Investmentausblick 2010 Das Hoffnungsjahr
Hamburg - Ein turbulentes Jahr 2009 neigt sich seinem Ende entgegen. Um 17 Prozent legte allein der deutsche Dax zu. Sein britisches Pendant, der FTSE 100 , machte es ebenso gut und der französische Aktienleitindex CAC-40 blieb mit einem Plus von etwa 16 Prozent auf Augenhöhe. Wähnen sich die Experten deshalb zurück in der Zauberbörse von 2005, voll der Zuversicht für das neue Jahr?
"Aktien werden trotz moderater Konjunkturaussichten in 2010 zu den Gewinnern am Kapitalmarkt zählen", sagt zum Beispiel Klaus Kaldemorgen, deutscher Aktien-Doyen aus dem Hause DWS, der Fondstochter der Deutschen Bank . "Mangels Alternativen." Damit kleidet Kaldemorgen das in Worte, was die meisten Finanzexperten denken.
"In 2010 dürfte kein Weg an Aktien vorbeiführen", glaubt auch Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. "Angesichts unseres moderaten Erholungsszenarios der Weltwirtschaft sehen wir gute Chancen für Renditen, die andere Anlageformen übertreffen. Aber es gibt Risiken." Die wirtschaftliche Erholungsphase sei in 2010 eben noch fragil - wie auch eine exklusive Umfrage des manager magazin unter den Firmenlenkern der 80 bedeutendsten hiesigen börsennotierten Aktiengesellschaften (Dax und MDax) widerspiegelt. Die Dax- und MDax-Manager schätzen ihre Geschäftaussichten in 2010 danach zwar besser ein als im laufenden Jahr. Hochfliegende Investitionspläne aber haben sie noch nicht. Im Gegenteil: Die Unternehmen selbst planen mit Vorsicht. Und genau deshalb raten auch die befragten Investmentexperten den Anlegern zur Vorsicht und gut bedachten Geldanlagen in 2010.
"Erst wenn die Gewinnwachstumspartizipation der Unternehmen wieder durch eigene Investitionen an Dynamik hinzugewinnt und die staatlichen Stützen abgeschafft werden können, gilt nach meinen Erkenntnissen der zyklisierte Aufschwung als intakt", sagt beispielsweise der Kölner Vermögensverwalter Markus Zschaber. Seine Warnung: "Man kann die Aktienmärkte in dieser kniffeligen Wirtschaftslage nur eingeschränkt als bevorzugte Asset-Klasse ansehen. Eine aktive Steuerung der Aktienquoten halte ich deshalb für sinnvoll", sagt der Portfoliomanager.
Nahezu einig sind sich die Investmentprofis darin, in welchen Regionen im kommenden Jahr Aktienanlagen womöglich überdurchschnittlich hohe Renditen abwerfen könnten. "Die Schwellenländer bleiben als Region interessant. Insbesondere Asien dürfte im Aufschwungreigen das Zugpferd sein", sagt beispielsweise François-Xavier Aubry, Manager des Axa-Deutschland-Fonds. Das glaubt auch Ingo Mainert, Managing Director Allianz Global Investors. Mehr noch: "Für die Finanzmärkte ist die Verlagerung des weltwirtschaftlichen Gravitationszentrums von Westen nach Osten sogar nicht nur im nächsten Jahr, sondern auch längerfristig ein wichtiges Thema", sagt Mainert.
Unter dem Strich wird 2010 für die meisten befragten Investmentprofis zu einem Hoffnungsjahr. "Angesichts ihrer Bewertung bleiben Aktien interessant, wir erwarten aber nur moderate Kurssteigerungen über das Gesamtjahr, allerdings taktisch nutzbare kurzfristige Trends. Der Dax könnte in Richtung 6100 Punkte zum Jahresende 2010 gehen", fasst Jürgen Callies zusammen, der das Research der Meag leitet, der Investmentsparte der Munich Re . Ein Hoffnungsjahr eben.
