Versicherungen Wenn der Vertreter zweimal klingelt
Hamburg - "Gut Ding braucht Weile", heißt es im Volksmund. Besondere Geltung verschafft derzeit die deutsche Ministerialbürokratie dem Sprichwort. Seit gut einem Jahr warten Verbraucher und Versicherungswirtschaft in Deutschland darauf, dass die EU-Versicherungsvermittler-Richtlinie nationales Recht wird. Doch im Gegensatz zu anderen Ländern, wo die Richtlinie längst umgesetzt ist, kommt das federführende Bundeswirtschaftsministerium hier zu Lande "nicht aus dem Quark", merken kritische Beobachter an.
Ende November vergangenen Jahres signalisierte das Ministerium, die Umsetzung der Richtlinie könne nun endlich in der zweiten Jahreshälfte 2006 erfolgen. Selbst da haben Experten aber Zweifel. Hans-Peter Schwintowski zum Beispiel, Rechtsprofessor an der Humboldt-Universität Berlin, rechnet erst im Sommer 2007 damit.
Es geht um viel - für die Verbraucher um mehr Transparenz und Schutz. Für viele der rund 410.000 Versicherungsvermittler in Deutschland geht es um ihr Zubrot, im Zweifelsfall gar um die Existenz.
Denn wird die Richtlinie nationales Recht, werden die Anforderungen an die Vermittler steigen. Benötigten sie in der Vergangenheit noch nicht einmal einen Gewerbeschein für ihre Tätigkeit, müssen sie künftig Qualifikationszertifikate erwerben und nachweisen. Sie sind dann gegenüber dem Kunden nicht nur zur Selbstauskunft verpflichtet, sondern müssen ihre Arbeit und das Beratungsgespräch auch genau dokumentieren. Das kostet Zeit und bringt viel Papierkram mit sich. Nicht zuletzt können die Vermittler für Vermögensschäden durch Falschberatung haftbar gemacht werden.
Dem Feierabend-Vermittler droht das Aus
Diese erhöhten Anforderungen könnten vor allem viele jener Versicherungsvermittler treffen, die ihrer Tätigkeit im Nebenerwerb nachgehen, nach Branchenschätzungen sind das rund 320.000. Diese Heerscharen von Versicherungsvertretern werden künftig sehr genau rechnen müssen, ob sich der bürokratische Aufwand für sie lohnt, ob sie sich ständig fortbilden und schließlich auch persönlich haften wollen. Viele dieser Teilzeitkräfte werden den Verkauf von Policen nach Feierabend oder am Wochenende einstellen und den Job aufgeben, heißt es in der Branche.
Ein Ziel der Richtlinie ist es, die Beratungsqualität zu verbessern. Hinter vorgehaltener Hand heißt es auch, die neue Verodnung könne dazu beitragen, windige und unaqualifizierte Versicherungsvertreter auszusortieren. Die meisten Vermittler in Deutschland haben über das Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) eine 220-stündige "Ausbildung" absolviert und dürfen sich "Versicherungsfachmann BWV" nennen. Das soll künftig Mindeststandard sein.
Kritiker zweifeln aber, ob das ausreicht. Denn die Qualifikationsnachweise, die in der Vergangenheit mitunter "wie Persilscheine" ausgestellt worden seien, hätten eine "enorm hohe Fluktuation" unter den Vertretern nicht verhindern können, sagt ein Insider im Gespräch mit manager-magazin.de. Im Klartext: Der Kunde konnte und kann sich im Grunde also nie sicher sein, welche Qualifikation sein Gegenüber eigentlich hat.
Provision, Provision, Provision
Was Cash bringt, wird verkauft
Zugleich monieren Kritiker einen "Geburtsfehler" der Richtlinie, sollte sie denn eins zu eins umgesetzt werden: Die Zeit, die ein Vermittler für Beratung und Information seiner Kunden aufwendet, dürfte auch künftig erheblich davon abhängen, wie hoch seine Provision bei Vertragsabschluss ausfällt. Verkauft er eine private Krankenversicherung oder Lebensversicherung, können das einige tausend Euro sein. Schlägt der Vermittler eine private Haftpflichtversicherung los, streicht er dagegen nicht einmal 100 Euro ein.
"Die meisten Vermittler werden ihre Energie weiter auf die lukrativen Policen konzentrieren", befürchtet ein Verbraucherschützer. Der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vom Dezember 2004 zu einer Verordnung über die Versicherungsvermittlung lade geradewegs zu diesem Verhalten ein, sagt er. Denn dem Entwurf zufolge sollen sich Beratungs- und Dokumentationspflichten des Vermittlers an der Höhe seiner Prämie ausrichten.
