Abgeltungsteuer "Ausdauer mit Steuerbescheid quittiert"
mm.de: Wie wird sich die Abgeltungsteuer ab 2009 voraussichtlich auf langjährige Fondssparpläne auswirken?
Seip: Würde die Abgeltungsteuer auch langfristige Wertzuwächse erfassen, könnte dies Aktien- oder Aktienfondsinvestments hart treffen. Ein durchschnittlicher Aktienfondssparplan mit 100 Euro Monatseinzahlung kann nach 30 Jahren ein Endvermögen von rund 150.000 Euro erreichen: Diese Kalkulation mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von rund 8 Prozent ist kein Wunschdenken, sondern stützt sich auf stabile Ablaufergebnisse der vergangenen Jahrzehnte. Die Auszahlung dieser Summe ist nach heutigem Recht steuerfrei.
mm.de: Die Steuerfreiheit auf die Anlageerträge fällt jedoch, wenn es bei den aktuellen Eckpunkten zur Abgeltungsteuer bleibt. Dann müssten nicht nur wie in Ihrem Beispiel die Sparbeiträge in Höhe von insgesamt 36.000 Euro aus versteuertem Einkommen bezahlt werden. Auf den Wertzuwachs des Investments käme außerdem eine Steuerlast in Höhe von 25 Prozent hinzu.
Seip: In der Tat. Bei einer Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent auf den Wertzuwachs in Höhe von 114.000 Euro plus Kirchensteuer plus Solidaritätszuschlag würde das Durchhaltevermögen des Anlegers mit einem Steuerbescheid über 32.000 Euro quittiert werden. Dies würde die Bereitschaft der Bürger zu ergänzender Vorsorge deutlich dämpfen.
mm.de: Die geplante Abgeltungsteuer könnte sich auch auf bereits laufende Sparpläne auswirken: Die dafür fälligen monatlichen Sparbeiträge ab 2009 könnten ebenfalls als Neufälle gewertet und die Erträge daraus entsprechend besteuert werden. Damit fiele ein Teil der Einzahlungen noch unter das alte Recht, Einzahlungen ab 2009 würden dagegen steuerlich stärker belastet. Die Altersvorsorge mit Fondssparplänen würde bei diesem Szenario nicht eben übersichtlicher.
Seip: Wir setzen uns dafür ein, dass durch die Abgeltungsteuer die Motivation der Bevölkerung zu eigenständiger Altersvorsorge nicht gebremst wird. Deshalb darf eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei langfristigem Altersvorsorgesparen nicht eingeführt werden. Zumindest muss es einen Unterschied zwischen kurzfristigem und langfristigem Sparen geben.
"Kein Grund, in Riester-Fonds zu wechseln"
mm.de: Sogenannte Riester-Sparpläne der staatlich geförderten Altersvorsorge bleiben von der Abgeltungsteuer verschont. Wird damit das Riester-Sparen dem klassischen Fondssparen den Rang ablaufen?
Seip: Staatlich geförderte Altersvorsorge und private. ergänzende Vorsorge aus schon versteuertem Einkommen werden schon jetzt unterschiedlich behandelt. Riester-Produkte werden nachgelagert besteuert, also mit einer Besteuerung der ausgezahlten Rente. Daran wird auch eine Abgeltungsteuer nichts ändern.
Wir rechnen aber nicht damit, dass Anleger Fondssparpläne wegen der Einführung einer Abgeltungsteuer verkaufen oder in Riester-Fonds wechseln werden. Dafür wird es auch keinen Grund geben, denn die Abgeltungsteuer kann nicht rückwirkend eingeführt werden. Für Investments und Sparpläne, die vor 2009 abgeschlossen werden, muss es bei den bisherigen Steuerregeln bleiben.
mm.de: Aber Sparern, die ab Januar 2009 in Aktien oder Aktienfonds investieren werden, drohen deutliche Nachteile. Wie könnte man ab 2009 eine Chancengleichheit zwischen klassischen Fondssparplänen und Riester-Investments herstellen?
Seip: Chancengleichheit halten wir insoweit nicht für nötig. Wenn der Staat Riester-Verträge besonders fördert, ist das in Ordnung, weil es dem Ziel dient, die Bürger vor Altersarmut zu bewahren. Das bedeutet aber nicht, dass die Bedingungen für Altersvorsorgesparen außerhalb des geförderten Bereichs verschlechtert werden dürfen.
Es ist nämlich keineswegs selbstverständlich, mit der Abgeltungsteuer auch Wertzuwächse zu erfassen. Im Gegenteil, international verbreitet ist eine Abgeltungsteuer nur auf Dividenden und Zinsen.
Sollten Wertzuwächse dennoch künftig von einer Abgeltungsteuer erfasst werden, sind wir überzeugt, mit unserem Anliegen auf offene Ohren zu stoßen, für das Altersvorsorgesparen eine sachgerechte Lösung zu finden.
Wie Schweiz, England und Frankreich es mit Sparern halten
mm.de: Wie könnte eine solche Lösung aussehen?
Seip: In europäischen Nachbarländern sind langfristige Wertzuwächse entweder steuerfrei, wie etwa in der Schweiz oder in Österreich, oder sie unterliegen einem ermäßigten Steuersatz. Auch Staffellösungen wie etwa in England, bei denen mit längerer Haltedauer die Steuerlast absinkt, sind eine Überlegung wert.
In Großbritannien gibt es zunächst einen jährlichen Freibetrag von rund 12.000 Euro. Darüber hinausgehende Kursgewinne unterliegen bei einer Haltedauer von bis zu einem Jahr dem persönlichen Einkommensteuersatz, bei einer Haltedauer von ein bis zwei Jahren wird nur noch die Hälfte des Gewinns mit dem persönlichen Steuersatz besteuert. Bei einer Haltedauer von mehr als zwei Jahren muss ein Anleger nur noch ein Viertel des Gewinns mit seinem persönlichen Steuersatz versteuern.
Der Abgeltungsteuersatz auf Kursgewinne liegt in Frankreich nach zwei Jahren bei nur noch 16 Prozent, nach fünf Jahren sind Gewinne auch dort steuerfrei. In Italien werden Veräußerungsgewinne generell mit lediglich 12,5 Prozent versteuert.
mm.de: Welche Anlageprodukte werden nach Ihrer Einschätzung die Gewinner der Abgeltungsteuerregelung sein? Welche Produkte sind die Verlierer?
Seip: Gewinner werden alle Produkte sein, die auch ohne echte oder vermeintliche Steuervorteile attraktiv sind. Und das ist gut so.
Kein Anleger sollte aus steuerlichen Gründen in bestimmte Produkte investieren, sondern die Anlageinstrumente wählen, die für ihn unter den Gesichtspunkten von Rendite und Risiko am besten geeignet sind.