Die deutschen Autoversicherer haben erstmals seit Jahren wieder Gewinne eingefahren. Autofahrer können deshalb mit stabilen Preisen für ihre Kfz-Versicherung rechnen. Die "jungen Wilden" à la Daniel Küblböck sind der Assekuranz aber ein Dorn im Auge, ebenso der "Führerschein mit 17".
Berlin/Hamburg - Die deutschen Autofahrer müssen in diesem Jahr für ihre Kfz-Versicherung keine Beitragserhöhung befürchten. Auch in 2005 sollten die Preise stabil bleiben, signalisierte jetzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Autofahrer profitierten von dem Trend steigender Beitragseinnahmen und einer sinkenden Schadenlast. Die Autoversicherer haben in 2003 nach sechs verlustreichen Jahren wieder einen Gewinn eingefahren und waren mit rund 41 Prozent der Bruttobeiträge die stärkste Sparte unter den Schaden- und Unfallversicherern in Deutschland.
Gleichwohl trübt sich nach Ansicht des GDV das Bild für die Autoversicherer in diesem Jahr bereits wieder ein. Zum einen dürfte das Prämienwachstum nach Hochrechnungen des ersten Quartals in 2004 geringer ausfallen als noch im vergangenen Jahr (plus 1,9 Prozent). Zum anderen rechnen die Versicherer mit einem erhöhten Schadenaufwand von 1,3 Prozent auf knapp 20 Milliarden Euro. Im vergangen Jahr hatte sich der Aufwand noch um 3,7 Prozent reduziert.
Insbesondere der "Führerschein mit 17" ist der Assekuranz ein Dorn im Auge. Einst vom GDV noch spontan begrüßt, wähnen die Autoversicherer mittlerweile ein "Bedrohungspotenzial", das von dem niedersächsischen Modellversuch ausgehe, zumal andere Bundesländer erwägen, sich dem Versuch anzuschließen.
Zwar dürfen die Führerscheinanfänger nicht ohne Begleitung eines Elternteils fahren. Die Versicherungsbranche schreckt aber der Gedanke, dass sie gleich einen ganzen Jahrgang der im Schadenverlauf deutlich ungünstigeren Gruppe der jungen Fahrer in ihre Bestände aufnehmen muss, ohne dafür zusätzliche Prämien zu kassieren. Denn es sei davon auszugehen, "dass hier in der Regel mit dem Auto der Eltern gefahren wird", wie Edmund Schwake, Vorsitzender des Hautpausschusses Schaden beim GDV erklärte. Und man wisse ja nie, ob die diese jungen Fahrer und Fahrerinnen später wirklich auch weniger Unfälle verursachten.
Nun könnte die Versicherer eigentlich beruhigen, dass nicht jeder junge Fahranfänger im Stile eines Daniel Küblböck das Auto zu führen gedenkt. Doch gerade jener (Un)Fall ist für den GDV Anlass, seine Bedenken gegenüber dem Modellprojekt zu formulieren, um zugleich gewichtige Forderungen an den möglichen Regressfall zu knüpfen.
"Füherschein mit 17" - Abschreckung muss sein
Zur Erinnerung: Der exzentrische Ex-"Superstar" baute im Frühjahr dieses Jahres einen schweren Unfall, wurde selbst verletzt und verursachte nach Angaben des GDV einen Sachschaden von 150.000 Euro. Der Versicherer zahlte, sprang jedoch lediglich mit 5000 Euro ein, was so manchen Autofahrer in Deutschland offensichtlich auf die sprichwörtliche Palme brachte. Schwake berichtete von "im Einzelfall wüsten Beschimpfungen und sogar Drohungen", die den Branchenverband erreichten.
Der Versicherer habe aber in diesem Fall so verfahren müssen, zeigte sich Schwake zu einer Klarstellung veranlasst. Das Auto war seinen Aussagen zufolge versichert, nicht als gestohlen gemeldet und der Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Folglich habe es sich lediglich um eine "Obliegenheitsverpflichtung vor dem Versicherungsfall" gehandelt, wofür das Gesetz lediglich eine maximale Regressforderung von 5000 Euro vorsehe.
