Dax-Rally 27 Prozent Gewinn sind nicht genug
Sie klingt bestechend einfach, diese schon leicht angestaubte "Dogs of the Dow" Strategie. Man kaufe jeweils zu Jahresanfang die fünf Unternehmen im Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite und verbringe den Rest des Jahres mit erfreulicheren Dingen als mit Aktienanalyse.
Langfristig, so die "Dogs of the Dow" Strategen, werde man mit Hilfe dieses nervenschonenden Rezeptes besser abschneiden als der Index. Immerhin hat diese Anlagestrategie seit Beginn der 70er Jahre eine durchschnittliche Rendite von rund zwölf Prozent pro Jahr erzielt, während der Dow Jones Index im gleichen Zeitraum gerade mal durchschnittlich acht Prozent schaffte.
Deutsche Telekom: 5 Prozent Rendite, 15 Prozent Verlust
Wer diese Strategie auf den Dax überträgt, müsste in den kommenden Tagen die fünf Top-Dividendenwerte Deutsche Telekom (aktuell rund 5 Prozent Dividendenrendite), Tui (4,5 Prozent) ThyssenKrupp (4,1 Prozent), DaimlerChrysler (3,5 Prozent) und Deutsche Post (3,4 Prozent) kaufen. Ein optimistisches Unterfangen, zumal all diese fünf Werte in diesem Jahr mit ihrer Kursperformance hinter dem Dax zurückgeblieben sind.
Die Deutsche Telekom, die bereits im Januar 2005 zu den fünf "Dogs of the Dax" gehört hatte, ist noch hinter Tui und Infineon der Titel mit der schlechtesten Performance im Dax: Was nützt dem Anleger eine hohe Dividendenrendite, wenn der Kurs der T-Aktie um rund 15 Prozent nachgibt? Wenn fallende Kurse die Dividendenrendite steigern, ist dies noch lange kein Kaufsignal.
"Ein solches mechanistisches Modell berücksichtigt lediglich das Verhältnis zwischen Kurs und gezahlter Dividende, nicht den Zustand des Unternehmens" sagt Frank Schallenberger, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg. "Die Gefahr, dass dann auch ein oder zwei faule Eier im Nest liegen, ist groß." Dennoch biete eine - etwas ausgefeiltere - Dividendenstrategie große Chancen.
DivDax lässt Dax klar hinter sich
DivDax lässt Dax klar hinter sich
Vorsichtigere Naturen blicken eher auf den "DivDax", der im März 2005 von der Deutschen Börse aufgelegt wurde. Im DivDax sind die 15 Dax-Unternehmen mit der höchsten Dividendenrendite enthalten. Der Index wird jährlich im September neu zusammengesetzt.
Im direkten Vergleich (Stichtag 21.12.) hat der DivDax mit einer Performance von 31,6 Prozent den Dax klar hinter sich gelassen.
Der Vorsprung von rund fünf Prozent bezieht sich allein auf das Jahr 2005. Ein Anleger, der zum Jahresende 2000 regelmäßig in die 15 dividendenstärksten Dax-Werte investiert hätte, stünde nach Berechnungen der LBBW trotz Börsencrash bereits wieder mit einem Plus von 25 Prozent da. Ein Anleger, der dagegen in den Dax 30 investierte, liegt trotz der Aufholjagd des Deutschen Aktienindex seit März 2003 immer noch mit rund 25 Prozent im Minus. Ein Zeichen dafür, dass dividendenstarke Unternehmen auch Schwächephasen besser überstehen.
Ein Investment in ein DivDax-Zertifikat ist außerdem günstiger, als 15 einzelne Aktien zu kaufen. Nachteil des Index: Auch er wird jährlich im September nach dem starren Modell der absoluten Dividendenrendite zusammengesetzt. Zweitens werden angekündigte Dividendenerhöhungen im DivDax nicht berücksichtigt, der Index richtet den Blick zurück.
Dividenden: Verlässliche Zahler bevorzugt
Alternative zu "Dogs of the Dax" und "DivDax": Man investiert doch Zeit, Geld und Nerven und schaut sich die Dividendenpolitik der einzelnen Unternehmen genauer an. Wichtige Kriterien sind dabei, ob die Dividende regelmäßig gezahlt und gesteigert wird und ob die Ausschüttung durch steigende Gewinne gedeckt ist. Unternehmen mit stetig steigenden Gewinnen und Ausschüttungen schonen Anleger mehr als Unternehmen wie Infineon, die in einem Jahr Rekordgewinne ausweisen und bereits im Folgejahr tief in die Verlustzone rutschen.
