Abgeltungsteuer Fondssparplan schlägt Fondspolice
Hamburg - Die Abgeltungsteuer kommt - das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ab 2009 müssen dann langfristig orientierte Aktienfondssparer auf Dividenden und Kursgewinne 25 Prozent Steuern zahlen, mit Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer sind es rund 28 Prozent, die sich der Fiskus einverleibt. Noch ist unklar, wie die neue Steuer das Geschäft der Fondsindustrie beeinflussen wird. Die Assekuranz dagegen wähnt sich bereits als der heimliche Gewinner der Steuerreform. Die Versicherer rechnen mit einem deutlichen Schub der fondsgebundenen Rentenversicherung.
Fondsgebundene Policen sind eine Mischung aus privater Rentenversicherung und Fondssparplan. Der Sparanteil der Versichertenprämie landet in einem oder mehreren Investmentfonds, die vor allem in Aktien, Anleihen oder Immobilien investieren. Entwickeln sich die Fondsanteile gut, kann eine Fondspolice eine höhere Rendite abwerfen als etwa eine Kapitallebensversicherung mit einem garantierten Zins von 2,25 Prozent auf den Sparanteil plus möglicher Überschussbeteiligungen.
Kann wohlgemerkt, denn mit der Fondspolice trägt der Kunde das Anlagerisiko allein. Mannigfaltigste Garantiekonstruktionen mindern zwar das Risiko. Doch sollte sich der Verbraucher keiner Illusion hingeben - Garantien auch einer Fondspolice kosten Geld und damit Renditepunkte.
Gleichwohl gehen Finanzdienstleister und Assekuranz davon aus, dass die Fondspolice weiter stark an Bedeutung gewinnen wird - trotz oder gerade wegen der Abgeltungsteuer. Denn wer sich die Police nach dem 60. Lebensjahr auszahlen lässt, muss lediglich die Hälfte der Erträge mit dem dann geltenden persönlichen Einkommensteuersatz versteuern. Selbst bei einem persönlichen Spitzensteuersatz von 47,5 Prozent inklusive Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer beläuft sich die effektive Belastung damit auf knapp 24 Prozent, während sie bei anderen Anlageformen bei 28 Prozent liegt. Im Schnitt dürfte die Differenz sogar noch höher sein, da im Alter nur bei einer Minderzahl der Menschen der Spitzensteuersatz greift.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Kapitalerträge einer Fondspolice auch während der Ansparphase nicht der Steuer unterliegen und damit der Zinseszinseffekt voll zur Geltung kommen kann. Bei herkömmlichen - also nicht staatlich geförderten - Aktienfondssparplänen greift der Fiskus dagegen auch während der Ansparphase zu.
"Damit ist die fondsgebundene Lebensversicherung vor allem bei langfristigen Sparprozessen attraktiver als ein vergleichbarer Fondssparplan", sagt Stephan Moltzen, Leiter des Produktmanagements Vorsorge bei dem Finanzdienstleister MLP. Ist sie das wirklich?
Vorsicht: Für einzelne, ausgesuchte Tarife der Anbieter mag das Urteil zutreffen, ist aber keineswegs durchgängig richtig, sagen andere Experten. Nach Einschätzung von Norbert Ras bringe die "deutliche Mehrheit der in Deutschland angebotenen Fondspolicen so erhebliche Kosten mit sich, dass der Steuervorteil verpufft", sagt der Deutschland-Chef des britischen Versicherers Legal & General im Gespräch mit manager-magazin.de.
Bei den Kosten genau nachfragen
"Grobe Faustregel" verschafft erste Orientierung
Nun ist der Kunde in der Regel außerstande, die Kosten einer Fondspolice zu berechnen, geschweige denn zu beurteilen, ob die Kosten für den Versicherungsmantel mögliche Steuervorteile aufzehren oder nicht. Im Grunde steht er bei dieser Aufgabe auf verlorenem Posten.
