Mit bis zu 40 Börsengängen rechnen Finanzexperten in diesem Jahr. Unter den Kandidaten finden sich klangvolle Namen. Und das fulminante Debüt der Nanotechfirma Neosino macht klar: Das Klima für Neuemissionen ist viel versprechend so lange die Anleger wissen, was sie tun.
Frankfurt am Main - Für die Firmengründer war es ein phänomenaler Einstand, bei den Börsianern steigerte es die Goldgräberstimmung. Der winzigen Nanotechnologiefirma Neosino gelang gleich am dritten Handelstag des Jahres ein spektakuläres Börsendebüt. Ausgegeben zu 55,55 Euro, schossen die Aktien des hessischen Unternehmens am Mittwoch binnen weniger Stunden auf bis zu 94,99 Euro - ein Zeichnungsgewinn von rund 71 Prozent. Und am Donnerstag ging es für die Papiere noch einmal um ein Drittel auf 124,40 Euro nach oben.
Der erste Börsengang des Jahres - gleich ein Riesenerfolg. Auch wenn Neosino mit einem Jahresumsatz von zuletzt 700.000 Euro ein denkbar kleines Licht an der Börse ist und seine 50.000 Anteile auch nur einem kleinen, zuvor ausgewählten Kreis von Investoren zugänglich machte: Angesichts einer Kursentwicklung wie zu den Jubelzeiten des Neuen Marktes sehen sich die Börsianer bestätigt: Der deutsche Emissionsmarkt, so die einhellige Meinung, boomt wie seit Jahren nicht mehr.
War 2005 bereits ein glänzendes Börsenjahr, werde das Klima für Debütanten 2006 noch besser, hoffen Händler und Emissionsbanken. Bis zu 40 Börsengänge erwarten die Finanzmarktexperten, die Mehrheit davon im geregelten Markt. 2005 waren es immerhin 14.
Zu einem Zugpferd entwickelt sich dabei offenbar auch der erst im vergangenen Herbst von der Deutschen Börse eingeführte "Entry Standard", der IPO-willige Mittelständler mit einfacheren Zulassungsbedingungen ködert. Bereits zum Jahreswechsel waren dort 21 Unternehmen notiert - auch Debütant Neosino hat sich dort listen lassen.
Nach Ansicht der Börsenexperten dürften auch weiterhin vor allem kleine und mittlere Unternehmen den Weg an den Kapitalmarkt wagen. "Ein richtiger Eisbrecher wie im vergangen Jahr die Deutsche Postbank ist jedoch nicht zu erwarten", sagt ein Aktienhändler. "Die Deutsche Bahn etwa lässt noch auf sich warten."
Dennoch finden sich unter den möglichen Börsenkandidaten klangvolle Namen: "Wenn der Markt gut läuft, könnte ich mir vorstellen, dass auch ein paar größere und interessante Unternehmen wie Wacker Chemie, Kabel Deutschland oder Cognis am Start sind", sagt Stefan Schmielewski vom Düsseldorfer Brokerhaus Lang & Schwarz.
Energie-, Chemie-, Technologietitel
Energie-, Chemie-, Technologietitel
Auf der Watchlist der IPO-Experten von "GoingPublic", tauchen auch die Fluggesellschaft Air Berlin, der Heizungsableser Ista, der Nähmaschinenhersteller Pfaff oder die Infineon-Speicherchipsparte auf. Der Anbieter von Navigationssoftware Navigon gilt als besonders heißer Kandidat. "Das Unternehmen hat eine gute Marktstellung und ein interessantes Volumen. Wenn der Preis nicht übertrieben ist, könnte dies bei den Investoren gut ankommen", sagte ein Marktteilnehmer.
Die Schwerpunkte der Emissionstätigkeit liegen bei den erneuerbaren Energien, in der Chemie- und der Technologiebranche. "Die zunehmende IPO-Tätigkeit wird nicht nur von einem Bereich, sondern von vielen Branchen getragen, was ein Zeichen für das gute Börsenklima ist", sagt Martin Hörstel von der Deutschen Bank. Vor allem die Wachstumsbranchen, in denen die Unternehmen stärkere Zuwächse verbuchten als das allgemeine Wirtschaftswachstum, böten interessante Geschäftsmodelle. "Solche Titel sind von Investoren stark nachgefragt."
Der Solarboom des vergangenen Jahres dürfte sich dabei allerdings nur gebremst fortsetzen. Mit dem Cuxhavener Unternehmen Solar², dessen IPO bereits Ende Januar ansteht, und den Konkurrenten Solarwatt und PV Crystalox Solar werden bislang nur drei Vertreter der Boombranche als Börsenkandidaten gehandelt. Ebenfalls bereits terminiert für die kommenden Wochen ist der Börsenstart der Münchener Beteiligungsgesellschaft Bavaria Industriekapital.
Wie viele Unternehmen sich am Ende tatsächlich listen lassen, hängt allerdings wesentlich von der Entwicklung des Aktienmarktes ab. "Wenn die Börse sich in den ersten drei Monaten gut entwickelt, dürfte auch die Stimmung für die Börsengänge gut sein. Sollte der Aktienmarkt jedoch nachgeben, werden sicherlich einige Unternehmen ihren Börsengang verschieben", sagt ein Händler.
Deutsche-Bank-Experte Hörstel rechnet allerdings nicht nur mit mehr sondern auch mit größeren IPOs. Im vergangenen Jahr habe das Emissionsvolumen in zwölf Fällen bei mehr als 50 Millionen Euro gelegen. "2006 rechne ich mit 20 bis 30 Neuemissionen mit einem Volumen von mindestens 50 Millionen Euro", sagt er.
Die Gier der Anleger kehrt zurück
Die Gier der Anleger kehrt zurück
Dabei muss sich die Börse mit einem starken Konkurrenten auseinandersetzen. Längst bereiten viele Eigentümer nicht mehr nur allein den Börsengang ihres Unternehmens vor, sondern verhandeln zugleich über einen Verkauf an Private-Equity-Investoren. Der Wettlauf zwischen Handelssaal und Privatinvestor könnte 2006 allerdings wieder häufiger zugunsten der Börse ausgehen.
Denn die allmählich steigenden Zinsen verteuern für Investoren die Kapitalaufnahme. Die Finanzierung einer Firmenübernahme wird dadurch erschwert, die Börse als Ausstiegsmöglichkeit für die Alteigentümer interessanter.
Vorausgesetzt, die Anleger beißen an. Seit dem Börsencrash der Jahre 2000 bis 2002 sind sie weitaus kritischer geworden. "Die Anleger werden genau hinsehen", sagt Jobst Bartmer von der LBBW. Neben dem Volumen der Emmission sei eine "spannende Story" entscheidend über den Erfolg eines Börsengangs, betont auch Lang & Schwarz- Experte Schmielewski. Die gute Stimmung an den Märkten allein sei kein Erfolgsgarant.
Ob die Anleger sich ihren kritischen Blick allerdings auch bewahren, wenn die Kurse weiter klettern, ist fraglich. "Die Risikoneigung der Investoren ist höher geworden", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" einen Bankexperten. "Wenn der Markt weiter nach oben läuft, werden Neuemissionen wieder blind gezeichnet", warnt auch ein Händler. "Dann will jeder dabei sein".