Sonderfall Deutsche Telekom
Sonderfall Deutsche Telekom
Im Dividendenmodell der LBBW erhalten verlässliche Dividendenzahler Sonderpunkte, auch wenn die Höhe ihrer Ausschüttung etwas bescheidener ausfällt. Die aktuellen Top 5 Dividendenwerte der Landesbank sind die Deutsche Post, Eon, BASF, ThyssenKrupp und RWE.
"Die Deutsche Telekom fällt aus verschiedenen Gründen aus unseren Top 5 heraus", erläutert Schallenberger. Der Bonner Konzern, dessen Dividende von 0,62 auf 0,75 Euro steigen dürfte, verteile zwar das meiste Geld an die Aktionäre, hat aber Probleme mit der Dividendendeckung durch die erzielten Gewinne. Außerdem hat die Telekom in der Vergangenheit die Dividende gekürzt oder gestrichen - diese Sünden sorgen auch für den Rauswurf von DaimlerChrysler aus den Top 5. Eine hohe Volatilität der Gewinne - mal Milliardengewinn, mal Minusgeschäft - schlägt außerdem negativ zu Buche.
Eon: Weihnachtsbescherung in Milliardenhöhe
Antizyklikern bleibt zumindest die Hoffnung, dass die T-Aktie im Jahr 2006 viel aufzuholen hat. Doch die Mehrzahl der Dividendenjäger hat sich in den Tagen vor Weihnachten vor allem auf die Aktie des Energieversorgers Eon gestürzt. Der Konzern hat angekündigt, den Erlös aus dem Verkauf von Degussa an RAG in Höhe von rund 3 Milliarden Euro komplett an die Aktionäre weiterzugeben: Aktionäre können zur Hauptversammlung am 5. Mai mit einer einmaligen Sonderdividende in Höhe von 4,25 Euro rechnen.
"In Deutschland werden die Dividenden künftig stärker steigen als im übrigen Europa", schätzt Schallenberger. Anleger seien nicht mehr bereit hinzunehmen, dass in Deutschland durchschnittlich ein Drittel der Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet werden, während im europäischen Ausland knapp die Hälfte der Gewinne den Shareholdern zu Gute komme.
Der Fall des ehemaligen Börsenchefs Werner Seifert, der von Hedgefonds-Manager Christopher Hohn zu einer höheren Ausschüttung gedrängt und zum Rücktritt gezwungen wurde, steckt vielen Konzernchefs noch in den Knochen und dürfte dazu führen, dass bei künftigen Dividendenzahlungen etwas tiefer in die Tasche gegriffen wird.
"Der Gedanke, Aktionäre durch hohe Gewinnbeteiligungen zu beglücken, ist in Deutschland nicht erfunden worden", sagt Schallenberger. "Doch der Druck auf die Konzernlenker wächst."
Treibstoff für den Dax
Nachholbedarf gegenüber EuroStoxx
Schließlich hat der Dax noch immer Nachholbedarf. Obwohl Dax-Unternehmen im Jahr 2006 rund 18 Milliarden Euro (zuzüglich 3 Milliarden Euro Sonderdividende durch Eon) ausschütten werden, liegt die durchschnittliche Dividendenrendite im Dax 30 bei 2,7 Prozent.
Dies sind 0,5 Prozent weniger als im EuroStoxx 50: Energie- und Ölwerte sowie die holländischen Finanzwerte ING Groep und ABN Amro treiben die Dividendenrendite des europäischen Index nach oben.
"Wer auf Dividendenwerte setzt, sollte nicht nur auf das Aufholpotenzial des Dax, sondern auch auf die hohen Ausschüttungen der Unternehmen im EuroStoxx achten", meint der LBBW-Stratege.
Dividendenpapiere oder Anleihen?
Im Vergleich zu Anleihen haben Dividendenpapiere rasant aufgeholt und an Attraktivität gewonnen. Im Jahr 1991 lag die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe noch bei rund 9 Prozent und war mehr als dreimal so hoch wie die durchschnittliche Dividendenrendite im Dax 30. Heute stehen 2,7 Prozent Dividendenrendite nur noch 3,3 Prozent Anleihenrendite gegenüber - wer auf einen Zeitraum von zehn Jahren auch nur mit bescheidenen Kurssteigerungen von Aktien rechnet, für den erscheinen Aktien heute deutlich attraktiver.
Steigende Dividenden sind zudem Treibstoff für den Dax. Die gezahlten Dividenden sind nach Berechnungen der LBBW langfristig für rund 40 Prozent der Performance verantwortlich. Anleger hätten auch im Jahr 2006 gute Chancen, mit einer Auswahl von Dividendentiteln den Dax hinter sich zu lassen: Man muss sich ja nicht allein auf die fünf "Dogs of the Dax" beschränken. Behalten die Verfechter der traditionellen Dogs-Strategie Recht, müsste zumindest die Deutsche Telekom im Jahr 2006 den Anlegern viel Freude machen.