Commerzbank-Studie "Wir müssen über Geld reden"

In Finanzfragen sind nicht alle gleich. Doch viele Deutsche haben ein verklemmtes Verhältnis zum Geld. Sie sprechen kaum darüber, delegieren das Thema am liebsten an den Partner oder haken es einfach ab. Das kann direkt in die Katastrophe führen, warnen Wissenschaftler. Was für ein "Geldtyp" sind Sie?

Hamburg - Die Deutschen sind in Geldfragen nicht gerade mit Sachkenntnis beschlagen. Selbst um das Wissen des wirtschaftswissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Beobachter haben in diesem Kontext gar von einer erschreckenden Unkenntnis gesprochen. Die Commerzbank, die unlängst diese betrübliche Tatsache publik gemacht hat, ist jetzt mit einer weiteren Studie dem Dilemma auf den Grund gegangen.

Im Kern lautet das Ergebnis der Untersuchung: Die Tabuisierung des Geldes in unserer Gesellschaft und auch psychische Hemmschwellen führen dazu, dass sich viele Menschen zu wenig mit ihren privaten Finanzen beschäftigen. Dabei erfordert der steigende Zwang zur privaten Altersvorsorge genau das Gegenteil: viel mehr Interesse und finanzielle Eigenverantwortung.

Desinteresse kann in die "Katastrophe" führen

Für den Einzelnen seien diese Hemmschwellen eine "mittlere Katastrophe", warnte Professor Stefan Hradil vom Soziologischen Institut der Universität Mainz am Montag in Hamburg. "Wer finanziell wenig kompetent ist, kann unter heutigen Bedingungen nicht lebenstüchtig und schon gar nicht autonom sein", kommentierte der Experte die Ergebnisse der Studie "Die Psychologie des Geldes".

Das Marktforschungsinstitut "Sinus Sociovision" hatte für die Untersuchung zwischen Oktober und Dezember vergangenen Jahres 50 Männer und Frauen unterschiedlichen Alters und aus allen sozialen Schichten in psychologischen Tiefeninterviews nach der Einstellung zu ihren Finanzen befragt. Die Forscher gingen bei ihrer Untersuchung von sechs möglichen Ursachen für die Wissensdefizite aus. Alle Thesen seien durch die Untersuchung bestätigt worden.

Geld hat ein schlechtes Image

So werde das Thema Geld in der Gesellschaft tabuisiert. Die Menschen empfänden es als unangenehm, über Geld zu sprechen. Insbesondere das Reden über zu wenig Geld löse bei vielen Schamgefühle aus.

Geld habe zudem ein schlechtes Image. Wer sich als "Finanzfuchs" erweist, genieße in der Gesellschaft eher einen schlechten Ruf. Finanzielle Cleverness und finanzieller Erfolg würden als Übervorteilung anderer bewertet. Deshalb bestehe auch kein Anlass, darüber zu reden. Nicht zuletzt habe die negative Entwicklung an den Aktienmärkten diese Wahrnehmung verfestigt und zu einem generellen Misstrauen gegenüber Finanzexperten geführt.

Geld - zu komplex, zu abstrakt

Die Produkte sind zu kompliziert

Zudem kapitulierten die Menschen oft vor der Komplexität beim Thema Geld. Die Produkte und Dienstleistungen seien zu kompliziert und würden in einer unverständlichen Sprache vermittelt. Die Komplexität löse Angst und Unsicherheit aus. Deshalb würden die Menschen die Auseinandersetzung mit diesen Produkten vermeiden oder Geldangelegenheiten an den Partner delegieren.

Doch das Vertrauen auf andere berge auch die Gefahr der Unmündigkeit in finanziellen Fragen, warnen die Forscher. Insbesondere bei jungen Menschen in der Ausbildung oder bei älteren Hausfrauen stellten die Forscher diese Tendenz fest. Dabei würden die Betroffenen ihre Unmündigkeit selbst gar nicht als eine ebensolche wahrnehmen, weil sie sich durch den Partner oder im Zweifelsfall vom Staat gut versorgt fühlten.