Problematisch auch: Der Vermittler ist zwar verpflichtet die Wünsche seines Kunden zu erfragen. Der Entwurf fordert aber keine Risikoanalyse, sondern eine anlass- und angabenorientierte Beratung. Im Klartext: Der Vermittler muss sich nicht wirklich den Kopf darüber zerbrechen, welche Versicherung sein Kunde tatsächlich braucht und welche er sich angesichts seiner finanziellen Situation auch leisten kann.
Hilfe gegen das Dilemma
Doch wie kann sich der Verbraucher diesem Dilemma entziehen? Wie kommt er an guten Rat, wie kann er Fehler vermeiden? Als grobe Orientierung können Tipps von Verbraucherschützern und anderen unabhängigen Beratern dienen.
- Lassen Sie sich nicht von aktuellen Ereignissen in Ihrem Umfeld leiten und schließen Sie Versicherungsverträge nicht "spontan" ab. Folgen Sie möglichst nicht dem "gut gemeinten" Rat von Freunden, Verwandten und Bekannten, ihr Wissen in Versicherungsfragen ist zumeist "Halbwissen".
- Denken Sie in Ruhe und gründlich über Ihre gesamte (!) Versicherungssituation nach. Am Anfang sollte die Frage stehen, welches die größten Risiken sind, die Sie und Ihre Familie existentiell bedrohen können. Typische Großrisiken sind zum Beispiel Invalidität und die daraus resultierende Unfähigkeit, Arbeitseinkommen zu erzielen sowie das Risiko, schadensersatzpflichtig ("haftpflichtig") zu werden.
- Sind diese Risiken abgedeckt, sollte man über die Abdeckung kleinerer Risiken nachdenken. Dass es in Deutschland mehr Hausratversicherungen als Haftpflichtpolicen gibt, kann nicht der Maßstab sein. Gerade Haftpflichtrisiken können Sie und Ihre Familie lebenslang ruinieren.
- Hilfestellung bei der Ermittlung Ihres Versicherungsbedarf kann die Verbrauchzentrale vor Ort aber auch ein neutraler, gerichtlich zugelassener Versicherungsberater geben. Diese unabhängige Beratung ist kostenpflichtig.
- "Aufräumen" vor dem Gang zum Experten: Sie ermitteln Ihre Versorgungsansprüche (z.B. aus gesetzlicher Rentenversicherung über eine Rentenauskunft) und stellen diese zusammen. Mitbringen sollten Sie auch: Einkommensdaten, den letzten Steuerbescheid, den Beitrag zur Krankenversicherung, einen gut geführten Ordner mit dem aktuellen Stand bestehender Versicherungen, mögliche Ansparverträge und Angaben über Schulden. Das ist viel - aber die Beratung fällt dem Experten damit um so leichter.
Lohnt der Weg zum Versicherungsmakler?
Die wenigsten wollen sich voll offenbaren
Diese empfohlene Offenheit gegenüber einem unabhängigen Berater ist für viele Bürger ein Problem. Gut zwei Drittel der Verbraucher seien nicht dazu bereit, berichten Verbraucherschützer. Dennoch: Die gründliche "Inventur" des Versicherungsbestandes und die Analyse nötiger Absicherungen mit Rücksicht auf die persönlichen Finanzen seien der beste Garant für eine gute Beratung, "die auch passt". Andernfalls laufe der Verbraucher Gefahr, zu hohe Beiträge zu zahlen oder sein Geld in unrentablen Verträgen mit einem zu hohen Verlustrisiko anzusparen.
Nun bieten nicht nur Verbraucherzentralen und unabhängige Versicherungsberater qualifizierten Rat. Auch Versicherungsmakler können längst solche "Haushaltsanalysen" für ihre Kunden erstellen. Rechtlich gesehen stehen sie im Lager des Versicherungsnehmers, sagen Verbraucherschützer. Dagegen seien Angestellte von Versicherern oder Generalagenten in der Regel eben Verkäufer des Versicherers.
Allen Vermittlern gemeinsam sei jedoch, dass sie für ihre Tätigkeit Erfolgshonorare von Versicherern erhalten. Daher bestehe selbst bei Maklern die Gefahr, dass deren Empfehlungen sich danach richten, wo es am meisten Abschlussprovision beziehungsweise "Courtage" zu verdienen gibt, sagen Verbraucherschützer. Gleichwohl machen sie sich dafür stark, dass auch Versicherungsmakler ihre Kunden gegen Honorar beraten dürfen. Denn ihnen trauen Verbraucherschützer offenbar eine kompetentere Kundenberatung zu als ein "Teilzeit-Vermittler" sie leisten könne.
