Altersvorsorge SPD will Betriebsrente weiter fördern

Kehrtwende in Berlin. Nach dem Willen der SPD und Arbeitsminister Franz Müntefering sollen Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge nun doch über das Jahr 2008 hinaus von Sozialabgaben befreit bleiben. Stimmt die CDU zu, können Millionen Vorsorgesparer aufatmen.

Hamburg - Der Druck der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände und der Lobbyverbände der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland zeigt offenbar Wirkung. Entgegen ihren ursprünglichen Absichten wollen Arbeitsminister Franz Müntefering und die SPD die Privilegien der Betriebsrente über das kommende Jahr hinaus gewähren.

Parteichef Kurt Beck sagte am Montagabend nach einer Sitzung des SPD-Gewerkschaftsrates in Berlin, die Sozialdemokraten starteten im Einvernehmen mit Müntefering eine Initiative, wie die Entgeltumwandlung auch nach 2008 "in punkto Steuern und Beitragsfreiheit" weiter unterstützt werden könne.

Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums bestätigte am Dienstag auf Anfrage von manager-magazin.de: "Beiträge zu Betriebsrenten werden auch nach 2008 weiter durch Sozialabgabenfreiheit gefördert." Wie lange die Förderung verlängert wird, müsste noch in Gesprächen mit dem Koalitionspartner geklärt werden.

Seit dem Jahr 2002 können Arbeitnehmer einen Teil ihres Gehalts auf dem Wege der so genannten Entgeltumwandlung in eine Betriebsrente investieren. Sozialbeiträge werden darauf nicht erhoben. Dieser Vorteil soll mit Beginn des Jahres 2009 allerdings auslaufen. Forderungen nach einer Verlängerung der Sozialabgabenfreiheit hatte Müntefering in der Vergangenheit stets mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Abgabenfreiheit sei von Anfang an befristet formuliert und lediglich als Anschubfinanzierung zur Alterssicherung gedacht gewesen. Zudem wurden in der SPD Befürchtungen laut, den Sozialversicherungen würden damit Beiträge entzogen.

Expertenschätzungen zufolge gehen den Sozialkassen durch die bestehende Sozialabgabenfreiheit für Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge jährlich zwischen 2 und 2,4 Milliarden Euro verloren.

Gegner dieser Argumentation warnen hingegen, sollte die Bundesregierung an ihren Plänen festhalten, würde die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland starken Schaden nehmen. "Arbeitnehmer werden in einem erheblichen Umfang ihre Entgeltumwandlung ruhen lassen oder stornieren und dann vernünftigerweise in eine private Riesterrente ausweichen", erklärte Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba), im Gespräch mit manager-magazin.de. Bei den niedrigen Einkommensgruppen sei die Befreiung von den Sozialabgaben während der Ansparphase nicht der Anschub, "sondern der Treibstoff des ganzen Systems".

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erklärte, die Betriebsrente werde damit ab 2009 für einen großen Personenkreis deutlich unattraktiver. Privat Krankenversicherte sowie Gutverdiener seien entweder gar nicht oder deutlich schwächer von der Regelung betroffen. "Für die breite Masse der Arbeitnehmer aber, die die Bundesregierung im Blick hat, wird das zu einem Problem", so GDV-Sprecher Peter Schwark.

Betriebsrenten bereits jetzt belastet

Sozialkassen kassieren bei Betriebsrenten bereits ab

Bereits jetzt langen die Sozialkassen bei den Betriebsrenten zu. So müssen Betriebsrentner seit dem Jahr 2004 statt des halben den vollen Satz zur Kranken- und Pflegeversicherung auf ihre Rente abführen. Je nach Krankenkasse verringert sich die Betriebsrente damit um 7 und mehr Prozent. Privat Krankenversicherte sind davon nicht betroffen.

Müssten die Arbeitnehmer ab 2009 auf ihre Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge neben Renten- und Arbeitslosen- auch Kranken- und Pflegeversicherung zahlen, griffen die Sozialkassen sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase zu. Die Menschen führten dann also zweimal Geld an die Pflege- und Krankenversicherung ab - ein Fall für das Bundesverfassungsgericht, sagen Experten.

Wie am Montag aus SPD-Kreisen verlautete, habe Müntefering nun erklärt, dass die Förderung "in bisheriger Form und Höhe bestehen" bleiben soll, um den positiven Trend bei der betrieblichen Altersvorsorge zu verstärken. Die Union müsste der Verlängerung zustimmen.

CDU erwärmt sich für eine fortgesetzte Förderung

Bei der Union zeichnet sich Bewegung in dieser Frage ab, mehren sich die Stimmen, an der bislang geltenden Regelung über 2008 hinaus festzuhalten. Vor allem der rentenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, machte sich zuletzt dafür stark. Auf seiner Seite weiß er das Bundesland Baden-Würtemberg. Bayern und Nordrhein-Westfalen haben zudem einen Vorschlag in den Bundesrat eingebracht, demzufolge auf die umgewandelten Gehaltsbestandteile der Arbeitnehmer ab 2009 zumindest keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen wären.

Bis Ende vergangenen Jahres haben etwa 2,7 Millionen Beschäftigte in Deutschland von der Entgeltumwandlung im Zuge der 2002 eingeführten neuen Fördervorschriften Gebrauch gemacht. Im Durchschnitt investierten sie jährlich 1200 Euro ihres Gehaltes in eine Betriebsrente. Das geht aus einem Forschungsbericht von TNS-Infratest hervor, den das Marktforschungsistitut im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt hat.

Betriebsrenten unterliegen im Ruhestand der vollen Besteuerung. Die überwiegende Mehrzahl der Rentner profitiert im Alter allerdings von einem niedrigeren persönlichen Steuersatz als die Arbeitnehmer.

Übersicht - wie der Staat fördert und zugreift

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