Anlegerschutz
"Das ist schon ziemlich revolutionär"
Die Fondsbranche gerät unter Druck, für mehr Transparenz und Anlegerschutz zu sorgen. Ein Arbeitskreis um den Wirtschaftsprofessor Wolfgang Gerke hat nun einen "Corporate-Governance-Kodex für Asset-Management-Gesellschaften" vorgelegt. Im Gespräch mit manager-magazin.de erläutert Gerke die Verhaltensregeln.
Sie veröffentlichen ihren Corporate-Governance-Kodex für Asset-Management-Gesellschaften mitten in der Hauptversammlungssaison, die von der Diskussion um das Abstimmungsverhalten der Fondsgesellschaften begleitet wird. Ist der Termin bewusst gewählt?
Gerke: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist keine Politik. Wir haben den Kodex nach längerer Arbeit jetzt fertig gestellt. Sobald wir den Schlussparagrafen geschrieben hatten, sind wir an die Öffentlichkeit gegangen. Der Termin ist kein Politikum und hat nichts mit der laufenden HV-Saison zu tun.
mm.de: Welchen Zweck verfolgen Sie mit dem Kodex?
Gerke: Der Kodex dient der Berücksichtigung von Anlegerinteressen. Er soll die Anleger von Investmentfonds und anderen Asset-Management-Gesellschaften unterstützen, weil sie ihre Rechte nicht selbst wahrnehmen können. Zum Beispiel indem ein unabhängiges Mitglied im Aufsichtsrat der Gesellschaft sitzen soll, oder dadurch, dass die Gesellschaft erklärungspflichtig ist, wenn sie vom Anlegerinteresse abweichende Positionen einnimmt.
mm.de: Welche Regeln des neuen Kodex sind denn in Ihren Augen besonders sensibel?
Gerke: Die Entsendung eines unabhängigen Mitglieds in den Aufsichtsrat der Asset-Management-Gesellschaft ist zweifellos ein tiefer Eingriff in die Geschäftspolitik. Ebenso die vorgesehene Bildung eines Prüfungsausschusses, dessen Vorsitzender ebenfalls unabhängig sein soll. Diese Regelungen bedeuten ein totales Umdenken und sind mehr als nur eine Evolution. Das ist schon ziemlich revolutionär. Die Fondsgesellschaften sehen es sicher auch nicht so gerne, dass sie ihr Abstimmungsverhalten bei Hauptversammlungen offen legen sollen, und dass ein Wirtschaftsprüfer testieren muss, ob sie den Kodex auch einhalten.
mm.de: Wie von Ihnen erwähnt, empfiehlt der Kodex den Fondsgesellschaften, ihr Abstimmungsverhalten bei Hauptversammlungen im Nachhinein zu veröffentlichen. Einige Häuser gehen aber bereits weiter und haben sich zuletzt bereits vor den Aktionärstreffen festgelegt.
Gerke: Das wollen wir auch nicht ausschließen. Die Fondsgesellschaften können ihr Abstimmungsverhalten gerne bereits im Vorfeld festlegen. Aber es macht keinen Sinn, das im Kodex zu zementieren. Das würde eine falsche Politik produzieren. Man muss die Möglichkeit haben, einen Rückzieher zu machen, wenn er feststellt, dass die Entwicklung doch in die gewünschte Richtung geht.
"Alleiniges Ziel ist die Wertsteigerung"
mm.de: Sie verlangen von den Fondsgesellschaften, mindestens ein unabhängiges Mitglied in den Aufsichtsrat aufzunehmen und einen Prüfungsausschuss mit unabhängigem Vorsitzenden zu installieren. Wer entsendet diese unabhängigen Kontrolleure im Idealfall?
Gerke: Unabhängig heißt, dass sie nicht beteiligt sein dürfen, nicht personell verflochten sein dürfen mit der Investmentgesellschaft. Das heißt aber nicht, dass sie beispielsweise unbedingt einer Anlegerschutzgemeinschaft angehören müssen.
mm.de: Eine zentrale - aber recht allgemeine - Formulierung des Kodex lautet, die Gesellschaften sollten "die Anlegerrechte ausüben". Was heißt das konkret?
Gerke: Das heißt beispielsweise, dass die Fondshäuser Interessenkonflikte offen legen müssen. Dass Mitarbeiter bei eigenen Geschäften die Compliance-Abteilung einschalten müssen und nicht einfach Nebentätigkeiten annehmen können, ohne sie sich vom Aufsichtsrat absegnen zu lassen. Es geht aber auch darum, die Rechte der Anleger dahingehend auszuüben, dass das alleinige Ziel die Steigerung des Wertes ist - und nicht die Ziele der Muttergesellschaft dominieren.
mm.de: Können die Fondsgesellschaften das denn tatsächlich umsetzen?
Gerke: Das ist nicht ganz leicht. Aber es steht ja auch im Kodex, dass jeder, der hier aufgrund seiner Politik oder aufgrund von Interessenkonflikten abweicht, die unangenehme Pflicht hat, das öffentlich zu machen und auf seine Website zu stellen.
mm.de: Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hat bereits 2002 so genannte "Wohlverhaltensregeln" für die Branche aufgestellt. Wie dringend ist der Bedarf für Ihren neuen Verhaltenskodex?
Gerke: Die Investmentbranche ist natürlich mit ihrem Verhaltenskodex bereits sehr weit. Wenn der BVI jetzt schreibt, dass ein Teil des Kodex mit seinen Wohlverhaltensregeln übereinstimmt, dann hat er sicher Recht. Aber ich bin nur glücklich, wenn er den Rest auch übernimmt.
mm.de: Nun hat der BVI aber bereits formuliert, dass er zumindest vorerst eine Übernahme des Kodex nicht empfehlen will.
Gerke: Das heißt aber natürlich auch, dass unsere Punkte dann doch nicht so übereinstimmend sind mit den BVI-Regeln. Wir wollten das Rad nicht neu erfinden, wenn das Rad gut ist. Aber an den Stellen wo wir über die BVI-Regeln hinausgegangen sind, scheint es doch sehr sensibel zu sein.
"Wir müssen die Akzeptanz abwarten"
mm.de: War denn der BVI direkt in die Gespräche eingebunden?
Gerke: Ja, in allen Sitzungen waren Vertreter des BVI und auch Vertreter der Fonds dabei. Als Experten haben sie ständig mitgewirkt. Und es hat intensive Diskussionen gegeben.
mm.de: Haben sich die Fondsgesellschaften mit Ihren Ideen schwer getan?
Gerke: Sie haben sich nicht quer gestellt. Aber sie haben erst einmal offen gelassen, inwieweit sie den Kodex in ihre Wohlverhaltensregeln übernehmen werden. Mein Standpunkt ist: Wenn sie 95 Prozent übernehmen, und 5 Prozent nicht, dann haben sie den Kodex nicht übernommen. Wir müssen jetzt einfach abwarten, wie hoch die Akzeptanz ausfallen wird.
mm.de: Haben Sie einen festen Zeitplan für die Umsetzung des Kodex?
Gerke: Ich gehe davon aus, dass unser Arbeitskreis im ersten Quartal 2006 zusammentritt, um über die Akzeptanz der Regeln zu beraten. Dann werden wir möglicherweise auch Repräsentanten anderer Gesellschaften hinzuziehen, um über eine Ausweitung auf generell alle Asset-Management-Gesellschaften zu beraten, die kollektiv Vermögen verwalten. Dann werden wir auch beraten, ob man im Kodex Veränderungen oder Erweiterungen vornehmen muss.
mm.de: Ist der Kodex, wie er jetzt vorliegt, denn in Ihren Augen ein Kompromiss?
Gerke: Nein, ich empfinde ihn nicht als Kompromiss. Ich glaube, dass wir sehr weit gegangen sind. Sicher habe ich Vorschläge gemacht, die darüber hinausgingen. Aber das gehört einfach zur Taktik eines Vorsitzenden.