Was einen "professionellen" Makler ausmacht
Doch woran erkennt der Kunde einen professionellen Makler, worauf sollte er grundsätzlich achten, wenn er mit ihm in Verbindung tritt? "Anzeichen für die Professionalität" eines Maklers sehen Verbraucherschützer zum Beispiel in der einfachen Tatsache, dass er einem namhaften Berufsverband (zum Beispiel VDVM) angehört. Er sollte eine langjährige Berufserfahrung und eine Berufsausbildung (zum Beispiel Versicherungskaufmann, Versicherungsfachwirt) im Versicherungssektor vorweisen können.
Professionelle Makler arbeiteten in der Praxis mit Computer-Vergleichsprogrammen und beteten selbstverständlich nicht nur Informationen eines Anbieters herunter. Wie jeder andere Versicherungsvermittler eigentlich auch, sollte ein Makler seinem Kunden plausibel erklären können, warum eine bestimmte Versicherung, ein bestimmtes Produkt für ihn persönlich sinnvoll ist.
Der Kunde sollte sich nicht scheuen, das Beratungsgespräch ganz offen mitzuschneiden, nicht zuletzt um es später in Ruhe zu rekapitulieren. Ein seriöser Versicherungsmakler sollte dagegen keine Einwände erheben, wie er seinen Kunden auch nicht zu einem Abschluss drängt, sondern ihm die Zeit lässt, die er für seine Entscheidung braucht.
"Echter" oder "unechter" Makler?
Beim Abschluss über Makler drohe dem Versicherungsnehmer grundsätzlich Gefahr aus der Rechtsstellung des Maklers im Verhältnis zum Versicherer. Denn der Makler ist "Geschäftsbesorger" des Versicherungsnehmers. Der Versicherer müsse für das Beratungsverschulden des "echten" Maklers nicht einstehen, erklären Verbraucherschützer. Die Ausnahme: Der Makler wird vom Versicherer mit Aufgaben betraut, was darauf schließen ließe, dass der Makler gar kein "echter" Makler, sondern in Wirklichkeit ein Agent des Versicherers sei. Hinweise darauf könnten sich ergeben, wenn im Versicherungsschein oder der Verbraucherinformation der "Makler" lediglich als Betreuer oder Ansprechpartner des Versicherers benannt wird.
Jeder Kunde sollte sich vor diesem Hintergrund davon überzeugen, ob der Makler eine ausreichend hohe Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, damit Schadenersatzansprüche nach möglichen Beratungsfehlern gegen ihn abgedeckt sind, erklären Verbraucherschützer im Gespräch mit manager-magazin.de.
Was tun, wenn ein Angebot vorliegt?
Was tun wenn ein Maklerangebot vorliegt?
Wem Maklerangebote vorliegen, sollte darüber hinaus folgende Punkte klären, raten Verbraucherschützer und andere unabhängige Experten:
- Soll der Verbraucher die Prämien an den Makler anstatt an den Versicherer zahlen, sollte er sicherstellen, ob er gegen die Nichtweiterleitung der Prämien geschützt ist. Kann der Makler eine Inkassovollmacht des jeweiligen Versicherers nachweisen? Bei bestehender Vollmacht gilt die Prämie gegenüber dem Versicherer als gezahlt, wenn sie beim Makler eingegangen ist.
- Aufpassen sollte der Kunde, falls der Versicherer dem Makler keine Inkassovollmacht erteilt hat, der Verbraucher aber trotzdem die Prämien an den Makler zahlen soll.
- Der Kunde sollte darauf achten, dass er bei jedem mit dem Makler abgeschlossenen Versicherungsvertrag eine Deckungszusage des Versicherers erhält. Oder er sollte sich die entsprechende von einem Versicherer ausgestellte Deckungsvollmacht zeigen lassen, wenn der Makler dem Kunden gegenüber eine Deckungszusage gibt.
- Ein "ordentlich arbeitender Makler" schließt zunächst einen Vertrag mit seinem Kunden ab, sagen Verbraucherschützer. Dieser Vertrag verpflichtet den Makler, für den Kunden tätig zu sein und berechtigt ihn, Willenserklärungen für seinen Kunden abzugeben. Ist der Verbraucher der Meinung, dass die mit dem Vertrag eingeräumte Vertretungsmacht des Maklers ihm zu weit geht, sollte er den Kontrakt nicht unterschreiben. Eine längere Vertragsdauer als ein Jahr, sollte der Kunde nicht akzeptieren, lautet der Rat unabhängiger Experten.