Finanzstabilitätsbericht EZB warnt vor wachsenden Risiken für Banken und Unternehmen

Fürchtet Verwundbarkeit von Unternehmen: EZB-Vizepräsident Luis de Guindos
Foto: Thomas Lohnes/ Getty ImagesEuropas Währungshüter mahnen die Regierungen bei ihren Corona-Hilfen zur Umsicht. Risiken für Unternehmen und Banken könnten sich sowohl im Falle einer zu frühen Beendigung der Milliardenunterstützung ergeben als auch dann, wenn die Hilfen wie staatliche Kreditgarantien und Darlehensmoratorien zu lange aufrechterhalten würden.
In ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht warnt die Europäische Zentralbank (EZB) vor einer Zunahme von Risiken im Falle eines abrupten Endes der Unterstützungsmaßnahmen. Unternehmen könnten dann nach Einschätzung der Notenbank verwundbarer sein "als auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise" 2008/2009.
Zwar seien die Bilanzen der Banken im Euroraum heute solider als zur Zeit der Finanzkrise und die Kapitalpuffer der Institute sollten nach Einschätzung der EZB komfortabel bleiben, "um Verluste auszugleichen und die Kreditvergabe über einen längeren Zeitraum zu unterstützen". Dennoch könnte eine Welle von Firmenpleiten und Kreditausfällen infolge der Pandemie zur Belastung für die Branche werden.
"Es ist zu erwarten, dass die Ertragskraft der Banken schwach bleibt", warnte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos (60) bei der Vorstellung des halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts der Notenbank am Mittwoch fest. Die Hilfsprogramme verlängerten vermutlich den Zeitraum, bis sich eine schwache Wirtschaftsleistung in Kreditausfällen widerspiegele.
Aktien der Deutschen Bank und Commerzbank gaben am Vormittag nach und fielen nach ihrer Erholungsrally zurück auf das Niveau von Februar. Allerdings haben die Papiere im laufenden Monat bereits 23 und rund 36 Prozent zugelegt. Der Stoxx Europe 600 Banks fiel auf ein Tagestief unter 111 Punkten.
Eine Billion Euro zusätzliche Schulden zur Krisenbekämpfung
De Guindos zufolge sind zwar staatliche Hilfsmaßnahmen gegenwärtig wesentlich. "Aber sie sollten zielgerichtet bleiben auf eine Pandemie-bezogene wirtschaftliche Unterstützung und vermeiden, mittelfristig Sorgen hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit auszulösen," sagte er. Im bisherigen Jahresverlauf haben Euro-Staaten laut Notenbank bereits mehr als eine Billion Euro an Schulden aufgenommen, um Hilfsprogramme zu finanzieren.
Ungeachtet der sich zuletzt verschärfenden Corona-Krise dürfen die Euro-Zonen-Banken gleichwohl bald wieder Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten. Ab dem kommenden Jahr werde dies wieder erlaubt sein - zumindest dann, wenn die Banken die Aufseher davon überzeugen, dass sie genügend Kapital haben, um die Folgen der Pandemie ausbügeln zu können, sagte EZB-Aufsichtsvizechef Yves Mersch (71) der "Financial Times" am Mittwoch. Er bekräftigte damit seine Aussagen aus dem September, obwohl sich die Corona-Pandemie seitdem wieder drastisch verschärft hat. Mersch ist noch bis Ende 2020 der amtierende Vize-Chef der EZB-Bankenaufsicht.
Ende des generellen Dividendenstopps für Banken in Sicht
Er sei zwar besorgt, dass die Banken möglicherweise zu viel des Kapitals ausschütten, das eigentlich als Puffer für Corona-Risiken gedacht ist, sagte er. Aber es dürfte schwierig werden, den generellen Dividendenstopp über das Jahresende hinaus beizubehalten. Er führte hier rechtliche Unsicherheiten sowie den möglichen Wettbewerbsvorteil von Banken aus Großbritannien und den USA an, wenn die dortigen Aufseher direkte Gewinnbeteiligungen für die Aktionäre sowie Aktienrückkäufe wieder erlauben. Die Entscheidung darüber, ob eine Bank wieder Kapital an ihre Anteilseigner ausschütten darf, soll wieder vom Einzelfall abhängen.
Die EZB, die seit November 2014 die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum direkt beaufsichtigt, hatte die Finanzinstitute im Euroraum schon kurz nach Beginn der Pandemie aufgefordert, vorerst auf die Ausschüttung von Dividenden und auf Aktienrückkäufe zu verzichten. Viele Banken strichen in der Folge geplante Gewinnausschüttungen für das Geschäftsjahr 2019 oder verringerten diese zumindest. Zunächst galt der Aufruf nur bis zum 1. Oktober, wurde aber zwischenzeitlich bis 1. Januar 2021 verlängert.