Rewe Gericht stoppt Supermarktpolice
Hamburg - Die Verfechter des umstrittenen Verkaufs von Versicherungen in Supermärkten haben vor dem Landgericht Wiesbaden eine empfindliche Niederlage erlitten. Nach einem Urteil (Az.: 11 O 8/08) des Gerichts darf der Rewe-Konzern in seinen Penny-Filialen weder Versicherungsverträge bewerben noch zum Verkauf anbieten. Ob der Spruch der Richter damit den Policenverkauf in Deutschland über Supermärkte, Kaffeeröster oder Bekleidungsketten grundsätzlich verbietet, ist allerdings noch unklar.
Die Gegner dieser Geschäftspraktiken, die mittlerweile auch die deutsche Finanzaufsicht beschäftigen , setzen große Hoffnung in den Richterspruch. "Ich hoffe, dass die Aufsichtsbehörden nun endlich aufwachen und dieses Urteil ein Umdenken bewirken wird", sagt der Berliner Anwalt Norman Wirth am Dienstag im Gespräch mit manager-magazin.de. Für den Arbeitgeberverband der finanzdienstleistenden Wirtschaft (AfW), dessen Vorstand er angehört, hatte der Jurist den Rewe-Konzern verklagt.
Der zeitlich befristete Verkauf von Kinderschutzpolicen der Arag Versicherung im September 2007 in den Filialen des Discounters verstößt nach Ansicht von Wirth "eindeutig gegen die Vorgaben" der Versicherungsvermittlerrichtlinie. Der Verkauf von Versicherungen sei nun einmal ein erlaubnispflichtiges Gewerbe. Aber weder die Penny-Mitarbeiter noch der Rewe-Konzern selbst hätten eine entsprechende Gewerbeerlaubnis, noch seien sie im Vermittlerregister eingetragen oder für die Beratung von Kunden beim Versicherungsverkauf gesondert geschult gewesen.
In der Tat ist der Versicherungsverkauf in Deutschland jetzt deutlich stärker reglementiert als in der Vergangenheit. Vermittler müssen sich nicht nur bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) registrieren lassen, sondern zugleich einen Qualifikationsnachweis erbringen und Beratungspflichten erfüllen. Ziel dieser Vorschriften ist es, die Verbraucher vor windigen und unqualifizierten Vertretern zu schützen.
Dieser Auffassung ist jetzt die dritte Kammer für Handelssachen des Wiesbadener Landgerichts gefolgt. Indem Penny die Versicherung bundesweit beworben, Verkaufsfläche zur Verfügung gestellt und im Ergebnis die Jahresprämie von 49 Euro für die Arag an der Supermarktkasse eingezogen habe, sei der Rewe-Konzern als Versicherungsvermittler aufgetreten, schreiben die Richter in der Urteilsbegründung, die manager-magazin.de vorliegt. Die dafür notwendige Erlaubnis der IHK habe das Unternehmen aber nicht eingeholt, wie es die im Zuge der Vermittlerrichtlinie abgeänderte Gewerbeordnung vorschreibt.
Anwalt wähnt das Ende der Supermarktpolice
Penny war mehr als ein "Tippgeber"
Rewe könne sich daher auch nicht darauf berufen, womöglich lediglich in der Funktion als "Tippgeber" aktiv gewesen zu sein. Der Tippgeber ist im Sinne der Gewerbeordnung nicht Versicherungsvermittler. Für ihn hat der Gesetzgeber im Gegensatz zum Vermittler keine Notwendigkeit der Regulierung erkannt. Der Tippgeber vermittle den Interessenten lediglich an einen Versicherungsvermittler oder die Versicherung selbst. Die bloße Anbahnung von Versicherungsverträgen soll in diesem Sinne keine erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung darstellen.
Pennys Engagement sei aber weit darüber hinausgegangen, erklärt Gerichtssprecherin Ruth Schröder ergänzend gegenüber mannager-magazin.de. Ob das Urteil jetzt auch auf ähnlich gelagerte Fälle zu übertragen sei, darauf will sich die Sprecherin nicht festlegen.