Lesen Sie auf den folgenden Seiten die detaillierten Investmenteinschätzungen prominenter Fondsmanager, Chefvolkswirte und krisenerprobter Vermögensverwalter. Der zweite Teil unseres Investmentausblicks mit Einschätzungen der Investmentprofis zum Goldpreis, der Inflations- und Euro-Kursentwicklung in 2010 erscheint am Montag, 21. Dezember 2009.
François-Xavier Aubry, Manager des Axa-Deutschland-Fonds
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Asset-Klasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Aubry: Mit Beginn des neuen Jahres müssen wir uns nach derart rasanten Kursanstiegen fragen, wie viel Potenzial jetzt noch vorhanden ist. Wir sehen für 2010 ein Doppelszenario. Kurzfristig dürften die Rahmenbedingungen trotz der Erholung für risikoreiche Assets, Aktien und Unternehmensanleihen weiterhin günstig bleiben.
Trotzdem muss man mittelfristig vorsichtiger sein. Im zweiten Halbjahr 2010 werden die heutigen positiven Einflüsse eher verblassen und der Markt könnte zur Schwäche neigen oder gar die Orientierung verlieren. Während es in der Erholungsphase 2009 ausgereicht hat, zyklische Werte und Finanztitel zu favorisieren, wird die Alphagenerierung zukünftig von neuen Themen abhängen. So wird die Konsolidierung einiger Märkte die üblichen Fusionen und Übernahmen mit sich bringen. Und wer Wachstum sucht, wird sich stärker in den Schwellenländern engagieren wollen. Der Dax wird bis Jahresende im Vergleich zu heute um 15 bis 20 Prozent zulegen können.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Aubry: Die Schwellenländer bleiben als Region interessant. Insbesondere Asien dürfte im Aufschwungreigen weiter das Zugpferd sein.
Jürgen Callies, Leiter Research der Meag
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Callies: Aktien sind seit März 2009 dabei, eine konjunkturelle Erholung einzupreisen, insofern ist bereits viel passiert. Aufgrund unverändert vorhandener konjunktureller Unsicherheiten lautet unsere Maxime für 2010 Diversifikation der risikoreichen Asset-Klassen wie Unternehmensanleihen, Aktien oder Rohstoffinvestments. Angesichts ihrer moderaten Bewertung bleiben Aktien interessant, wir erwarten aber nur moderate Kurssteigerungen über das Gesamtjahr, allerdings taktisch nutzbare kurzfristige Trends. Der Dax könnte in Richtung 6100 Punkte zum Jahresende 2010 gehen.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Callies: Europäische Aktien haben in 2009 stark unter der Stärke des US-Dollars gelitten, die sich unserer Erwartung nach so nicht fortsetzen wird. Die inländische Nachfragesituation sieht stabiler aus als die in den USA. Neben europäischen Aktien sind auch Aktien rohstoffexportierender Staaten interessant.
Thomas Grüner, Geschäftsführer von Grüner Fisher
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Grüner: In unserem Research sammeln wir bei Grüner Fisher Investments in einem ersten Schritt die Prognosen der Investmentbanken und schließen den Marktkonsens als wahrscheinlichste Variante aus. Für 2010 sind die meisten bisher veröffentlichten Prognosen eher zurückhaltend positiv. Ohne meiner im Januar fertig gestellten Prognose vorweg zu greifen, gehen wir per heute eher von einem moderat positiven Aktienjahr aus. Der verhaltene Marktkonsens sollte dabei übertroffen werden.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Grüner: Die Emerging Markets sollten auch in 2010 die Entwicklung anführen. Konjunktursensitive Branchen wie Grund- und Rohstoffe sowie auch Energie erscheinen uns am aussichtsreichsten. Einen defensiven Gegenpol sollten die Pharmawerte bilden. Technologie sollte auch in 2010 gut laufen.
