Die gute Nachricht ist raus, Anleger streichen die Gewinne ein. Doch SAP dürfte schon in naher Zukunft erneut mit positiven Meldungen aufwarten, sagen Analysten. Dann könnten sich die jüngsten Gewinnmitnahmen als Fehler erweisen.
Hamburg - "Buy on rumours, sell on facts." Wenn es in der jüngsten Vergangenheit eines Beispiels bedurft hätte, dass Aktienkurse mitunter auch so genannten Börsenweisheiten folgen können, SAP wäre so ein Fall. Der Kursverlauf seit vergangenem Mittwoch macht jedenfalls aufmerksam.
Bei knapp 153 Euro war die Aktie des Softwareherstellers am Dienstag, 3. Januar, aus dem Handel gegangen. Getragen von Gerüchten (rumours), SAP werde seine Geschäftszahlen früher vorlegen, zog der Kurs in den folgenden Handelstagen deutlich an. Beflügelt wurde der Titel auch von der Nachricht, dass Großaktionär Hasso Plattner seine Beteiligung an dem Konzern aufgestockt hatte. Noch während des Handelsverlaufs am vergangenen Montag zogen spekulative Investoren den Titel schließlich auf knapp 162 Euro hoch. Diese Marke erreichte die Aktie erneut am Dienstagnachmittag kurz nach Bekanntgabe der vorläufigen Zahlen. Seitdem heißt es "sell on good news".
Am Mittwoch rutschte die SAP-Aktie zeitweilig um mehr als 2 Prozent auf bis zu 152,71 Euro ab. "Der Markt quittiert die guten Zahlen mit Gewinnmitnahmen", sagt Thomas Hofmann von der Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP). War's das? Eher nicht, glaubt der LRP-Analyst. Denn noch habe SAP nicht "das ganze Pulver verschossen", meint der LRP-Experte.
Zum einem werde der Konzern vermutlich eine höhere Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr ankündigen. Hofmann rechnet hier mit 1,30 Euro für das abgelaufene Geschäftsjahr nach 1,10 Euro zuvor. Zum anderen erwartet der Analyst mit Bekanntgabe der endgültigen Geschäftszahlen am 25. Januar auch einen guten Geschäftsausblick auf das Jahr 2006. Bislang hat sich der Softwarekonzern noch nicht zu seinen Perspektiven geäußert.
Ähnlich wie andere Analysten rechnet auch LRP-Experte Hofmann mit einem starken Geschäftsjahr 2006. Unter dem Strich erwartet er ein Umsatzplus von rund 12 Prozent auf insgesamt 9,5 Milliarden Euro. Den Gewinn je SAP-Aktie sieht er bei 5,55 Euro nach voraussichtlich 4,76 Euro im vergangenen Jahr. "Sollte das Management diese Prognosen in etwa bestätigen, könnten sich die jüngsten Gewinnmitnahmen als verfrüht erweisen", sagt Hofmann.
Was den Aktienkurs noch treiben könnte
Was den Aktienkurs noch treiben könnte
Weitere Impulse für den Aktienkurs erwartet der LRP-Analyst im Vorfeld des bereits angekündigten Aktiensplits. Zwar habe ein Aktiensplit keinen Einfluss auf die Bewertungsrelation. Gleichwohl habe die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass die Aussicht auf eine "optisch billigere" Aktie Anleger zum Kauf veranlasst habe.
Schließlich stelle sich die Frage, wie SAP mit seinem anhaltend hohen Cashflow umgehen werde. Die Nettoliquidität des Softwarekonzerns werde trotz hoher Investitionen auch in diesem Jahr die Milliardengrenze überschreiten, schätzt Hofmann. "Es würde mich deshalb nicht verwundern, wenn SAP sein Aktienrückkaufprogramm in diesem Jahr ausweitet, was sich dann positiv auf den Aktienkurs auswirken sollte."
Kursziele zwischen 170 und 200 Euro
Gleichwohl bleibt der Analyst in seiner Gesamteinschätzung für den Titel eher zurückhaltend. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 28,2 auf Basis der geschätzten Gewinne in 2006 sei die Aktie im Verhältnis vor allem zu US-Konkurrenten wie Oracle bereits "relativ hoch bewertet". Insofern traut Hofmann dem Titel auf längere Sicht lediglich eine marktkonforme Entwicklung zu und stuft ihn als "Marketperformer" ein. Das Kursziel sieht er Ende dieses Jahres bei 170 Euro. Rund 200 Euro trauen jeweils die Experten von J.P. Morgan und der Citigroup dem Titel zu. Citigroup bleibt bei seiner Kaufempfehlung, J.P. Morgan hat die Einstufung "Übergewichten" bestätigt.
"Was Oracle auch macht, SAP profitiert davon"
Auf dem heiß umkämpften US-Markt hat SAP im vergangenen Quartal erneut von der Verunsicherung der Kunden infolge der aggressiven Akquisitionsstrategie des Konkurrenten Oracle profitieren können und seinen Marktanteil weiter ausgebaut. Daran werde sich auch im laufenden Jahr nichts ändern, meint Hofmann, wobei die US-Wachstumsraten künftig unter den zuletzt erzielten 35 Prozent liegen dürften. "Was Oracle auch macht, SAP scheint immer davon zu profitieren", sagt Hofmann.
Für die weiteren Geschäftsperspektiven in den USA dürfte mit entscheidend sein, wie die amerikanischen Kunden die Softwareplattform "Netweaver" annehmen werden. Komme das Produkt gut an, werde SAP auch im Jahr 2006 auf diesem Markt an zweistellige Wachstumsraten anknüpfen können. Selbst wenn Oracle-Chef Larry Ellison den US-Konkurrenten Siebel Systems wie angekündigt übernehmen sollte, dürfte SAP weiter die Nase vorn haben. "Die Weltmarktführerschaft für Unternehmenssoftware wird ihnen keiner so schnell nehmen können", ist der LRP-Analyst überzeugt.