Vielen erscheint die Beschäftigung mit Geld zudem als abstrakt. Den Menschen fehlten klare, lebenswichtige Bezüge. Im Bereich der Altersvorsorge zum Beispiel seien Entscheidungen zu treffen, deren Auswirkungen erst in einigen Jahrzehnten sichtbar werden. Nicht zuletzt beschäftigten sich Frauen und Männer ungern mit Geldfragen, weil für sie Aufwand und Ertrag dieser Tätigkeit in keinem annehmbaren Verhältnis stehen.

"Der Aufwand lohnt doch nicht"

Sicherlich würden nicht alle Menschen durch Hemmschwellen daran gehindert, sich über Geld zu informieren und finanzielle Entscheidungen kompetent zu treffen. Es gebe sie, die "Souveränen", die außerordentlich gut über Finanzfragen informiert seien - oder die "Ambitionierten", für die darüber hinaus Geld auch Mittel zur Selbstverwirklichung und Selbstbestätigung sei.

Sie seien aber in der Minderzahl. Am anderen Ende der von dem Marktforschungsinstitut "Sinus Sociovision" entworfenen Skala der "Geldtypen" stehen diesen "Finanzfüchsen" die "Resignierten" gegenüber. Sie ignorierten das Thema gänzlich, führten häufig "ein Leben auf Pump" und litten unter ihrer finanziellen Situation.

Soziologe Hradil räumte zwar ein, dass diese Hemmschwellen und damit auch die Erkenntnisse nicht unbedingt neu seien. Selbstverständlich ließe sich auch nicht jeder Mensch in seiner Einstellung zu Geld eindeutig typologisieren. Den meisten dieser "Typen" sei aber gemein, dass sie letztlich versuchten, das Thema Geld zu verdrängen. Die Brisanz des Befundes ergebe sich vor allem aus dem erwähnten Zwang, dass Menschen in Deutschland künftig ihre Altersvorsorge stärker in die eigene Hand nehmen müssen.

"Raus aus dem Schattendasein"

"Raus aus dem Schattendasein"

Doch bei der reinen Analyse wollen es die Forscher nicht belassen. "Das Thema Finanzen muss ganz eindeutig aus dem gesellschaftlichen Schattendasein heraus geführt werden", forderte Hradil. Es müsse fester Bestandteil der Alltagskultur werden, über Geld zu reden - auch über das eigene. In Familien, Schulen und der gesamten Öffentlichkeit müsse das Thema Eingang finden.

In der folgenden Diskussion wurde moniert, dass die Banken selbst nicht ganz unschuldig an der Entwicklung seien. Dabei dürfte die zuweilen verkrampfte und zugleich durch Panzerglasscheiben mitunter distanzierte Atmosphäre in Bankfilialen eher das kleinere Problem sein. "Unsere Finanzprodukte müssen verständlicher werden, ebenso wie unsere Sprache", räumte Thomas Heinrich von der Commerzbank ein.

Zugleich stellte der Banker aber fest, dass die Kunden wichtige Themen wie die Altersvorsorge nicht nur viel zu spät angingen. Vielfach kämen sie auch unvorbereitet in die Bank und hätten keine konkreten Vorstellungen über ihre Anlageziele. Mühsam versuchten die Berater dann mit dem Kunden herauszufinden, "was er wirklich will".

Die Grenzen der Aufklärungsarbeit

Dass Banken bei ihrer Aufklärungsarbeit in Finanzfragen an ihre Grenzen stoßen, mag mit an den besagten Hemmschwellen liegen. Hinzu kommen Barrieren anderer Art: Die Institute haben in den vergangenen Jahren einen harten Konsolidierungskurs gefahren und zehntausende Arbeitsplätze gestrichen.

Umso mehr, erklärten Experten immer wieder, habe sich Beratung dem Diktum der Profitabilität unterzuordnen. Deshalb müsse der Kunde künftig auch bereit sein, für professionelle Vermögens- und Anlageberatung zu zahlen. Dass sich dies für Menschen mit einem geringeren Anlagevolumen unter Umständen nicht rechnet, liege dabei auf der Hand.

Gleichwohl blickt die Commerzbank nach vorn. Sie will nicht nur ihre Beratungsqualität steigern, sondern zugleich die Politik für eine bessere finanzielle Allgemeinbildung im Schul- und Bildungswesen einspannen. Derzeit werde ein entsprechender "Kanon der finanziellen Allgemeinbildung" erarbeitet und im Sommer mit Experten aus Wissenschaft und Politik diskutiert.

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