Christoph Hock, Partner bei Tungsten Capital
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Hock: Das derzeitige Marktumfeld ist noch schwerer einzuschätzen als in den Jahren zuvor. Eine Festlegung auf eine konkrete Dax-Entwicklung im kommenden Jahr halten wir dementsprechend für nahezu unmöglich. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass die Märkte unter dem Eindruck der derzeit existierenden überschüssigen Liquidität und der Erholung der Realwirtschaft der Gravität des Trends der vergangenen Monate folgt und sein positives Momentum fortsetzt. Andererseits bleiben viele der strukturellen Missstände in den Volkswirtschaften sowie auf dem Finanzmarkt weiter ungelöst. Die Erholung trägt sich dementsprechend bis zu einem gewissen Masse selbst ist aber auch äußerst fragil.
Trotz dieser Einschätzung ist es schwer, Anlegern gänzlich von Aktieninvestments abzuraten. Auf der einen Seite sind fast alle Asset-Klassen ähnlich ambitioniert bewertet, weisen aber unterschiedliches Potential auf mitzuhalten, sollte sich das oben beschriebene positive Marktumfeld einstellen. Dies gilt besonders zum Beispiel für Unternehmensanleihen, eine Assetklasse die wir vor zwölf Monaten noch für extrem interessant in Bezug auf Risiko- vs. Ertragspotential befunden haben. Auch Regierungsanleihen, trotz einer weiter bestehenden steilen Zinsstrukturkurve, werden immer weniger attraktiv - immerhin ist dieses Segment doch der Nukleus der aktuellen Blase. In der Konsequenz raten wir Anlegern grundsätzlich zu aufmerksam und aktiv gemanagten Investmentprodukten (Asset-Allocation-Funds, Absolute-Return-Funds, Hedgefonds) oder einer Kombination aus Geldmarkt und Optionen auf Aktien.
mm: Welche sind für Anleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
von Issendorf: Wir haben weiterhin große Vorbehalte bezüglich des US-Dollars. Vor dem Hintergrund des weiter bestehenden Dreifachdefizits und der nicht gelösten strukturellen Missstände sehen wir ein großes Risiko für eine schnelle und im Vergleich zu dem bisher Erlebten drastische Abwertung des US-Dollar gegenüber den anderen großen Währungen und besonders aber zum Euro, Yen und Renminbi, auch wenn in diesem Fall eine zeitliche Festlegung bezüglich der Entwicklung wieder sehr schwer ist.
Bei den bevorzugten Branchen haben wir eine klarere Meinung: Wir bevorzugen die vermeintlich langweiligeren Branchen: Telekommunikation, Energie & Versorger und Pharma. Auch wenn im Falle des Eintretens des positiven Ausblickes diese Branchen nicht zwangsläufig die höchsten Wachstumsraten aufweisen werden, so sehen wir hier das bei weitem attraktivste Rendite- Risikoverhältnis. Neben den weniger zyklischen Geschäftsmodellen in diesen Brachen schätzen wir die stabilere Ertragssicherheit, Dividendenrenditen die oft erheblich über der Rendite der Unternehmensanleihen dieser Emittenten liegen und den vergleichsweise gesunden Bilanzen. Sicherheit und Stabilität geht dementsprechend vor und besonders die vergleichsweise hohe Rendite gibt uns Zuversicht.
Klaus Kaldemorgen, DWS-Geschäftsführer
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Kaldemorgen: Der Zins für Anlagen wie Tagesgeld geht Richtung null und auch Staatsanleihen mit etwa 3 Prozent Rendite sind relativ unrentabel. In vielen Fällen ist die Dividendenrendite schon jetzt höher als die Rendite von Anleiheprodukten. So gibt es wenige Alternativen zur Aktie, die derzeit preislich attraktiv ist.
