Kreditkrise "Anschnallen und sitzen bleiben"

Wie Maikäfer werden etliche Investoren derzeit von den Bäumen geschüttelt, erklärt Michael Keppler im Gespräch mit manager-magazin.de. Allerdings findet der Fondsmanager, dass die von der Hypothekenkrise ausgelösten Kursturbulenzen auch ihr Gutes haben.
Von Arne Gottschalck

mm.de: Herr Keppler, an den Börsen rumpelt es seit Wochen; wann wird man wieder zum "Business as usual" übergehen?

Keppler: Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir wissen, wie viele Leichen in den diversen Kellern versteckt sind.

mm.de: Gibt es auf der Aktienseite aktuell noch sichere Häfen?

Keppler: Wir weisen Anleger unermüdlich darauf hin, dass das Anlagerisiko nicht zuletzt eine Funktion der Anlagedauer ist. Wem klar ist, dass ein Aktieninvestment mit einer langen Reise vergleichbar ist, für den gibt es an den internationalen Aktienmärkten zurzeit viele sichere Häfen. Insofern haben Aktienanleger mit einem Anlagehorizont von drei bis fünf oder mehr Jahren kein Problem.

Probleme haben nur die Spekulanten, die momentan wie die Maikäfer von den Bäumen geschüttelt werden, und Anleger, die nicht wussten beziehungsweise immer noch nicht wissen, was tatsächlich in ihren Portfolios drin ist. Ersteren weine ich keine Träne nach, Letztere sind zu bedauern. Anlegern, die noch Pulver trocken haben, bieten die derzeitigen Turbulenzen gute Gelegenheiten, langfristige Engagements aufzubauen.

mm.de: Welchen Sinn hat eine Diversifikation bei einem Absacken der Kurse auf breiter Front noch?

Keppler: Während eines Gewitters lässt sich nicht so leicht feststellen, wer am nassesten wird. Das findet man erst heraus, wenn das Unwetter vorbei ist. In der Vergangenheit haben Value-Portfolios Börsengewitter besser als andere überstanden.

Entsprechend liegt der Verlusterwartungswert des Global Advantage Emerging Markets High Value  nach Abzug aller Kosten seit Auflage 1993 mit 2,11 Prozent pro Monat um 13 Prozent niedriger als bei einem Indexinvestment. Die Verlusterwartung des Major Markets High Value , der in Industrieländeraktien anlegt, lag seit Auflage monatlich bei 1,19 Prozent und damit um fast 20 Prozent niedriger als bei einem Indexinvestment.

"Den Fernseher ausschalten"

mm.de: Was sollten Anleger also tun?

Keppler: Sich mehr um die strategische Ausrichtung ihres Vermögens bemühen und den Fernseher ausschalten, wenn das Tagesgeschehen an den Aktienmärkten kommentiert wird. Wenn an den Märkten Panik ausbricht, wird nicht selten das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Selbst Aktien substanz- und ertragsstarker Unternehmen geraten dann unter Druck. Doch sobald sich die Wogen glätten, wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Da bin ich ganz zuversichtlich.

mm.de: Sind Sie in Ihren Global Advantage Fonds eigentlich nun stärker in Liquidität investiert, die solche Kursbewegungen abfedert?

Keppler: Das Barvermögen unserer Global Advantagee Aktienfondsfamilie liegt traditionell sehr niedrig bei etwa 1 bis 2 Prozent des Fondsvermögens. Die Fonds sind für institutionelle Anleger konzipiert, die von uns erwarten, dass wir immer voll in Aktien investiert sind. Es ist also nicht unsere Aufgabe, Cash zu halten. Die Entscheidung über die Asset-Allocation fällen unsere Anleger im Rahmen ihrer Anlagepolitik selbst.

mm.de: Wie viel Prozent der Kreditkrise ist eigentlich fundamental gerechtfertigt, wie viel ist Psychologie?

Keppler: Die Hypothekenkrise wird dadurch verschärft, dass ihr Ausmaß bisher nur erahnt werden kann. Das Volumen der US-Hypotheken wird auf etwa 8500 Milliarden Dollar geschätzt. Wenn wir unterstellen, dass 10 Prozent davon Not leidend werden - das ist meines Erachtens eine sehr pessimistische Annahme, da nur ein Bruchteil der in den vergangenen Jahren aufgenommenen Hypotheken variabel verzinst ist - wären das 850 Milliarden Dollar. Das entspräche 6,2 Prozent des derzeitigen US-Bruttoinlandsprodukts von 13.755 Milliarden Dollar. Da viele dieser Hypotheken jedoch weiterverkauft wurden, ist letztendlich die Frage entscheidend: Wer hat die faulen Kredite in den Büchern? So lange man hier keine Klarheit hat, ist die Gerüchteküche "voll am Dampfen".

mm.de: Weiß tatsächlich niemand Bescheid, wo diese Kreditrisiken liegen oder will es nur niemand sagen?

Keppler: Die Betroffenen wissen in den meisten Fällen vermutlich Bescheid. Ich nehme an, dass wir hier bald mehr erfahren werden.

"Greenspan ist unschuldig"

mm.de: Was ist denn eigentlich die Lehre aus der Hypothekenkrise?

Keppler: Wir haben schon im Februar dieses Jahres, als die Volatilitäten an den Aktienmärkten erstmals nach mehreren Jahren zu steigen begannen, an unsere Anleger die Devise "Anschnallen und sitzen bleiben" ausgegeben. Diese Empfehlung gilt weiter. Erfolgreich investieren erfordert nicht nur Disziplin, sondern auch Geduld. Wenn Anleger jetzt merken, dass ihr Aktienanteil zu hoch ist, ist das bedauerlich. Aber dass Aktienkurse steigen und fallen können, sollte bekannt sein, ebenso dass sie kurzfristig nicht prognostizierbar sind. Für den langfristigen Vermögensaufbau gibt es nach wie vor keine bessere Alternative.

mm.de: Ihr Wunsch an die Zentralbanken und Aufsichtsbehörden?

Keppler: Die Zentralbanker der Welt werden durch Aufdrehen der Geldhähne die nötige Liquidität bereitstellen. Mehr können sie momentan nicht tun. Die Aufsichtsbehörden sollten keine generellen Regeln aus einem Spezialfall ableiten. Ich dachte eigentlich, dass die Grund- und/oder Spielregeln des Hypothekengeschäfts allen Teilnehmern bekannt gewesen wären. Das war aber nicht der Fall.

Offenbar brauchen die Kreditinstitute Nachhilfeunterricht zum Thema "Was muss ich bei der Vergabe von Hypothekenkrediten berücksichtigen".

Da Kontrolle bekanntlich besser ist als Vertrauen, müssen die Aufsichtsbehörden auch für die Einhaltung der Rahmenbedingungen Sorge tragen. Ex-Notenbanker Greenspan wegen seiner lockeren Geldpolitik nach dem 11. September 2001 für die Misere verantwortlich zu machen, halte ich jedenfalls für unangebracht.

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