Reits "Einen Pyrrhussieg errungen"

Der Weg für börsennotierte Immobiliengesellschaften ist frei. Für die Mieter geht von den so genannten Reits keine Gefahr aus, sagt Volkert Volckens. Im Interview erklärt der Experte, warum der Gesetzgeber trotzdem nacharbeiten muss, wo die Steuerfallen liegen und warum sich die Fondslobby zu Unrecht über das Gesetz empört.

mm.de: Herr Volckens, der Bundestag hat den Weg für börsennotierte Immobiliengesellschaften frei gemacht. Umstritten bleibt die Frage deutscher Wohnimmobilien. De facto sind sie für deutsche Reits tabu. Lediglich nach dem 1. Januar errichtete Wohnimmobilien dürfen in einen Reit eingebracht werden. Droht damit dem deutschen Reit ein Fehlstart?

Volckens: Der weitgehende Ausschluss deutscher Wohnimmobilien ist bedauerlich und nicht nachvollziehbar. Wenn es so wäre, dass man den Mieter dadurch schützen würde, dass auch andere marktorientierte Vermieter Wohnimmobilien nicht erwerben dürften, könnte ich das noch halbwegs nachvollziehen. Die Tatsache aber, dass jeder andere - und insbesondere auch ausländische Reits - deutsche Wohnimmobilien erwerben darf, zeigt, dass wir hier letztlich einen Pyrrhussieg errungen haben.

Immer wieder hatten Kritiker vor negativen Auswirkungen des Reit auf den deutschen Wohnungsmarkt gewarnt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Der deutsche Reit ist geradezu prädestiniert, langfristig die Qualität des Wohnens zu sichern. Insofern stellt die jetzt getroffene Regelung meiner Meinung nach sogar eine Verschlechterung für die Mieter dar.

mm.de: Verschlechterung? Das müssen sie erläutern. Erste Erfahrung von Mietern mit Finanzinvestoren im deutschen Wohnungsmarkt zeigen, dass sie vor allem ein finanzielles Interesse haben. Sie versuchen zum Beispiel, die Mieten drastisch zu erhöhen. Warum sollte dies bei Reits anders laufen?

Volckens: Weil ein Reit nicht kurzfristige Handelserfolge erzielen darf. Eine Private-Equity-Gesellschaft kann ohne weiteres heute kaufen und morgen verkaufen. Der Reit ist an Handelsgrenzen gebunden und muss in seiner Investition eher langfristig orientiert denken. Und wenn er seine Immobilien nicht hegt und pflegt, dann werden sie an Wert verlieren. Die Erfahrung im Ausland und auch die in Deutschland zeigt, dass langfristig orientierte Eigentümer für die Qualität des Wohnungsbestandes einstehen. Insofern geht vom Reit keine besondere Gefahr für die Mieter aus.

mm.de: Nochmal nachgehakt, droht dem deutschen Reit ein Fehlstart?

Volckens: Nun darf zwar der deutsche Reit deutsche Wohnungen nicht erwerben, und der französische Reit zum Beispiel darf es. Aber damit droht dem ganzen Projekt nicht gleich ein Fehlstart. Wohnimmobilien sind ja nur eine Assetklasse im Immobilienmarkt. Es gibt ausreichend andere Immobilien in Deutschland, die Reit-tauglich ausgestaltet sind beziehungsweise werden können.

"Offene Fonds benötigen keine Starthilfe mehr"

mm.de: Sie erwähnten es kurz: Deutsche Reits dürfen in ausländische und Reits mit Sitz im Ausland in deutsche Wohnimmobilien investieren. Geht diese Regelung mit Europa-Recht überhaupt konform? Manche Experten haben da Zweifel.

Volckens: Dass wir dem deutschen Reit verbieten, in deutsche Wohnimmobilien zu investieren, ist eine so genannte Inländerdiskriminierung. Inländerdiskriminierungen sind europarechtlich unproblematisch.

mm.de: Wäre es nicht ein Leichtes für deutsche Gesellschaften, ihren Sitz ins Ausland zu verlagern, etwa nach Luxemburg, um so deutsche Wohnimmobilien doch noch ins Portfolio zu bekommen?

Volckens: Absolut, das ist möglich. Aber dann genießen diese Unternehmen hier keinen Reitstatus. Dieser wird nur gewährt, wenn das Unternehmen seinen Sitz auch in Deutschland hat.

mm.de: Die Haltefrist für Immobilien, die ein Konzern im Zuge der so genannten Exit-Tax-Regelung steuerbegünstigt an einen Reit verkaufen kann, wurde von zehn auf fünf Jahre verkürzt. Das heißt, Unternehmen könnten sich schneller von ihren Immobilien trennen und schneller stille Reserven heben. Werden sie es auch tun?