"Dieses Urteil wird Auswirkungen auf viele Versicherer und Einzelhändler haben", ist Anwalt Wirth dagegen überzeugt. "Sie werden ihre geplanten Aktionen zumindest überdenken und hoffentlich auch absagen." Die beteiligten Unternehmen umgingen mit derlei Verkaufsaktionen jedenfalls den vom Gesetzgeber beabsichtigten verbesserten Verbraucherschutz. "Das werden die Gerichte in Zukunft nicht ignorieren können", ist Wirth überzeugt.
Rewe will Urteil erst genau studieren
Ob der Rewe-Konzern gegen das Urteil Berufung einlegen und anschließend vor das Oberlandesgericht Frankfurt ziehen wird, ist unklar. "Wir müssen erst die genaue Begründung analysieren und überlegen dann, ob wir Rechtsmittel einlegen", erklärt Konzernsprecher Andreas Krämer gegenüber manager-magazin.de. Zugleich macht der Sprecher deutlich, dass dieses in der Assekuranz und bei Verbraucherschützern heiß diskutierte Thema aus Sicht des Konzerns eher eine randständige Bedeutung habe. "Penny ist in erster Linie ein Lebensmittelhändler und Discounter. Wir sprechen daher aus unserer Sicht über ein Randthema."
Mit anderen Worten: Sollte das Urteil den Versicherungsverkauf über Supermärkte ohne ausreichende Beratung grundsätzlich als Rechtsbruch interpretieren, sei Rewe angesichts des geringen Umsatzes mit Versicherungsprodukten nur wenig an einem kostspieligen Prozess interessiert. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde man auch nicht versuchen, den Policenverkaufen über Penny oder andere Supermarktketten des Konzerns mit juristischen Finessen voranzutreiben.
Auch die Arag Versicherung, die zwar weder Beschwerte noch Beklagte ist, aber als Schrittmacher dieser neuen Vertriebswege in der Branche gilt, will zunächst die Urteilsbegründung genau studieren. "Ob wir in Zukunft weitere Kooperationen eingehen werden, können wir daher jetzt noch nicht ermessen", sagt Sprecher Klaus Heiermann gegenüber manager-magazin.de. Es sei aber gut möglich, dass die Arag wie auch andere Versicherer in Deutschland erkennen müssten, dass ihnen dieser Vertriebsweg künftig rechtlich verbaut ist.
BaFin hat sich bereits eingeschaltet
Assekuranz sucht nach neuen Absatzwegen
Diese Erkenntnis dürfte zumindest die Pläne so mancher Versicherer empfindlich stören. Zwar hat der Discounter Aldi im April noch im letzten Moment seinen Plan verworfen, Policen der Signal Iduna in seinen Filialen anzubieten. Doch die Assekuranz sucht auf dem hart umkämpften Privatkundenmarkt händeringend nach neuen Absatzwegen, setzt dabei eben auch auf Einzelhändler wie Plus, Penny, Tchibo oder die Bekleidungskette C&A. Ein Versicherer hat nach Informationen von manager-magazin.de bis vor wenigen Wochen sogar erwogen, die Kooperationen deutlich auszuweiten und weitere Produkte in Supermärkten anzubieten.
Diese Vertriebspraxis ist Vermittlerverbänden schon längst ein Dorn im Auge und hat zuletzt auch die Finanzaufsicht BaFin auf den Plan gerufen. In einem manager-magazin.de vorliegenden Brief an den Vorstand der Arag hat die Aufsichtsbehörde erhebliche rechtliche Zweifel gegen den Vertrieb der "DeutschlandRente" über die Filialen des Discounters Plus in diesem Jahr angemeldet und dem Versicherer mit aufsichtsrechtlichen Konsequenzen gedroht.
Da die Supermarktkette für den Vertrieb des Rentenprodukts für ihre Tätigkeit sowohl eine Abschluss- als auch eine Bestandsprovision erhalte, handelt es sich aus Sicht der Aufseher um gewerbsmäßige Versicherungsvermittlung. Die BaFin weist den Arag-Vorstand in dem Brief explizit darauf hin, dass Versicherer nur mit solchen Vermittlern zusammenarbeiten dürften, die die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Ist dies nicht der Fall, verstoße der Versicherer gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz.