Russland Putin sorgt für Input
Nach dem Ja der Iren zu den Verträgen von Nizza steht der Osterweiterung der Europäischen Union (EU) wohl nichts mehr im Weg. Während sich die Einbindung der osteuropäischen Staaten durch das erneute Referendum in Irland verzögerte, eilt die wirtschaftliche Integration der politischen voraus. Banken, Telekommunikations- und Stromkonzerne sind längst in der Hand west- und südeuropäischer Unternehmen.
Da die Aufteilung der Wirtschaft zwischen Ostsee und Donau schon weit fortgeschritten ist, wird jetzt Russland ins Visier genommen. Der schwedische Möbelgigant Ikea will in den kommenden Jahren 600 Millionen Dollar zwischen Moskau und Sibirien investieren. Die ersten Erfolge stellen sich schon ein. Die bisherigen Ergebnisse in der russischen Hauptstadt stellen alle Ikea-Rekorde in den Schatten.
Ratings werden wahrscheinlich hochgestuft
Auch den US-Autobauer Ford zieht es nach Osten. Mitte Oktober liefen bereits die ersten Pkw vom Typ Focus im neuen Werk in Wsewoloschsk bei St. Petersburg vom Band. In den nächsten fünf Jahren soll die Produktion auf 25.000 Fahrzeuge jährlich gesteigert und dann schrittweise auf 100.000 Einheiten hochgefahren werden.
Das Vertrauen der Kapitalgeber in Russland ist stark mit einem Namen verbunden: Wladimir Putin. Der Kreml-Chef sitzt sicher im Sattel und genießt sowohl nach innen als auch nach außen sehr viel Vertrauen. Die Ratingagenturen Moody's und Fitch stellen bereits eine Hochstufung in Aussicht.
Die "Schattenwirtschaft" ist sehr stark
Noch gibt es aber viele kritische Punkte. So ist zum Beispiel das Bankensystem nicht voll entwickelt. Die russische Vnesthorgbank, das kernkapitalstärkste Institut in Osteuropa, landet im von der Zeitschrift "The Banker" veröffentlichten Ranking der Top 1000 Banken gerade einmal auf Rang 174. Die Folge ist eine anhaltende Kapitalflucht. 2001 lag sie mit 17 Milliarden Dollar deutlich über den Auslandsinvestitionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar. Hinzu kommt, dass schätzungsweise 36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der "Schattenwirtschaft" produziert werden. Steuerausfälle in Milliardenhöhe sind die Folge.
Russland als Vorbild für Deutschland
Gerüchte um nicht ganz saubere Geschäfte begleiten auch die aktuellen Aktivitäten der Russen in Deutschland. So ranken sich um Oleg Deripaska, der angeblich den angeschlagenen Flugzeugbauer Fairchild Dornier übernehmen will, hartnäckig Mafia-Geschichten. Der 35-Jährige, der sein Geld mit Aluminium, Zellulose und Kraftwerken macht, wird von "Forbes" auf ein Vermögen von einer Milliarde Dollar geschätzt. Deripaska, der sehr gute Kontakte zur Staatsführung hat, wird aber immer wieder mit Auftragsmorden, Geldwäsche und Bestechung in Zusammenhang gebracht.
Auch Michail Chodorkowski, der hinter dem russischen Mineralölkonzern Yukos steht, hat viele Kritiker. Genau wie die russische Nummer eins Lukoil plant der Branchenzweite den Einstieg ins deutsche Tankstellennetz. Die Kartellauflagen nach den Fusionen von Aral/BP und Dea/Shell machen einen starken Markteintritt möglich. Allein Lukoil möchte 460 BP/Aral-Stationen und 900 Dea/Shell-Zapfstellen übernehmen.
Russland als Beispiel für Reformen in Deutschland
Die deutschen Beziehungen zu Russland sind traditionell gut. "Es gibt keinen wichtigeren Partner für Russland als Deutschland auch in anderen Bereichen als bei Investitionen", zitierte die "Frankfurter Rundschau" den stellvertretenden russischen Minister für Entwicklung und Handel, Ivan Materov. Auch Commerzbank-Vorstand Andreas de Maizière betonte auf dem Russischen Wirtschaftstag Mitte Oktober in Frankfurt das große Interesse Deutschlands an Russland.
De Maizière gestand zwar ein, dass es auch "wundervolle Beispiele" für ein zu naives Auftreten in Russland gebe, allerdings würden 75 Prozent der Auslandsinvestitionen in Russland Gewinne abwerfen und nur zehn Prozent Verluste verursachen. Sein Fazit: "Wenn wir in Deutschland zu solchen Reformschritten wie in Russland in der Lage wären, dann wären wir einen Schritt weiter."
Grundlage dafür, dass Russland weiter daran arbeiten kann, den Anschluss an die globale Wirtschaft wieder herzustellen, ist natürlich politische Stabilität. Dass diese auch Putin noch nicht garantieren kann, wurde auf tragische Weise durch das von tschetschenischen Rebellen angerichtete Geiseldrama in Moskau deutlich.