Besteht dennoch eine Chance auf Orientierung? Ja, sagt Ras und gibt dem Verbraucher eine "grobe Faustregel" mit auf den Weg. "Wenn bei einer herkömmlichen Fondspolice die Kosten des Versicherungsmantels rund 10 Prozent des Beitrags aufzehren, dann wird es mit dem Steuervorteil knapp." Gute Direktversicherer zweigten von der monatlich zu entrichtenden Prämie etwa 5 Prozent ab, teure Versicherer würden bis zu 20 Prozent für sich einbehalten, sagt Ras.
Versicherer in Deutschland geben allerdings ungern detailliert Auskunft über die Kosten eines Vertrags. Und viele Vermittler wüssten vermutlich noch nicht einmal, wie viel Prozent der Prämie beim Versicherer tatsächlich hängen bleiben, sagt Ras. Nicht nachgeben, rät der Experte. Der Verbraucher sollte seine "Macht" ausspielen und genaue Angaben zu den Kosten einer Police einfordern. "Wenn sich ein Anbieter hier weigert, ist er im Zweifelsfall der falsche Partner", meint der Geschäftsführer des britischen Versicherers Legal & General in Deutschland.
Wie nun aber könnte die Rechnung für eine fondsgebundene Rentenversicherung konkret aussehen?
Der Finanzexperte Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen hat mithilfe der Finanzsoftware LV-Win des unabhängigen Analysehauses Morgen & Morgen 19 Angebote ermittelt, bei denen die Kapitalanlage in dem bekannten DWS Vermögensbildungsfonds I erfolgt. Dabei hat der Verbraucherschützer nur Tarife berücksichtigt, die die Beiträge erstatten, wenn der Versicherungsnehmer in der Ansparphase stirbt. So manches Ergebnis der erweiterten Rechnung dürfte Gottschalk angesichts früherer Rechnungen auch selbst überrascht haben.
"Frappierende Unterschiede"
"Frappierende Unterschiede bei Fondspolicen"
Bereits der Vergleich der Angebote untereinander zeige "frappierende" Unterschiede, sagt Gottschalk. Spart ein 35 Jahre alter Mann 30 Jahre lang monatlich 100 Euro, und erzielt der DWS-Fonds im Durchschnitt eine unterstellte jährliche Wertsteigerung von 7 Prozent, lägen die möglichen Ablaufleistungen der Verträge vor Steuern zwischen 111.020 Euro und 93.301 Euro. Ohne die Berücksichtigung etwaiger Überschüsse liege die Spanne zwischen 103.219 Euro und 80.864. Trotz der Anlage in ein und demselben Fonds ergäben sich bei den unterschiedlichen Angeboten damit Unterschiede von bis zu 20.000 Euro und mehr, hat Gottschalk errechnet.
Diesen Ergebnissen hat der Finanzexperte nun zum Vergleich eine direkte Besparung des DWS-Fonds gegenübergestellt. Mit Blick auf die laufende Besteuerung von Dividenden hat Gottschalk vorausgesetzt, dass der Fonds wie in den vergangenen Jahren rund 1 Prozent des Anteilswerts jährlich ausschüttet. Zugleich unterscheidet der Experte drei Fallkonstellationen:
In der günstigsten Variante erwirbt der Anleger die Fondsanteile ohne Ausgabeaufschlag, werden bis 801 Euro durch den Steuerfreibetrag abgedeckt und nach Steuern wieder angelegt. Bei dieser Variante würde eine Ablaufleistung von 117.322 Euro erreicht, von denen nach der Abgeltungsteuer knapp 100.100 Euro verblieben.
In der mittleren Variante zahlt der Anleger einen reduzierten Ausgabeaufschlag von 2,5 Prozent und die Ausschüttungen werden bis zu 400 Euro durch den Freibetrag abgedeckt. In diesem Fall würde eine mögliche Ablaufleistung von 113.347 Euro erreicht, von denen nach der Abgeltungsteuer rund 96.800 Euro zu Buche schlagen würden.
In der dritten und ungünstigsten Variante zahlt der Anleger einen Ausgabeaufschlag von 5 Prozent und hat seinen steuerlichen Freibetrag bereits ausgeschöpft. In diesem Fall würde eine Ablaufleistung von 106.490 Euro erreicht, von denen nach der Abgeltungsteuer rund 90.600 Euro verblieben, rechnet der Finanzexperte vor.
