Altersvorsorge Riester-Rente hat den Zenit überschritten
Hamburg - Im ersten Halbjahr 2009 ist das Neugeschäft mit staatlich geförderten Riester-Produkten gegenüber dem Vorjahreszeitraum kräftig eingebrochen. Das gilt sowohl für den Riester-Fondssparplan der Investmentindustrie als auch für die Riester-Policen der Versicherungswirtschaft. Der Absatz fondsbasierter Riesterverträge, deren Performance ganz entscheidend von der Entwicklung der Börsen abhängt, hat dabei überproportional stark gelitten. Letzteres führen Experten vor allem auf die gestiegene Risikoaversion der Vorsorgesparer zurück.

Auf dem Boden der Tatsachen: Die gesetzliche Rente allein wird für einen finanziell sorgenfreien Lebensabend kaum reichen. Also sorgen die Menschen zusätzlich vor. Mehr als zwölf Millionen machen dies mit der staatlich geförderten Riester-Rente, und gut weitere zehn Millionen Verbraucher könnten es. Doch das Neugeschäft mit der Riester-Rente fällt stark zurück.
Foto: DPA"In Zeiten der Finanzkrise mit stark schwankenden Aktienmärkten überrascht es nicht wirklich, dass sich die Anleger immer öfter gegen eine fondsbasierte Riester-Rente entscheiden und statt dessen auf die konservative Variante mit festen Garantien setzen", sagt der Vorsorgeexperte und Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein. Gleichwohl glaubt der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) eine "wachsende Bedeutung der Investmentfondsanlage für die private Altersvorsorge" zu sehen. Auch erfreuten sich Riester-Sparpläne mit Investmentfonds unter den Verbrauchern "immer größerer Beliebtheit." Die jetzt von manager-magazin.de abgefragten Zahlen sprechen aber eine andere Sprache.
Fondsbranche: Riester-Neugeschäft halbiert
Im ersten Halbjahr 2009 hat die Fondsbranche laut BVI-Sprecher Panagiotis Siskos 98.852 neue Riester-Verträge verkauft und damit rund 51 Prozent weniger Kontrakte als im Vergleichszeitraum 2008, als die Investmentindustrie 200.337 Riester-Verträge unter das Volk bringen konnte. Der Zahl der Riester-Fondssparpläne ist damit deutlich langsamer auf zuletzt 2,484 Millionen (30. Juni) gewachsen.
Beim BVI ist man verständlicherweise nicht glücklich über den starken Einbruch des Riester-Neugeschäfts, tröstet sich aber offenbar mit der Tatsache, dass die Branche überhaupt noch staatlich geförderte Fondssparpläne an den Mann und die Frau bringen kann.
"Angesichts der Marktstimmung im vergangenen Jahr und des ersten Quartals 2009 ist das Ergebnis schon erfreulich", sagt Siskos. Der BVI-Sprecher verweist zudem darauf, dass die Fondsbranche ihren Marktanteil bei Riester-Verträgen gegenüber der im Altersvorsorgegeschäft nach wie vor dominanten Assekuranz kontinuierlich ausgebaut habe.
Laut BVI steigerte die Fondsbranche ihren Marktanteil bis Ende vergangenen Jahres auf 19,8 Prozent, 2004 hatte der Anteil noch bei 7,5 Prozent gelegen.
Auch die Assekuranz leidet
"Das Neugeschäft hat seinen Zenit überschritten"
Doch auch die Assekuranz hat im Riester-Neugeschäft empfindliche Einbußen hinnehmen müssen. Verkauften die Lebensversicherer im ersten Halbjahr 2008 einschließlich der Riester-Fondspolicen insgesamt noch 790.000 Riester-Verträge , waren es zwischen Januar und Juni dieses Jahres lediglich 570.000 Kontrakte - das ist ein Minus von rund 28 Prozent. Die risikoreicheren Fondspolicen stellen mittlerweile etwas mehr als die Hälfte der gesamten Neuverträge dar. Hier fiel der Zahl der verkauften Kontrakte im ersten Halbjahr 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 34,4 Prozent, wie sich weiter aus den bislang nicht veröffentlichten Daten des Interessenverbandes GDV ergibt.
Die Riester-Rente hat für die Versicherer nach wie vor große Bedeutung. Allerdings "hat das Neugeschäft im Vergleich zu den Jahren 2006 und 2007 seinen Zenit überschritten, weil viele Menschen heute schon einen Riester-Vertrag haben oder bereits anderweitig vorsorgen", kommentiert Peter Schwark, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung, die vergleichsweise schwachen Absatzzahlen des ersten Halbjahres.
Die Notwendigkeit einer zusätzlichen privaten Altersabsicherung bleibe aber unvermindert hoch. So sorgten vor allem jüngere Berufstätige noch nicht für das Alter vor. Auch hätten viele Menschen nur "kleine" Riester-Verträge, die als alleinige Vorsorge nicht ausreichten, ist der GDV-Mann überzeugt.