Volckens: Mit Sicherheit ist es ein Vorteil, dass die Reits-Einführung mit einer begrenzten steuerlichen Privilegierung bei der Übertragung von Immobilienbesitz zusammenfällt. Ein potentieller Verkäufer könnte dadurch eher motiviert sein, Immobilien, die er langfristig hält, abzugeben und damit Kapital für das eigentliche Kerngeschäft freizusetzen. Es also dort investieren, wo es besser aufgehoben ist.

Ob die Exit Tax in ihrer Höhe ausreicht, den Unternehmer tatsächlich zum Verkauf zu bewegen, wird die Zeit zeigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass immerhin noch die Hälfte der Differenz zwischen dem Buch- und dem Marktwert der Immobilie der Besteuerung unterliegt. Zudem fällt im Rahmen von Übertragungen zusätzlich noch Grunderwerbsteuer an. Die Exit Tax hier zu Lande ist im internationalen Vergleich also nicht gerade niedrig.

mm.de: Die Regelung für die Exit Tax gilt nur für Reits und nicht mehr für offene Immobilienfonds. Die Fondsbranche ist empört, zu Recht?

Volckens: Nein. Dass zunächst auch die offenen Fonds in die Regelung einbezogen wurden, konnte nicht überzeugend begründet werden. Dies hat dazu geführt, dass man sie wieder herausgenommen hat. Alles andere wäre verfassungsrechtlich auch höchst problematisch gewesen.

mm.de: Sie sehen also keine Ungleichbehandlung, die der Fondsverband BVI anprangert?

Volckens: Ich sehe natürlich eine gewisse Ungleichbehandlung des Reit zu allen anderen Produkten. Aber wenn der Gesetzgeber die offenen Immobilienfonds in die Regelung aufgenommen hätte, hätte dies das Problem der Ungleichbehandlung zu den restlichen Produkten nicht gelöst sondern vielmehr verschärft. Wie bitte sehr hätte man denn begründen sollen, dass beispielsweise reguläre - also nicht mit dem Reitstatus versehene börsennotierte Immobiliengesellschaften oder auch geschlossene Fonds - nicht in den Genuss kommen sollen, dem verkaufenden Unternehmen die Exit Tax anzubieten? Im übrigen benötigen deutsche offene Immobilienfonds sicherlich keine steuerlichen Starthilfen mehr.

"Exit Tax für Reits nicht entscheidend"

mm.de: Einige Konzerne in Deutschland verfügen über ein milliardenschweres Immobilienvermögen. Was könnte sie daran hindern, selbst Reits aufzulegen?

Volckens: Ich bin überzeugt, dass es Unternehmen gibt, die über eine starke eigene Immobilien-Expertise verfügen und deshalb überlegen, eigene Reits aufzusetzen. Sie werden nach einer optimalen Verwertungsoption für den eigenen Grundbesitz suchen, der Reit ist dabei aber nur eine Option.

mm.de: Mit Blick auf die freizügigere Reits-Praxis im Ausland fordern Vertreter von Banken und Immobilienwirtschaft, ganz auf Haltefristen der abgebenden Unternehmen zu verzichten. Ihr Argument: Die aufkaufenden Reits selbst hielten ohnehin die Immobilien eher langfristig. Teilen Sie diese Einschätzung?

Volckens: Dass im Rahmen der Exit Tax eine Mindesthaltefrist für Immobilienbestände normiert wurde, kann man bedauern. Dass wir aber überhaupt eine steuerliche Privilegierung haben, sollten wir durchaus positiv werten.

Nach meiner Überzeugung ist die Exit Tax für den Erfolg des deutschen Reit nicht entscheidend. Dieser Steuervorteil wird in drei Jahren ohnehin wieder entfallen und der Reit wird sich ohne diese Privilegierung am Markt behaupten müssen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Exit Tax bereits vor drei Jahren unabhängig vom Reit diskutiert worden war, um generell die Immobilienlastigkeit deutscher Unternehmen zu reduzieren. Dass diese steuerliche Privilegierung jetzt mit der Reit-Gesetzgebung zusammenfällt und für den Reit als Starthilfe genutzt wird, ist zu begrüßen, aber nicht lebensnotwendig für den Reit in der zeitlichen Gesamtbetrachtung.

mm.de: Das erweckt ein wenig den Eindruck, als würden sich Reits wie selbstverständlich ihren Weg auch ohne das Steuerprivileg der Immobilien verkaufenden Unternehmen bahnen. Diese Sichtweise scheint mir ein wenig opportunistisch.

