Dachfonds Keiner für alle
Hamburg - Den Deutschen und der Steuer wird schon fast eine mythisch enge Verbindung nachgesagt. Nicht nur, dass Deutschland weltweit die meisten Steuerveröffentlichungen hervorbringt - Experten raunen von Zahlen um die 70 Prozent. Doch die Steuer ist auch ein gewichtiges Verkaufsargument. Lebensversicherungen lebten lange von den steuerlichen Vorteilen ihrer Produkte.
Aber auch Dachfonds können mit so einem fiskalischen Vorteil aufwarten - nur dass der durch die Flut negativer Nachrichten aus der Wahrnehmung der Anleger fortgespült wurde. Trotzdem sind Dachfonds eine Alternative für jene Sparer, die sich wenig um ihr Geld kümmern wollen und ihr Vermögen innerhalb des Fonds den Realitäten anpassen lassen wollen, ohne dass dafür die Abgeltungsteuer fällig würde.
Die Fondsbranche hat früh reagiert. Immerhin seien Dachfonds die Fondskategorie gewesen, in der im Krisenjahr 2008 die meisten neue Fonds aufgelegt worden seien, sagt Björn Drescher, Fondsexperte von Drescher & Cie. Das bemerkte auch Jörg Löschen. Er verwaltet die gesamte Dachfondsbaureihe von Hansainvest. "Aber es war nicht viel; der durch die Abgeltungsteuer erzeugte Absatzrausch ist wegen der Finanzkrise weitestgehend verpufft." Und so stecken im Hansa Accura dann auch nur etwas mehr als zwei Millionen Euro. "Das hat demografische Gründe - der Fonds soll in unserem 'Generationsplan' als letzte Stufe vor der Auszahlung stehen. Da dieser Plan noch nicht alt ist, sind auch nur wenige Sparer schon in dem Alter, dass sie diesen Fonds benötigten." Dennoch ist er sicher: "Dachfonds haben eine große Zukunft."
So muss freilich einer sprechen, der sich dem Dachfondsmanagement verschrieben hat. Aber so spricht auch jemand, der an das glaubt, was er macht. "Ich war früher Aktienanalyst und habe dann angefangen, Rentenfonds zu managen - Dachfonds gefallen mir am besten."
Tatsächlich haben sich Dachfonds seit ihrer Erstzulassung deutlich weiterentwickelt. Beispiel Zielfonds, jene Fonds also, in die die Lenker der Dachfonds investieren. Vor Jahren war es klar - in einem Fonds der blauen Firma fanden sich blaue Fonds, in denen einer roten Firma rote Produkte. Dann öffneten sich die Gesellschaften, sie kauften auch die Produkte anderer Hersteller. Fonds wie der Fidelity European Growth oder der Templeton Growth fanden sich in den meisten Dachfonds. Inzwischen ist auch das Geschichte. Eine Studie der Fondsgesellschaft Fidelity belegt, dass zu den beliebtesten Anlageprodukten des Jahres 2007 der Ishares Dax gehörte - ein Exchange Traded Fund (ETF), der passiv den Dax abbildet. Löschen selbst scheint sich mit ihnen nicht so recht anfreunden zu wollen - "das kann der Anleger selbst machen." Andere schon. Dachfondsmanager Markus Kaiser zum Beispiel kauft für die Fondsreihe Veritas A2A nur ETFs. Und dürfte damit erst den Anfang einer umfassenden Entwicklung skizzieren.
"Mehr als nur Fidelity gucken"
"Mehr als nur Fidelity gucken"
"Superfonds treten zunehmend in Konkurrenz mit herkömmlichen Fonds. Dank der UCITs-III-Regelung dürfen sie inzwischen viel mehr als nur zum Beispiel in Aktien anlegen", sagt Fondsexperte Drescher. "Zum Beispiel eben auch in andere Fonds investieren, über Derivate shorten oder den Investitionsgrad steuern." Auch Mischfonds könnten eine Konkurrenz darstellen, überlegt Löschen. Jene Vehikel also, die quer durch alle Anlageklassen das Vermögen der Kunden mehren sollen.
Der Druck auf die Dachfonds steigt somit - auch von einer anderen Seite. Zwar wird diese Fondsgattung mehr Anleger für sich interessieren können, so Drescher. Doch längst nicht alle werden überleben. "Die Flut an aufgelegten Dachfonds wird sich drastisch reduzieren, da mindestens 30 Prozent aufgrund ihrer Größe nicht überlebensfähig sind", rechnet Alexander Lehmann vor, Vertriebschef für Mitteleuropa bei der Fondsgesellschaft Invesco. "Der Rest muss sich Gedanken machen, ob und wie ein aktives Risikomanagement implementiert ist, ob ETFs zur Kostensenkung und einfachen Abbildung eines Marktsegmentes gekauft werden und ob wirklich alle Anlageklassen, also auch Rohstoffe, Gold und Immobilien, in der Portfolioallokation berücksichtigt werden." Fonds mit einem dauerhaften Volumen unter 10 Millionen Euro lassen sich nicht kostendeckend lenken, präzisiert Drescher. "Der Fonds muss das Geld sicherlich nicht bereits kurz nach Auflage bündeln. Aber wenn diese Grenze nach rund drei Jahren nicht überschritten wird, dürfte der Fonds in aller Regel geschlossen werden."
