Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat von der neuen Bundesregierung umfangreiche Reformen zur Verbesserung des Anlegerschutzes gefordert. Das größte Defizit sehen die Aktionärsschützer vor allem bei der Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten gegenüber ihren Aktionären.
Berlin/Hamburg - Anleger hätten unter der gegenwärtigen Rechtslage kaum eine Chance, Vorstände und Aufsichtsräte für entstandene Kursverluste infolge von falschen Informationen haftbar zu machen. "Hier hapert es gewaltig", sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker.
Die Investoren müssten den Managern schon vorsätzliches Verhalten oder eine "sittenwidrige Schädigung" nachweisen können. "Grobe Fahrlässigkeit" reiche nicht. In diesem Fall gingen die Anleger leer aus. Anleger-Anwälte in Deutschland fordern seit langem, dass Vorstände dafür haften sollten, wenn sie grob fahrlässig fehlerhafte Kapitalmarkt-Informationen verbreiten.
Erschwerend käme hinzu, dass der Anleger zweifelsfrei nachweisen müsse, die Aktien des Unternehmens ausschließlich aufgrund der falschen Information gekauft zu haben. "Das ist ein fast unmögliches Unterfangen", sagte der zweite DSW-Frontmann Carsten Heise.
Wie schwer es mitunter ist, vor Gericht einen Zusammenhang zwischen Falschinformation und Kaufentscheidung zu beweisen, hatte Mitte vergangenen Jahres ein Aufsehen erregendes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Fall Infomatec gezeigt. Der BGH gestand einem Investor, der drei Monate nach einer falschen Ad-hoc-Meldung Aktien des Unternehmens gekauft hatte, Schadenersatz zu. Ein zweiter Kläger, der Infomatec-Titel ein paar Monate später erworben hatte, ging dagegen leer aus. Im Ergebnis hatte das Gericht damit eine zeitliche Nähe von Falschinformation und Kaufentscheidung zur Voraussetzung für Schadenersatz interpretiert.
"Gesetzentwurf muss wieder auf den Tisch"
Der im vergangenen Jahr vorgelegte Entwurf zum Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG) hätte diese "Lücke" schließen können. Doch nach massivem Widerstand seitens der Wirtschaftsverbände sei der Entwurf erst entschärft worden und dann völlig von der Bildfläche verschwunden. Dabei sei die in dem Gesetz beschriebene so genannte Außenhaftung international längst übliches Recht, sagte Heise.
Die DSW forderte die neue Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf wieder aufzugreifen und umzusetzen. Der entscheidende Fortschritt dieser Regelung wäre nach Ansicht der Aktionärsschützer, dass damit der Nachweis der Kausalität zwischen Anlageentscheidung und Falschinformation wegfallen würde.
Ähnlich der Prospekthaftung müssten die Gerichte im Streitfall dann von einer so genannten "Anlagestimmung" ausgehen, die alle Anleger, unabhängig davon, ob sie die falsche Information selber gelesen oder gehört hätten, für sich reklamieren könnten, führte Heise weiter aus. Ob und wann die neue Bundesregierung sich des Gesetzentwurfes wieder annehmen wird, ist derzeit allerdings noch völlig unklar.
"Transparenzregeln müssen besser werden"
DSW fordert Informationen über Leerverkäufe
Darüber hinaus forderte die DSW deutlich verbesserte Transparenzregeln der Börse. Leerverkäufe oder Wertpapierleihen sollten anonymisiert einmal täglich veröffentlicht werden, damit der Anleger Kursbewegungen besser beurteilen könne. Auch dies sei in vielen anderen Staaten bereits übliche Praxis.
Zugleich mahnten die Aktionärsschützer deutlich niedrigere Meldepflichten bei Aktienkäufen an. Derzeit müssten Investoren sich dem Kapitalmarkt gegenüber erst offenbaren, wenn sie mehr als 5 Prozent an einem Unternehmen besitzen. Damit könnten sich Hedgefonds unbemerkt in Unternehmen einkaufen, kritisierte Heise. Sollten mehrere Fonds parallel und womöglich abgestimmt agieren, könnte es für das betroffene Unternehmen sogar richtig "gefährlich" werden, wie der Fall Deutsche Börse gezeigt habe. Der Verband hält deshalb eine Meldepflicht bereits bei 1,0 Prozent für sinnvoll.
Übernahmegesetz: Meldeschwelle sollte sinken
Auch die im Übernahmegesetz festgelegte Beteiligungsschwelle von 30 Prozent, ab der ein Investor den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot unterbreiten muss, ist nach Ansicht der DSW nicht mehr zeitgemäß. 30 Prozent des Kapitals seien in den meisten Fällen gar nicht nötig, um die Mehrheit auf einer Hauptversammlung zu erreichen: So seien in diesem Jahr auf den Aktionärstreffen der Dax-30-Konzerne gerade noch knapp 46 Prozent des stimmberechtigten Kapitals vertreten gewesen. Der DSW fordert deshalb, die Schwelle für ein Pflichtangebot auf 25 Prozent zu senken.
Erneut Pauschalsteuer für Kapitalerträge gefordert
Schließlich machte sich die DSW am Donnerstag erneut für eine vereinfachte und einheitliche Besteuerung der Kapitalerträge stark. Eine pauschale Abgeltungssteuer von 25 Prozent, wie sie in der Vergangenheit mehrfach diskutiert worden war, halten die Aktionärsschützer für sinnvoll.
So eine Pauschalsteuer auf Kapitalerträge würde den Finanzplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb einen großen Schritt nach vorne bringen. Darüber hinaus hätte sie einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Mit der Einführung einer Pauschalbesteuerung würde der persönliche Einkommensteuersatz keine Rolle mehr spielen. Es gäbe keinen Anreiz zur Kapitalflucht mehr, zeigte sich DSW-Geschäftsführer Heise überzeugt.