Infrastrukturfonds Verluste zu privatisieren
Hamburg - Wer Geld von Anlegern einsammeln will, braucht eine Story. Wer viel Geld einsammeln will, braucht einen Megatrend. Nach Asien-Boom, Klimawandel und Demografie könnte das Schlüsselwort Infrastruktur zur nächsten Milliardenmaschine werden. Auf jeweils vier bis fünf Billionen Euro schätzt die Deutsche Bank die Infrastrukturmärkte in Europa und Nordamerika - bei anhaltend starkem Wachstum.
Weil der Staat nicht mehr genug Geld für Straßen, Schienen, Strom- und Wassernetze ausgibt, "muss beim Ausbau und der Instandhaltung von Infrastruktur weltweit in wachsendem Umfang privates Kapital eingesetzt werden". So begründet Helmut Kaiser, Chefinvestmentstratege im Privatkundengeschäft der Deutschen Bank, warum der Sektor ein Zukunftsinvestment verspreche. Der Branchenindex Macquarie Global Infrastructure hat seit Juni 2000 mehr als 150 Prozent zugelegt, der Vergleichswert für globale Aktien MSCI World im gleichen Zeitraum nur gut ein Viertel.
Vielfältig sind die Möglichkeiten für Anleger, die nicht selbst Erfolg versprechende Aktien heraussuchen wollen. Die Deutsche-Bank-Tochter DWS bietet den Fonds Zukunftsinvestitionen an, in dem Aktien von Infrastrukturfirmen ein großes Gewicht haben. Reine Infrastrukturfonds gibt es beispielsweise von Invesco , Clariden , der Partners Group oder seit Kurzem der Private-Equity-Gesellschaft 3i .
Zertifikate sind auf den Global-Infrastructure-Index der UBS oder den Infrax von Goldman Sachs erhältlich. Etliche neue geschlossene Fonds versprechen ein von der Entwicklung des Aktienmarkts unverfälschtes Investment in Infrastruktur. Der Marktführer Macquarie Bank , der nach eigenen Angaben in der Branche jährlich 20 Prozent Rendite erwirtschaftet, sammelte allein für seinen deutschen Infrastrukturfonds 3 im vergangenen Jahr knapp 700 Millionen Euro ein.
Das einfachste Argument für Investitionen in die Branche lautet: Ohne Energie, Kommunikation und Transport geht nichts. Wenn die Wirtschaft wächst, braucht sie auch neue Straßen, Telefon- und Stromnetze. Demnach können Anleger in diesem Sektor kaum etwas falsch machen. "Attraktive Renditen bei moderaten Risiken" sagt Kaiser voraus.
Dank einer stetig wachsenden Nachfrage, meist langfristigen Verträgen, staatlich regulierten Preisen und geringem Wettbewerb könnten die Betreiber von Infrastrukturprojekten mit stabilen Erträgen rechnen. Wer sich an diesen Geschäften mit der öffentlichen Daseinsvorsorge beteiligt, habe sein Geld also fast so sicher angelegt wie in einer Anleihe, nur mit weitaus höheren Aussichten auf Gewinn.
Doch nicht immer geht diese Rechnung auf. Ehemalige Staatsmonopolisten wie die Deutsche Post oder Versorger wie Eon sind zwar Umsatzriesen, müssen ihr Geschäft aber gegen neue Wettbewerber verteidigen. Wachstum kommt meist nur durch Zukäufe zustande. Bisher ist keiner der großen Versuche, vom privaten Bau von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland zu profitieren, wirklich gelungen, obwohl sogenannte Public Private Partnerships (PPP), bei denen sich Staat und private Investoren Risiko und Rendite teilen, hierzulande schon seit 1994 erlaubt sind.
Der zweifache Fluch des Booms
Der zweifache Fluch des Booms
Selbst Macquarie musste das in Rostock erleben. Die gemeinsam mit dem französischen Baukonzern Bouygues errichtete Warnowquerung, die erste privat finanzierte Straße in Deutschland, geriet zum Flop: Seit der Eröffnung 2003 floss längst nicht so viel Verkehr wie erwartet durch den Tunnel, entsprechend bescheiden blieben die Mauteinnahmen. Das Gleiche geschah zwei Jahre später den deutschen Baukonzernen Hochtief und Bilfinger Berger mit dem Herrentunnel unter der Trave in Lübeck.
Die Einnahmen aus der Lkw-Maut blieben - zusätzlich zum verkorksten Start - deutlich hinter den Erwartungen zurück. Glück für Toll-Collect-Eigner Deutsche Telekom und DaimlerChrysler , dass der Vertrag das Risiko praktisch komplett dem Bund zuschiebt, dessen Gebühren an die Betreiber wiederum garantiert sind. Ein seriöses Geschäftsmodell für die ganze Branche lässt sich aber auf solche Geschenke nicht gründen.
Das derzeit größte Verkehrsprojekt in Deutschland, den Flughafen Berlin Brandenburg International, baut die öffentliche Hand nun allein. Nach jahrelangem Gerangel erschien es Bund und Ländern günstiger, das Konsortium um die Immobilienfirma IVG und Hochtief auszuzahlen, als das Kreditrisiko zu übernehmen.
PPPs funktionieren eher im kleinen Rahmen. In den meisten Fällen geht es um maximal zweistellige Millionenbeträge, beispielsweise den Bau von Schulgebäuden. In dieser Größenordnung lohnt sich aber für Fonds, die Milliarden von privaten und institutionellen Investoren verwalten, der Einstieg nicht.
Vielleicht ist deshalb die Resonanz auf das Vorhaben der Bundesregierung so bescheiden, mit der Neufassung des Investmentgesetzes im Herbst PPP-Fonds einzuführen. Die Fonds seien "ein willkommenes Vehikel, um privates Kapital durch Private Public Partnerships zu mobilisieren", meint immerhin Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland. Aus der Fondsbranche kommen aber keine so euphorischen Signale. Im Februar konnte sich nur ein Drittel der vom Analysehaus Feri befragten Fondsgesellschaften vorstellen, PPP-Fonds aufzulegen.
Immerhin sollen die Fonds sich nur an Projekten beteiligen dürfen, die bereits in Betrieb sind. Das reduziert das Risiko für Anleger. Andererseits soll eine Rückgabe der Anteile maximal zweimal im Jahr möglich sein. So sind die Investoren langfristig gebunden.
Die Probleme der Branche sind nicht auf Deutschland beschränkt. Die Ratingagentur Standard & Poor's benutzt in einem Bericht das böse Wort "Blase", um die Marktsituation zu beschreiben. 2006 sei das Übernahmevolumen auf mehr als 145 Milliarden Dollar gestiegen, 180 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Fonds versuchten 150 Milliarden Dollar in der Branche unterzubringen - darunter 27 im vergangenen Jahr neu aufgelegte Kapitalsammelstellen.
Gleichzeitig gebe es aber nur wenige lohnende Übernahmeziele, mit der Folge, dass die Preise explodieren und die für Übernahmen aufgenommenen Schulden bis zu 20-fach über dem Betriebsgewinn liegen. Der Infrastruktursektor laufe Gefahr, vom "zweifachen Fluch der Überbewertung und der überhöhten Fremdkapitalfinanzierung" heimgesucht zu werden. Die historisch guten Renditen, wichtiger Teil der Wachstumsstory, könnten der Vergangenheit angehören.