Schwierig dürfte es vor allem für jene Fonds werden, die erst 2008 - oft von Vermögensverwaltern - aufgelegt wurden. Die hatten in der Abgeltungsteuer ein ausgezeichnetes Vertriebsargument erkannt und ihr Angebot von der fondsgebundenen Vermögensverwaltung in das Management von Dachfonds umgestellt. Rund 100 neue Fonds wurden 2008 aufgelegt, rechnet der Bundesverband Investment und Asset-Management in seinen Statistiken vor. Jedem Einzelnen wird der Realitätstest bevorstehen.
Löschen warnt: "Zur Arbeit als Dachfondsmanager gehört auch Kapitalmarkttheorie. Es reicht nicht, nur ein bisschen bei Fidelity zu gucken, das ist schon mehr. Mathematik oder Stochastik zum Beispiel. Und man muss den Managern auf die Finger schauen können, ihre Tricks kennen. Zum Beispiel, wenn in den ersten zwei Quartalen Gas gegeben und dann nur versucht wird, das 2:0 zu halten. Sehr ärgerlich für den, der erst im zweiten Halbjahr im Vertrauen auf die Leistungen des ersten Halbjahrs einsteigt." Dennoch bleibt er zuversichtlich. "Ich habe da nicht so viele Sorgen." Eine andere Entwicklung in der Anlageindustrie dürfte seine Hoffnung stützen.
"Untergehen gegen die großen Deutschen"
"Untergehen gegen die großen Deutschen"
Denn Dachfonds sind nicht nur Produkte, sondern auch Kunden wiederum anderer Fondsgesellschaften. Insbesondere ausländische Fondsanbieter haben großes Interesse, ihre Produkte in die deutschen Dachfonds zu schleusen. "Unsere Beziehung zu den Dachfonds ist ein entscheidender Weg auf den deutschen Markt", erklärt Graham Fox, europäischer Vertriebschef der britischen First State. "Unser spezialisierter Ansatz und unser relativ kompaktes Team bedeuten auch, dass wir in Deutschland nicht so eine Abdeckung hätten, wenn unsere Dachfondskunden nicht wären. Sonst könnten wir gegen die großen heimischen Firmen kaum bestehen." Cox weiter: "Und sie verstehen unsere Spezialitätenprodukte wie Infrastruktur oder globale Aktien ohne Weiteres".
"Dachfonds werden in den kommenden Jahren im Privatkundengeschäft an Bedeutung gewinnen", erwartet Steffen Selbach, Leiter des Vermögensmanagements der Dekabank - gemessen am Volumen einer der größten Dachfondsanbieter Deutschlands. "Anleger stecken derzeit in einer Zwickmühle. Einerseits wissen sie, dass sie dringend private Altersvorsorge betreiben müssen, andererseits hat die Finanzkrise vielen Anlegern die Lust am Thema gründlich verdorben. Wir werden im Assetmanagement für Privatkunden eine Entwicklung weg von Einzelbausteinen und hin zu kompletten Produktlösungen sehen. Hier setzen Dachfonds an. Zum einen bietet deren Konstruktion durch die breite Streuung einen besseren Risikoschutz, zum anderen können Anleger die Verantwortung für das richtige Timing und die Auswahl der richtigen Anlageklassen an das Fondsmanagement delegieren. (...) Damit sind Dachfonds das ideale Investment für Anleger, die sich mit Marktentwicklungen und Produkteigenschaften nicht selbst auseinandersetzen wollen."
Tatsächlich erledigen Dachfonds eine Aufgabe fast immer - sie streuen das Geld ihrer Anleger. Über verschiedene Fonds, die wiederum in verschiedenen Wertpapieren wie zum Beispiel Aktien investieren. Investiert ein Dachfonds zum Beispiel in nur zehn Zielfonds, die ihrerseits wiederum in 40 Aktien investieren, verfügt der Anleger damit über 400 Aktien - idealerweise wenig korreliert. Kommentar Löschen: "Diversifikation ist sehr wichtig. Und die ist über den Dachfonds gewährleistet. Denn Dachfonds sollen Sicherheit geben. Sicherheit und Kalkulierbarkeit." Das gilt besonders im Fall Hansainvest, zu deren Anlegern vor allem Lebensversicherungskunden der Unternehmensmutter Signal Iduna zählen.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist das Maß der Freiheit, welche die Fondslenker genießen. Das gilt zum einen für die Wahl der Produkte. Hendrik Leber zum Beispiel verwaltet für seine Acatis unter anderem den Fünf Sterne Universal Fonds. Dafür kauft er aus dem Fondsuniversum jene Angebote zusammen, die ihm passend zu sein scheinen. Bei Carmignac dagegen setzt man im Fall des Reactif 100 fast ausschließlich auf Fonds des eigenen Hauses. Gemessen an ihrer Wertentwicklung über die vergangenen vier Jahre, haben beide Konzepte Erfolg. Das Maß der Freiheit bemisst sich aber auch an der Aktienquote. Einige Fonds steuern diese Quote nur innerhalb einer festen Bandbreite, andere Manager haben völlig freie Hand.
Schöne neue Anlagewelt? Nein. Steigender Konkurrenzdruck sowie immer komplexere Strukturen machen das Leben sowohl für Dachfondsmanager als auch für Anleger nicht einfacher. Und längst nicht alle Angebote taugen für alle Marktphasen. Schränken die Fondsrichtlinien das Management zum Beispiel von vornherein auf einen bestimmten Aktienanteil ein, kann dieser an der Realität vorbeilaufen. Auf den Blick in den Prospekt sollte daher niemand verzichten. Abgesehen davon - wer selbst Freude daran hat, sein Depot zu lenken, wem das Steuerargument egal ist, der braucht keinen Dachfonds. Dachfonds sind also Fonds für bestimmte Anleger. Aber eben nicht für alle.