Volckens: Nein, ganz im Gegenteil. Ich glaube sogar, dass die ersten Reits völlig ohne die Nutzung der Exit Tax gegründet werden. Nämlich junge Portfolien, die neu zusammengestellt, mit einem Management versehen an die Börse kommen. Das werden die Reits der ersten Stunde sein.

mm.de: Auch Reits genießen Steuerprivilegen. Sie müssen mindestens 90 Prozent ihrer Gewinne ausschütten und zahlen dafür keine Unternehmenssteuern. Auf Anlegerebene aber greift der Fiskus dann - im Gegensatz etwa zu einem Investment in eine normale Immobilien AG - voll zu. Halten Sie diese Regelung für durchdacht?

Volckens: Selbstverständlich, man hat dieses geschlossene System ja über Jahre hinweg entwickelt und diskutiert. Es war von Anfang an der Wunsch, dass ein Reit kein Steuersparmodell werden solle. Die Befreiung von den Unternehmenssteuern wird deshalb dadurch kompensiert, dass eben auf Anlegerebene voll besteuert wird. Einzelne ärgerliche gewerbesteuerliche Verwerfungen einmal ausgeblendet, führt diese Kompensation dazu, dass man am Ende wieder die nahezu gleiche Steuerlast hat.

"Dann haben wir eine echte Doppelbesteuerung"

mm.de: Warum sollte ein Anleger dann eigentlich in Reits investieren?

Volckens: Der Anleger sollte nicht allein in einen Reit investieren, um steuereffizient eine Immobilienanlage zu halten. Er investiert vielmehr in eine Anlageform, die sich durch Transparenz, Fungibilität und Liquidität der Aktie und durch ein genaues Beschreiben ihres Wertes aufgrund der Notierung an einer Börse auszeichnet. Zudem erhält der Anleger aufgrund gesetzlicher Verpflichtung eine hohe Ausschüttung.

Daneben ist es allerdings für den ausländischen Anleger unzweifelhaft viel steuereffizienter, in einen Reit als in eine herkömmliche Immobilien-Aktiengesellschaft mit Besteuerung auf Unternehmensebene zu investieren.

mm.de: Kritiker halten dagegen, ein Reits-Investment brächte vielen Anlegern sogar handfeste steuerliche Nachteile. Vor allem, wenn der Reit stark in ausländische Immobilien investiert, weil sich dann regelmäßig eine Doppelbesteuerung ergebe. Stimmt das?

Volckens: Ich teile diese Kritik durchaus. Wenn wir Erträge, die bereits im Ausland oder auf Ebene der Reit-Dienstleistungsgesellschaften besteuert wurden, in Deutschland ohne Anwendung etwa des Halbeinkünfteverfahrens an den Anleger weiterreichen, haben wir eine echte Doppelbesteuerung. Es ist deshalb jetzt eine Lösung zu erarbeiten, um eben diese Doppelbesteuerung zu vermeiden.

mm.de: Sie rechnen also mit Nachbesserungen?

Volckens: Bei der Frage der Doppelbesteuerung beziehungsweise steuerlichen Überbelastung bereits versteuerter Ausschüttungsbestandteile rechne ich mit einer Nachbesserung noch in diesem Jahr.

mm.de: Sie sind Kenner des US-amerikanischen Reit-Marktes. Dort warnen Kritiker angesichts der immensen Kurszuwächse dieser Papiere in der Vergangenheit bereits vor einer "Reit-Blase". Verstärkt trennen sich institutionelle Investoren von großen Aktienpaketen, die sie in der Niedrigzinsphase auf Pump gekauft haben. Jetzt, wo die Zinsen gestiegen sind, scheint die Rechnung nicht mehr aufzugehen, liegen Zins und Tilgung über den Dividendenrenditen dieser Papiere. Erste Reits wurden bereits von der Börse genommen. Kommt der deutsche Reit womöglich viel zu spät?

Volckens: Mit Blick auf den Immobilienzyklus wäre es sicherlich von Vorteil gewesen, wenn Reits früher hätten in Deutschland starten können. Aber der Reit ist kein Produkt, das nur für wenige Jahre an den Markt kommt, sondern hoffentlich eine dauerhafte Erfolgsstory schreiben wird. Sicher, der Blick auf den deutschen Markt zeigt uns derzeit sehr hohe Immobilienwerte, viel höher als sie noch vor zwei oder drei Jahren waren. Für die Immobilienunternehmen ist es derzeit damit besonders teuer, sich in einen Reit zu wandeln. Insofern ist es schon bedauerlich, dass wir mehr als drei Jahre für die Reits-Gesetzgebung gebraucht haben.

Die aktuelle Marktsituation aber als Argument gegen ein Produkt zu richten, das wir auf alle Zeit einführen wollen, trägt meiner Meinung nach nicht. Der Anleger wird wissen, wo und wann er sich in diese Asset-Klasse begeben wird. Und er wird sehr genau beobachten, wo Über- oder Unterbewertungen am Markt existieren.

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