In allen Varianten hat der Verbraucherschützer die Abgeltungsteuer auf die Differenz zwischen der Ablaufleistung einerseits und der Summe der Einzahlungen plus der wieder angelegten Beträge andererseits berechnet.
Doch wie sieht nun dem gegenüber das Ergebnis der Fondspolicen nach Steuern aus?
Die Rechnung nach Steuern
Die meisten Fondspolicen fallen durch
Bei einer unterstellten persönlichen Spitzensteuerbelastung von 42 Prozent würde lediglich eine der 19 gestesteten Fondspolicen mit einer Ablaufleistung von 94.500 Euro besser abschneiden als die - wohlgemerkt - schlechteste Variante der direkten Besparung des DWS-Fonds.
Liegt der Steuersatz im Alter bei 30 Prozent, was Gottschalk für viele Rentner auf lange Sicht durchaus für realistisch hält, würden alle Versicherungsangebote hinter dem Nachsteuerergebnis der günstigsten Variante der Direktbesparung zurückbleiben. Nur eine Fondspolice würde die mittlere Variante der direkten Fondsbesparung übertreffen und sechs weitere Produkte würden besser abschneiden als die ungünstigste Direktvariante. Dies allerdings auch nur, wenn die von den Versicherern unverbindlich in Aussicht gestellten Kostenüberschüsse auch tatsächlich erwirtschaftet würden, führt der Finanzexperte weiter aus.
In der Betrachtung nach Steuern würden 12 der 19 Angebote sogar inklusive der erwarteten Überschüsse weniger Ertrag bringen als in der ungünstigsten Variante der direkten Fondsbesparung. "Bei ihnen verpufft der steuerliche Vorteil nicht nur völlig. Er wird durch die hohen Kostenbelastungen der Produkte sogar überkompensiert", stellt der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen fest.
Freundlicher fiele das Ergebnis für die fondsgebundenen Rentenpolicen allerdings aus, wenn der persönliche Steuersatz niedriger liege oder die zu versteuernde Ausschüttung höher ausfalle, sagt Gottschalk.
Bei Verrentung entscheidet die Lebenserwartung
Im Gespräch mit manager-magazin.de räumt der Finanzexperte darüberhinaus ein, dass die Rechnung eine andere wäre, wenn der Sparer anstatt der Einmalauszahlung eine lebenslange Rente wählt. Diese wird lediglich mit dem Ertragsanteil versteuert, der sich wiederum nach dem Alter zu Rentenbeginn richtet. Erfolgt die erste Rentenzahlung mit 65, unterliegen nach gegenwärtiger Rechtslage 18 Prozent der Rente dem individuellen Steuersatz. Ob sich die Police für einen Sparer rechnet, entscheidet dann nicht zuletzt seine Lebenserwartung. Steigt die durchschnittliche Lebenserwartung, versuchen die Versicherer das damit verbundene finanzielle Risiko zu minimieren: Sie passen ihre Tarife an oder kürzen bei laufenden Renten gegebenenfalls die Überschüsse.
Im Fazit stellt der Finanzexperte gleichwohl fest, dass durch die steuerliche Bevorzugung einer fondsgebundenen Rentenpolice für den Anleger unter dem Strich - also nach Steuern - nicht auch zwingend mehr übrig bleibe. Die vergleichsweise höheren Kosten der meisten Produkte machten vielmehr den Steuervorteil wieder zunichte. "Je höher der persönliche Steuersatz und je niedriger die zu versteuernde Ausschüttung sind, umso mehr spricht für eine direkte Besparung des Fonds", urteilt Gottschalk.
Gegen fondsgebundene Versicherungsprodukte spreche seiner Meinung nach auch der Umstand, dass der Verbraucher ursprünglich langfristig angelegte Sparverträge zumeist nicht durchhalte. Bei Auszahlung vor dem 60. Lebensjahr greift dann die Abgeltungsteuer. Aufgrund der anfänglich hohen Kosten des Vertrags durch die gezillmerte Abschlussprovision und einen möglichen Stornoabzug bei der Kündigung dürfte das Guthaben dann in den meisten Fällen noch weiter hinter dem direkten Fondssparen zurückbleiben, sagt Gottschalk.