Aufgrund der zunehmenden Geldvermehrung durch die Niedrigzinspolitik kann mit weiter steigenden Börsenkursen gerechnet werden. Die Geldschwemme, die aus der expansiven Geldpolitik der Notenbank resultiert, mündet in zunehmenden Investitionen in den Kapitalmärkten. Aktien werden so trotz moderater Konjunkturaussichten zu den Gewinnern am Kapitalmarkt zählen. So sehen wir den Leitindex Ende 2010 bei einem Stand von etwa 6500 Punkten.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Kaldemorgen: Erfahrungsgemäß ist Europa vor allem dann gegenüber Amerika gefragt, wenn sich die Lage der Weltwirtschaft erholt. Das hängt mit der großen industriellen Basis Europas zusammen. Bisher wurde die Rally von weniger werthaltigen Aktien angeführt. Im nächsten Jahr sollten Substanzwerte mit hohen Dividendenrenditen und geringem Verschuldungsgrad besser abschneiden. Potenzial am Aktienmarkt bergen Unternehmen, die einen stabilen Cashflow und hohe Sicherheiten aufweisen. Defensive Branchen wie Gesundheit, Telekommunikation, Versorger und Ölunternehmen könnten so zu den Gewinnern zählen. Des Weiteren sollten Unternehmen der Infrastruktur- und Umwelttechnologiebranche von staatlichen Hilfspaketen profitieren.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank
mm: 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Kater: An der Aktie führt auch 2010 kein Weg vorbei. Angesichts unseres moderaten Erholungsszenarios der Weltwirtschaft sehen wir gute Chancen für Renditen, die andere Anlageformen übertreffen. Da zwischenzeitlich immer auch wieder einmal Rücksetzer zu erwarten sind, ist es sinnvoll, solche Schwächephasen zur Investition zu nutzen; optimales Timing wird allerdings nie möglich sein, daher ist ein gestaffelter Einstieg in die Märkte ratsam. Wer langfristig orientiert ist, sollte eine möglichst breite weltweite Streuung bevorzugen, unter Einbeziehung eines substanziellen Emerging-Markets-Anteils.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen 2010?
Kater: Als Branchen sind das IT, Telekom, Bergbau, als Regionen Europa und die Emerging Markets.
Ingo Mainert, Managing Director Allianz Global Investors
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Mainert: Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit zwar in einer Erholungsphase, ein klassischer sich selbst tragender Aufschwung kommt allerdings nur schwerfällig in Gang. Das globale Wirtschaftswachstum wird 2010 unter der Rate des Trendwachstums bleiben. Der Konjunkturverlauf ähnelt damit von der Form her einem "spiegelverkehrten J": Auf den starken Einbruch Ende 2008/Anfang 2009 folgte zwar eine Erholung, die Dynamik bleibt jedoch hinter der vergangener Aufschwungsphasen zurück.
In diesem Umfeld sehen wir für den Aktienmarkt nach der Erholungsrallye dieses Jahres für 2010 kein großes weiteres Kurspotenzial. Von der durchschnittlichen Dax-Entwicklung her könnte das kommende Jahr ähnlich ausfallen wie 2004, als der Index lediglich um rund sieben Prozent zulegte. Unsere Punktprognose per Jahresende liegt bei etwa 6000 Punkten. Hierbei ist allerdings zu betonen, dass punktgenaue Vorhersagen derzeit eher als grobe Orientierung dienen sollten. Die Volatilität dürfte nämlich hoch bleiben, was unsere Prognose für die Dax-Spannbreite von 5000 bis 6500 Punkte unterstreicht. Relativ zu alternativen Anlageklassen wie Liquidität oder festverzinsliche Wertpapiere - und hier vor allem Staatsanleihen - erscheinen Aktien für 2010 allerdings am attraktivsten. Dies gilt teilweise auch im Vergleich zu Unternehmensanleihen, da die erwartete Dividendenrendite bei einigen eher defensiv einzustufenden Titeln höher liegt als die Rendite der entsprechenden Unternehmensanleihen.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Mainert: Ein für die Finanzmärkte nicht nur im nächsten Jahr sondern auch längerfristig wichtiges Thema wird die Verlagerung des weltwirtschaftlichen Gravitationszentrums von Westen nach Osten sein. Dies bedeutet, dass für Aktienanleger aus regionaler Betrachtung die Schwellenländer - vor allem Asien - interessant sein werden. Bei einer Einzelwertbetrachtung werden darüber hinaus die Themen Qualität, Substanz und Nachhaltigkeit von einer größeren Bedeutung sein als dies vor der Krise der Fall war. Anleger werden bei ihrer Aktienauswahl großen Wert auf eine Gewinnvisibilität und Gewinnstabilität legen. Diese Überlegungen gelten losgelöst von einer - in diesem Kontext - nachrangigen Branchenbetrachtung.
