Lebensversicherer
Die Kleinen ringen die Großen nieder
"Giganten am Ende" - der Map-Report mag es mitunter deftig. Doch was die Experten des Branchendienstes in einer Doppelstudie zu deutschen Lebensversicherern auftischen, das lässt aufhorchen.
Hamburg - Map-Report hat nachgerechnet: Wer vor 30 Jahren seine Kapitallebensversicherung (Monatsbeitrag 100 Euro) bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) oder öffentlich-rechtlichen Anbieter abgeschlossen hat, kann nach Ablauf des Vertrages im Schnitt mit deutlich mehr Geld rechnen als bei Töchtern börsennotierter Gesellschaften.
Im ersten Fall bekäme der Verbraucher demnach Ende dieses Jahres von Gegenseitigkeitsvereinen oder öffentlichen Versicherern im Schnitt 101.517 Euro überwiesen. Die Kunden der "Big Player", die mittlerweile nur noch einen Marktanteil von rund 49 Prozent haben, müssen sich dagegen mit 94.350 Euro bescheiden. Das sind im Schnitt 7167 Euro weniger als bei den Versicherungsvereinen. Für jede der beiden Gruppen hat Map-Report in einer Doppelstudie die Ablaufleistungen von jeweils zwölf Lebensversicherungsgesellschaften analysiert. Gegenseitigkeitsvereine sind etwa die Debeka, Alte Leipziger, Huk-Coburg oder auch die Continentale.
Im Schnitt erhielten die Kunden aller 24 Gesellschaften unter dem Strich 97.000 Euro, was einer Rendite von 5,8 Prozent auf den eingezahlten Beitrag entspreche. Die Unterschiede bei den Ablaufleistungen zwischen den einzelnen Gesellschaften, sowie VVaGs auf der einen und Töchtern großer Konzerne auf der anderen Seite sind allerdings frappierend.
Poweleit macht dies unter anderem am Beispiel der zum Münchener-Rück-Konzern zählenden Lebensversicherer deutlich. Vor knapp zehn Jahren hatte die Münchener Rück ihre Lebensversicherer Victoria und Hamburg Mannheimer unter dem Dach der Ergo zusammengeführt. Die Karlsruher Leben, als dritter Lebensversicherer des Konzerns, schlüpfte nicht unter das Dach der Ergo.
Die erhofften Synergieeffekte scheinen sich aber weder für die Versicherer noch für deren Kunden einzustellen. Der Marktanteil der drei Unternehmen ist seit 1995 von 11,1 auf 9,4 Prozent gesunken, zugleich gab es kaum Fortschritte bei der Senkung der Verwaltungskosten, schreibt Map-Report.
Und der Kunde? Bei einem Monatsbeitrag von 100 Euro bekäme er nach 30 Jahren bei der Karlsruher Leben rund 86.000 Euro ausgezahlt, etwa 91.000 Euro wären es bei der Victoria und 94.500 Euro bei der Hamburg Mannheimer. Damit liegen diese Gesellschaften deutlich unter dem Marktschnitt (97.000 Euro).
Größe zahlt sich offenbar nicht aus
Knapp über dem Marktschnitt von 97.000 Euro rangiert Map-Report zufolge der Marktführer Allianz Leben mit rund 99.000 Euro Ablaufleistung nach 30 Jahren.
Wie von einem anderen Stern wirken da die Zahlen des Gegenseitigkeitsverein Debeka: Laut Map-Report bekäme der Debeka-Kunde Ende dieses Jahres satte 125.000 Euro überwiesen - bei zuvor gleichem Beitrag wohlgemerkt.
"Kleine" auch bei den Nettorenditen vorn
Die Vereine und Anstalten hätten ebenso bei den Nettorenditen der Kapitalanlagen die Nase vor den Töchtern multinationaler Finanzkonzerne: Mit 5,43 Prozent im Schnitt lägen die kleineren Mitbewerber deutlich vor den Big Playern (4,84 Prozent). Auch schießen die "Kleinen" proportional mehr Geld in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) - quasi der Gewinntopf der Versicherten. Die RfB-Quote - also die Aufwendungen für Beitragsrückerstattung im prozentualen Verhältnis der verdienten Bruttobeiträge - falle mit 18,95 Prozent zu 12,77 Prozent (AGs) deutlich zu Gunsten der Versicherungsvereine und Anstalten aus.
Stornoquote der Konzerntöchter ist höher
Das Fazit von Map-Report-Chefredakteur Manfred Poweleit: "Für den Kunden zahlt sich die Größe des Versicherers und die Rechtsform AG offensichtlich
nicht aus." Die Gesellschaften hätten massive Absatzprobleme, die auch ein Mehraufwand an Abschlusskosten nicht behebe. Das zu wenige Geschäft, das hereinkomme, sei zudem "noch von minderer Qualität".