So darf es nicht verwundern, dass die Assekuranz mit Blick auf das Modellprojekt "Führerschein mit 17" darauf drängt, "das Fahren ohne oder mit einem ungeeigneten Begleiter als 'Fahren ohne Fahrerlaubnis' zu werten". Nur "als wirksame Abschreckung" versteht sich. Dies würde es der Assekuranz allerdings ermöglichen - Küblböck lässt grüßen - den Regress bei möglichen Unfällen bei 5000 Euro zu deckeln und die Regulierung des Kaskoschadens ganz zu verweigern, wie Schwake erläuterte.
Neue Kfz-Richtlinie sorgt für Unruhe
Mit Skepsis verfolgen die Versicherer auch die anstehende Umsetzung der fünften Kfz-Haftpflichtrichtlinie, die nach dem Willen Brüssels ab 2007 in nationales Recht gegossen sein muss. Dabei geht es vor allem um die Harmonisierung von Personenschäden. Die Untergrenze soll künftig einheitlich bei einer Millionen Euro pro Person oder fünf Millionen Euro pro Unfall liegen. In Deutschland ist eine Mindestdeckung von 7,5 Millionen Euro vorgeschrieben. Aus Sicht des GDV sei die erste Lösung für die Versicherer nicht kalkulierbar und käme "faktisch einer unlimitierten Deckung gleich". Deshalb votiere der GDV für eine Mindestsumme pro Unfallereignis.
Zugleich schreibt die Richtlinie vor, dass Garantiefonds - in Deutschland ist dies die Verkehrsunfallhilfe - künftig bei Unfallflucht auch Sach- und nicht nur Personenschäden ersetzen müssen. Um mögliches Betrugspotenzial einzudämmen wurde laut GDV die Leistungspflicht auf Unfälle mit zugleich schwerem Personenschaden eingeschränkt. Insgesamt aber würdigte Schwake die neue Richtlinie aus deutscher Sicht als einen "großen Fortschritt".
Positiv habe sich laut Schwake die Regulierung von Auslandsunfällen entwickelt. Der Zentralruf der Autoversicherer gebe den Geschädigten Auskunft darüber, wen der ausländische Versicherer zum Beauftragten in Deutschland benannt habe. Reagiere dieser innerhalb von drei Monaten nicht, greife die zentrale Verkehrsopferhilfe in Hamburg dem Geschädigten unter die Arme. Der Verein wird von den Versicherern getragen. Im ersten Quartal 2004 seien bereits 350 Meldungen eingegangen.
Schlechte Nachrichten für Landwirte und Wohngebäudebesitzer
Risiken "grüner Gentechnik" nicht zu kalkulieren
Schlechte Nachrichten hatte der GDV für Landwirte zu vermelden, die gentechnisch verändertes Saatgut anwenden. Nach einem Beschluss des Bundestages muss der Landwirt für so genannte mögliche Auskreuzungen auf benachbarten Feldern haften. Der Assekuranz erscheint dieses Risiko unkalkulierbar. Sie wird es deshalb nicht versichern.
Auf stärkere Belastungen müssen sich auch Wohngebäudebesitzer einstellen. Nach Auskunft des GDV stagnieren die Prämieneinnahmen, die Schäden - vor allem durch alte und defekte Wasserrohre - nehmen aber zu in Deutschland. Die Wohngebäudeversicherungen zählen zu der Sparte der Sachversicherung, wo der Schadenaufwand laut GDV ebenfalls schneller steige als die Beitragseinnahmen.
Insgesamt erwarten die Schaden- und Unfallversicherer in diesem Jahr ein Ergebnis auf dem Niveau des Vorjahres. Dies gelte allerdings nur unter der Voraussetzung, dass unerwartete Großschäden ausbleiben und das Wetter mitspiele. In 2003 hatte die Branche bei steigenden Beitragseinnahmen (plus 3,2 Prozent) auf 54,5 Milliarden Euro und einem zurückgehenden Schadenaufwand (minus 8,4 Prozent) auf 40,7 Milliarden Euro einen versicherungstechnischen Gewinn von 2,6 Milliarden Euro erwirtschaftet.