Interview "Größe bürgt nicht mehr für langfristiges Wachstum"
mm.de:
Den ersten weltweiten Sustainability-Index legte SAM im September 1999 auf. Was hat sich seit der Markteinführung des Dow Jones Sustainability World Index verändert?
Barkawi: Eine Menge. Wir haben bereits 38 Asset-Manager als Lizenznehmer gewinnen können, darunter beispielsweise so renommierte Fondsgesellschaften wie Union Investment, DWS, Invesco, Oppenheim oder auch Merrill Lynch. Die Branche erkennt einen steigenden Nachfragebedarf bei ihren Kunden nach sozial, ökonomisch und ökologisch gut ausgerichteten Aktienunternehmen. Das liegt auch daran, dass heute kaum noch die schiere Größe eines Unternehmens als Garantie für einigermaßen stabile Kurse taugt. Was uns besonders freut, ist ein Mandat über 500 Millionen Euro von der Schweizer Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV). Die Organisation ist zuständig für die erste Säule der Rentenversicherung im Land und legt naturgemäß besonders strenge Maßstäbe an ihre Aktienportfolios.
mm.de: Welche Unternehmen zeichnen sich aus Ihrer Sicht in Sachen Sustainability besonders aus?
Barkawi: Wir haben eine Liste von Sustainability Leaders zusammengestellt, in der die Spitzenplätze für 18 verschiedene Sektoren verteilt werden. Im Bereich Automobile ist Volkswagen der Topwert, unter anderem, weil der Konzern die Aluminium-Leichtbauweise konsequent in die Praxis umgesetzt hat. Aluminium ist ein sehr gut recycelbarer Rohstoff, außerdem bedeutet die Gewichtseinsparung bei den Fahrzeugen auch niedrigeren Spritverbrauch. Die Vorstellung des Einliterautos vor wenigen Wochen zeigt außerdem, dass ernsthaft an umweltgerechten Technologien geforscht wird - und mit Erfolg.
mm.de: Welche weiteren Firmen zählen zur Leaders-Liste*?
Barkawi: BP zum Beispiel. Der Namenswechsel von "Britsh Petroleum" zu "Beyond Petroleum" ist nicht nur ein Werbegag. Der Konzern war auch der erste unter den Global Playern, der öffentlich erklärte, dass Kohlendioxid-Emission und Erderwärmung ein Problem seien, dem man sich stellen müsse. Zuvor war ein solcher Zusammenhang von der Industrie jahrelang dementiert worden. Das Beispiel BP ist insofern typisch für viele Sustainability-Leader, weil der Konzern eine Vorreiterrolle übernommen hat: Wenn ein Unternehmen als erstes seiner Branche Tabuthemen aufgreift, ist dem Management klar, dass die Öffentlichkeit, genau wie die eigenen Mitarbeiter verstärkt, kontrollieren wird, ob vollmundigen Ankündigungen auch Taten folgen. Der Zugzwang, den man sich selbst schafft, hat aber meistens positive Effekte für die Unternehmensentwicklung.
mm.de: Wird in den Managementetagen der Unternehmen bei strategischen Überlegungen das zunehmende Interesse der Investoren für das Thema Sustainability berücksichtigt?
Barkawi: Mit Sicherheit. Viele Konzerne haben mit der aktuellen Wirtschaftslage und misstrauischen Anlegern zu kämpfen. Mehr in Sachen Sustainability zu unternehmen, erscheint vielen als probates Mittel, langfristig und stetig Kurssteigerungen zu erreichen. Wird ein Unternehmen in den Dow Jones Sustainability Index aufgenommen, wirbt es meist sowohl in den öffentlichen Medien als auch intern mit der Auszeichnung - der Stellenwert des Themas steigt ganz offensichtlich.
mm.de: Wie viele Unternehmen analysiert SAM?
Barkawi: Wir beschäftigen allein 15 Analysten für die Large Caps - ein Kosmos von 2500 Unternehmen mit den höchsten Marktkapitalisierungen im Dow Jones Global Index. Dazu kommen einige zusätzliche europäische Werte aus dem Dow Jones Stoxx 600 Index.
mm.de: Können die Sustainability-Indizes nicht leicht zu Klumpungsrisiken für den Anleger führen, falls beispielsweise viele Mineralölkonzerne auf einen Schlag in den Index aufgenommen werden?
Barkawi: Die Gefahr ist gebannt: Die Dow Jones Sustainability Indizes sind an der Branchenallokation des Dow Jones Global Index ausgerichtet. Wir haben die Branchenallokation vorgenommen wie im zugrunde liegenden Leitindex. Unsere Branchenmischung ist der entsprechenden Allokation in dem nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Index sehr ähnlich.
mm.de: Was tun Sie, wenn Shell gegen BP als Sustainability-Leader protestiert und den Titel für sich verlangt?
Barkawi: Wir prüfen die Fakten. Wenn ein Unternehmen transparent und plausibel nachweist, einem Mitbewerber in entscheidenden Punkten überlegen zu sein, schreiben wir auch unsere Spitzenreiterlisten um.
* Die vollständige Liste der Sustainability-Leader ist unter www.sustainability-indexes.com/djsi_world/components.html abrufbar.