Michael Herzum, Chef der Asset-Allokation bei Union Investment
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Herum: Für die Aktienmärkte stehen die Chancen gut, dass sich die Aufwärtsbewegung zunächst fortsetzt, aber in geringerem Tempo als in den letzten Monaten. Ein Kurszuwachs von 10 Prozent ist realistisch auf dann etwa 6400 Punkte.
Die Kombination aus stabilerem makroökonomischen Umfeld, geringerer Kapitalmarktvolatilität und einer Kassenverzinsung nur leicht über Null Prozent sollte Anleger bei der Suche nach Rendite mehr und mehr zu risikobehafteten Anlagen hin bewegen. Da die Konjunktur auch von den Regierungen und Notenbanken getragen wird, kommt der Exil-Strategie besondere Bedeutung für die Kapitalmärkte zu. Das Timing und die Umsetzung der Exil-Strategie wird schwer, das wirtschaftspolitische Risiko erhöht sich.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Herum: Ein Gleichlauf an den Aktienmärkten wie 2009 erwarten wir nicht, die Titelselektion erfährt wieder einen höheren Stellenwert. Zu den Favoriten zählen Aktien aus den Emerging Markets, Europa sowie Titel mit einer hohen Dividendenrendite.
Jeremy Podger, Threadneedle-Aktienchef
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Podger: Wir sind uns einig, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2010 im Erholungsmodus sein wird. In der Zwischenzeit, während wir den ersten Jahrestag des Falls von Lehman begehen, werden die Unternehmen in den kommenden zwei Quartalen von den einfachen Jahresvergleichen profitieren. Und noch mehr; mit Leitzinsen auf rekordverdächtig niedrigem Niveau und dem Fortgang des "quantitative easings" wird der Überfluss an Liquidität auch im ersten Quartal ein Thema bleiben. Das schafft Luft für weitere kurz- bis mittelfristige Gewinne. Schaut man auf die langfristigen Aussichten, dann gibt es einige etwas beunruhigende Faktoren. Das schließt zum Beispiel das Ende der monetären und fiskalischen Stimuli ein, das Steigen der Arbeitslosigkeit sowie die Kappung der Regierungsausgaben. Die Nachrichten vom November aus Dubai dienen da als Erinnerung an die immer noch bestehen erhöhten Ausfallsrisiken.
Alles in allem, obwohl wir die Risiken der Aktien sehen, bleiben wir optimistisch für sie. 2009 marschierten die Anleger in Richtung Unternehmensanleihen, das war die Staranlage des Jahres. Relativ gesehen, hinkten Aktien hinterher. Es ist hochwahrscheinlich, dass 2010 frisches Geld in Aktien gesteckt wird nach der verdächtigen Abwesenheit in diesem Jahr.
mm: Welche sind für Aktienanleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Podger: Wir sind "aggressiv neutral" in unserer Haltung zu der geografischen und sektoralen Aufteilung derzeit, weil wir glauben, dass die besten Chancen, mit denn man Alpha generieren kann auf eben der Einzelaktien gefunden werde kann. Die einzige nennenswerte Sektorübergewichtung sehen wir im Technologiebereich. Wir glauben, dass dieser Sektor eine gute Kombination aus zyklischen und defensiven Wachstum zeigt. Es bietet auch viele hochwertige Unternehmen mit einem starken Finanz- und sonstigem Management, das erfahren ist in der Unternehmenslenkung in solchem Umfeld.