So beziffert Poweleit die Stornoquote der AG-Töchter mit 5,35 Prozent, die der Vereine liege bei 5,02 Prozent. Aus Sicht des Experten sei die Bestandsstornoquote auch ein Gradmesser für die Beratungsqualität: "Groß ist schlecht, klein ist gut."
Einen tieferen Grund für den wirtschaftlichen Erfolg der Gegenseitgkeitsvereine sieht der Experte im Interview eben auch in der Rechtsform der Vereine. Sie sind unabhängig von Aktionärsinteressen, müssen keine Dividende ausschütten und die Vorstände keine Erfolgsgeschichten für den Kapitalmarkt produzieren. Dies bringe deutlich mehr Ruhe ins Geschäft - ein Erfolgsfaktor, der nicht zu unterschätzen sei, meint Poweleit. Zugleich gingen die Vereine am Kapitalmarkt geringere Riskiken ein.
Welcher Kunde ist nun besser gestellt?
Gefahr Berufsunfähigkeit wird stark vernachlässigt
Als Ausdruck von Beratungsqualität interpretiert der Experte ebenso, inwieweit Versicherer es schaffen, ihren Kunden von der Notwendigkeit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) zu überzeugen. Da mindestens jeder fünfte Arbeitnehmer vorzeitig berufsunfähig werde, sollte jede Hauptversicherung eigentlich mit einer BUZ unterlegt sein, meint Poweleit. Gute Lebensversicherer schafften dies gerade bei jeder zweiten verkauften Police. Im traurigen Marktschnitt sei hingegen etwa nur jede zehnte Lebensversicherung mit einer zusätzlichen BUZ ausgestattet.
"Es gibt auch schlecht geführte Gegenseitigkeitsvereine"
Mitnichten glänzend aber ebenfalls besser als die Töchter großer Konzerne stünden hier die kleineren Anbieter da: Ihre Kunden bezögen im Monat für den Berufsunfähigkeitsfall durchschnittlich 573 Euro, auch wenn dies für den Lebensunterhalt bei weitem nicht reicht, wie Poweleit meint. Die Versicherten der AG-Töchter müssten sich allerdings mit 382 Euro monatlich bescheiden.
Ist angesichts dieser Fakten der Kunde eines Gegenseitigkeitsvereins oder eines öffentlich-rechtlichen Anbieters damit nun grundsätzlich besser gestellt als bei einem Lebensversicherer eines Großkonzerns? So pauschal ließe sich das nicht beantworten, meint Poweleit.
Es gebe auch Gegenseitigkeitsvereine, "die schlecht geführt werden, die überhaupt nicht von der Stelle kommen", erklärt er im Gespräch mit manager-magazin.de. Dies seien aber eher "unternehmensindividuelle Probleme", die mit der Rechtsform weniger zu tun hätten. Letztlich käme es auf die Einstellung zum Kunden an. Durch die Rechtsform bedingte Nachteile gegenüber den Aktiengesellschaften - etwa die schwerere Kapitalbeschaffung im Krisenfall über die Börse oder den Mutterkonzern - ließen sich ausgleichen.
Vereine nutzen Schwächen der AGs zu wenig
Vereine nutzen Schwächen der AGs zu wenig
Vielmehr irritiert den Experten, dass die kleineren Anbieter die Schwächen der Big Player nicht nutzten. Jenseits des "Musterknaben" Debeka etwa schafften es "leistungsstarke Gesellschaften" wie Huk-Coburg, VGH oder DEVK nicht, ihre Stärke in Vertriebserfolge umzusetzen. Die Gegenseitgkeitsvereine hätten ihren Marktanteil in den vergangenen zwölf Jahren knapp behauptet. "Das hätte eigentlich mehr sein können", moniert Poweleit.
Andere Vereine wiederum "bemühen sich redlich, den Fehlern der Big Player nachzueifern", merkt der Autor der Doppelstudie kritisch an. Gothaer, Vereinigte Post und Hannoversche Leben etwa hätten zur besseren Geldbeschaffung "die Gegenseitigkeit de facto verlassen". Die Iduna habe mehrere Fusionen hinter sich, ohne dass die Ablaufleistungen für die Kunden besser geworden wären.
Dieser Weg werde sich im zusehends schärferen Wettbewerb mit den Lebensversicherungstöchtern großer Konzerne aber auf Dauer nicht auszahlen, ist Poweleit überzeugt. Das zeige der Erfolg der "guten" Gegenseitigkeitsvereine. Sie scheuten Fusionen, machten nicht "jeden modischen Firlefanz" mit, hielten stattdessen ihr Produktangebot überschaubar und setzten auf eine "langfristig konsistente Strategie".