Dass eine zusehends kritische Distanz die Menschen vermehrt vom "Riestern" abhalte, glaubt man beim GDV nicht. "Wir sehen dafür keinerlei Hinweise. Trotz Finanzkrise gibt es eine ordentliche Nachfrage nach Riester-Produkten", ergänzt GDV-Sprecherin Daniela Röben. In der Vergangenheit hatten sich in den Medien immer wieder Experten zu Wort gemeldet und mit verschiedenen Beispielrechnungen zu beweisen versucht, dass sich die staatlich geförderte Riester-Rente keinesfalls für jeden rechne.
In der Tat werben alle Anbieter gern mit den staatlichen Zulagen und Steuervorteilen sowie dem garantierten Kapitalerhalt der eigenen Beiträge und Zulagen. Zumeist aber machen die Anbieter die Rechnung lediglich für die Ansparphase bis zum Renteneintritt auf. Dabei ist die Dauer der Rentenbezugsphase ganz entscheidend für die Rendite eines Vertrags.
Riester-Rente rechnet sich oft erst im biblisch hohen Alter
Wie lange ein Riester-Sparer leben muss, damit sich für ihn ein Vertrag rentiert, er also mehr als die eigenen Einzahlungen samt Zinsen als Rente erhält, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Unter dieser Voraussetzung muss der Sparer bei Erhalt der garantierten Rente gleichwohl in der Mehrzahl der Fälle mindestens 85 Jahre alt werden, damit sich das "Riestern" für ihn lohnt. Will der Sparer mit seinem Vertrag im Rentenalter auch noch eine moderate Inflationsrate von 2 Prozent auffangen, müsste er im Durchschnitt sogar 100 Jahre und noch älter werden, wie der unabhängige Versicherungsmathematiker Kleinlein für bestimmte Vertragstypen für eine Untersuchung von "Ökotest" aus knapp 1000 untersuchten Verträgen bereits errechnet hat.
"Hier sind die Unterschiede zwischen klassischen und fondsgebundenen Produkten exorbitant", sagt Kleinlein. Im Klartext: Der Riester-Fondssparer muss in der Regel deutlich länger leben, um auf einen ordentlichen Schnitt zu kommen. Dass bei solchen in der Vergangenheit mehrfach aufgemachten Rechnungen so mancher Riester-Kunde ins Grübeln gerät, ist verständlich.
"Verträge leiden enorm unter hohen Kosten"
Riester-Vertrag kann zum Minusgeschäft werden
Aber nicht nur der Abschluss, sondern auch die mögliche Kündigung eines Vertrags sollte wohl überlegt sein. Der Kunde muss dann nicht nur die staatlichen Zulagen zurückzahlen, sondern ebenso die gewährten Steuervorteile begleichen. Vor allem bei einer frühen Kündigung kann der Riester-Vertrag durch die zuvor entrichteten Abschlussgebühren und/oder Ausgabeaufschläge schnell zum Minusgeschäft werden. "Junge Verträge leiden enorm unter ihren hohen Kosten", hat Kleinlein festgestellt.
Von einer Kündigung ist insbesondere auch dann abzuraten, wenn sich der Sparer zuvor für eine auf Investmentfonds basierende Variante der Riester-Rente entschieden und die jüngste Börsenbaisse seinem Depot arg zugesetzt hat. Sein Sparguthaben dürfte dann erst recht deutlich unter der Summe seiner eingezahlten Beiträge liegen. Das Problem dabei: Der garantierte Kapitalerhalt gilt erst mit Beginn der Rentenzeit, nicht aber bei vorzeitiger Kündigung. Wer seinen Vertrag dennoch nicht fortsetzen möchte, stellt ihn am besten beitragsfrei.
Vor allem der viel beworbene Kapitalerhalt lässt Mathematiker Kleinlein immer wieder ungläubig staunen. "Die Modalitäten, mit denen das angesammelte Kapital verrentet wird, sind bei fondsbasierten Produkten deutlich schlechter als bei der klassischen Riester-Rente", weiß der Experte aus eigenen Analysen zu berichten. Mit anderen Worten: Bei stark kapitalmarktnahen Produkten, die per se Chancen auf eine höhere Rendite eröffnen, bekomme der Kunde "in der Mehrzahl der Fälle eine erheblich geringere Rente garantiert" als bei der herkömmlichen Riester-Variante. Dies mache fondsbasierte Riester-Renten aus Kleinleins Sicht "ausgesprochen uninteressant".
"Das ist eine echte Blackbox"
Und noch einen Pferdefuß sieht der Experte. Kunden, die eine Versicherungslösung aus Überzeugung ablehnen und sich bewusst für einen Riester-Fondssparplan entscheiden, landen früher oder später doch bei der Assekuranz. Denn ihre Riester-Rente wird lediglich bis zum 85. Lebensjahr aus einem Entnahmeplan bestritten.
Danach muss die Investmentgesellschaft die lebenslange Zahlung über eine Leibrente garantieren. Der Rentner wird also automatisch Kunde einer Lebensversicherung. Und wie dann im Alter die Verrentung genau aussieht, ließen die meisten Verträge für ihre Kunden im Dunkeln. "Das ist bislang eine echte Blackbox. Mir ist jedenfalls kein Riester-Fondssparplan bekannt, der genau regelt, wie die Verrentung ab dem 85. Lebensjahr tatsächlich aussieht", kritisiert der Experte.