Normalerweise würden wir in diesem Stadium des Zyklus' uns auch Zykliker anschauen, doch die sind bereits gut gelaufen und nun sehen sie mit Blick auf ihr langfristiges Ertragspotential überbewertet aus. Deshalb geht unser Anspruch dahin, diesen Sektor mit den zurückgelassen Aktien abzubilden. Auch sind in EM übergewichtet - wegen ihres überlegenen Wachstums. Sie sind allerdings nicht alle attraktiv bewertet und wir sollten uns daran erinnern, dass trotz des Wachstums ihre Zyklikerfähigkeiten noch nicht gebannt sind. Wir meinen, dass es für Anleger extrem darauf ankommt, fundamentalgetriebene Aktien auszuwählen.
Markus Zschaber, Chef der V.M.Z. Vermögensverwaltung
mm: In 2010 scheint die deutsche und internationale Wirtschaft in die Erholungsphase einzutreten. Ist die Aktie für Sie in 2010 die bevorzugte Assetklasse - und welche Dax-Entwicklung halten Sie im kommenden Jahr für wahrscheinlich?
Zschaber: Für mich ist klar, dass die derzeitige Erholung an den Aktienmärkten, welche auf einer künstlichen Geldschöpfung, exorbitanten Investitionsprogrammen der Regierungen und einer massiven Konsolidierung der Kostenstruktur auf Unternehmensebene basiert, nachhaltig keine Aufschwungsphantasien erzeugen kann. Erst wenn die Gewinnwachstumspartizipation der Unternehmen wieder durch eigene Investitionen an Dynamik hinzugewinnt und die staatlichen Stützen abgeschafft werden können, gilt nach meinen Erkenntnissen der zyklisierte Aufschwung als intakt.
Insgesamt erwarte ich somit ein recht volatiles Jahr 2010, da nach meiner Überzeugung erst eine Anpassung der Erwartungen an die tatsächliche Konsistenz und Qualität der Konjunktur und der Bilanzen vorhanden sein muss, bevor eine nachhaltig fundamentale Rechtfertigung für eine höhere Gewichtung eines ganzen Aktienmarktes besteht. Daraus erschließt sich meine Antwort, dass ich die Aktienmärkte nur stark eingeschränkt als bevorzugte Asset-Klasse ansehe und nur eine aktive Steuerung der Aktienquoten als interessant erachte.
Darüber hinaus können in volatilen Phasen Short - Positionen ein sehr interessantes Instrument sein, um die Schwankungsintensität positiv auszunutzen. Den Dax sehe zum Ende des Jahres 2010 bei 6000, vielleicht 6100 Punkten, was einer Entwicklung von 250 bis 350 Indexpunkten entsprechen würde.
mm: Welche sind für Anleger aus Ihrer Sicht die interessantesten Branchen sowie Regionen in 2010?
Zschaber: Folgende Themen erachte ich als besonders interessant: Solide ertragskräftige Unternehmen mit niedrigem Verschuldungsrad und hoher Cashflow - orientierten Produktivität und ganz besonders Dividendenstrategien, also Unternehmen mit hoher Dividendenrendite und günstigen Buchwerten.
Diese Kriterien sollten in erster Linie bei Branchen wie Gesundheit, Telekommunikation, Grundstoffe, Pharmazie, Versorger und europäischen Ölunternehmen zu finden sein. Bezüglich dieser Segmentierungen sehe ich sogar die höchste Performancechance, unter Berücksichtigung der Dividende, im gesamten Asset-Segment. Geographisch betrachtet positioniere ich mich aufgrund der hohen industriellen fundamentalen Basis schwerpunktmäßig in Europa und sehr selektiv in Emerging Markets.