Index S&P 500 gelistet sind. Und die, die Fehler machten, brauchten keine Rettung durch den Steuerzahler.
mm: Woher kommt es?
Mallaby: Ja, das ist die Frage. Warum waren Investmentbanken sozial giftig, anders als Hedgefonds? Es lag an den Anreizen. Investmentbanken sind Aktiengesellschaften. Deren Manager riskieren das Geld anderer Leute. Deshalb war ihr Hebel ausgesprochen rücksichtslos - sie verliehen am Vorabend der Krise 30mal mehr als sie an Kapital besaßen. Bei einem durchschnittlichen Hedgefonds lag der Hebel bei zwei oder drei.
mm: Inwieweit ist die Komplexität der Finanzwelt und etlicher ihrer Produkte eigentlich ein Problem, wenn es um Regulierung geht?
Mallaby: Finanzielle Komplexität kann in der Tat ein Problem sein. Sie verstärkt Informationsasymmetrien. Zum Beispiel, kann der Verkäufer eines komplexen Hypotheken-CDO verstehen, wie das Produkt sich verhalten könnte. Der Käufer aber nicht. Das scheint passiert zu sein, als Goldman Sachs solche CDOs an deutsche Investoren verkauft hat. Auf der anderen Seite können einige Innovationen auf den Finanzmärkten auch positiv sein. Es ist eine gute Sache, zum Beispiel, wenn Industrieunternehmen sich gegen Bewegungen der Zinssätze oder Wechselkurse mit Financial Futures, Swaps, absichern können.
mm: Aber Investoren müssen die Verantwortung übernehmen für das Verständnis dessen, was sie kaufen, oder?
Mallaby: Klar, wenn eine Bank nicht versteht, wie ein CDO funktioniert, sollte sie es nicht kaufen. Der beste Weg, Käufer zu informieren, ist es, die Anreize zur Eigeninformation zu setzen. Ein Hedgefondsmanager beispielsweise, mit seiner persönlichen Ersparnisse in dem Fonds, vermeidet Investitionen, die er nicht gründlich versteht.
mm: Würde eine größere Transparenz dabei helfen?
Mallaby: Das ist ein komplexes Gebiet. Es gibt auch Beispiele, in denen Transparenz ein Problem war. Zum Beispiel ist der Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998 auch deswegen untergegangen, weil zu viele andere Investoren wüssten, was in seinem Portfolio war.
mm: Richard Bookstaber schrieb einmal, es gäbe soweiso keine Chance, weil das Risikomanagement der Investementabteilung stetig hinterherhinkt.
Mallaby: Das ist wieder eine Frage der Anreize. Wenn die Topmanager einer Finanzfirma ernst machen wollen mit der Kontrolle von Risiken, kann er die Risikokontrolle entsprechend ermächtigen und die Investmentexperten unter Kontrolle halten. Was wir brauchen ist, dass die Risikokontrolle für die Topmanager im Vordergrund steht. Bei öffentlichen Unternehmen geschieht das selten.
mm: Bei privaten Unternehmen ist das nicht selten kaum anders, oder? Charles Prince, der ehemalige Leiter der Citigroup beispielsweise, sagte einmal, solange die finanzielle Musik spiele, hätte seine Bank zu tanzen.
Mallaby: Ja, er meinte tatsächlich, dass er hinter seine Konkurrenten zurückfallen und gefeuert werde, würde er es ablehnen, große Risiken einzugehen. Hedgefonds, die private Partnerschaften sind, haben andere Anreize. Sie verwalten ihr eigenes Geld und nehmen Risikokontrolle viel ernster.