"Keine Trendänderung" Der Spekulant, der gegen die Deutsche Bank wettet

Seit Jahren als Shortseller unterwegs: Hedgefonds-Mitgründer Paul Marshall
Foto: NBCU Photo Bank via Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Die vergangene Woche endete für Bankentitel im Desaster. Die Turbulenzen um die Credit Suisse, UBS und einige Regionalbanken in den USA ließen am Freitag auch den Kurs der Deutsche-Bank-Aktie um zwischenzeitlich rund 15 Prozent absacken. Inzwischen hat sich der Kurs stabilisiert, die Bank ist mit rund 18,5 Milliarden Euro wieder ungefähr so viel wert wie vor dem Einbruch. Doch die Verunsicherung bleibt – und die zentrale Frage: Wurde gezielt gegen die Deutsche Bank gewettet? Und wenn ja, von wem?
Inzwischen ist der erste Hedgefonds geoutet, der eine Short-Position gegen das größte deutsche Geldhaus aufgebaut hat. Der Londoner Fonds Marshall Wace war am vergangenen Freitag mit einem Anteil von 0,61 Prozent der Aktien gegen die Deutsche Bank eingestiegen. So geht es aus Pflichtmitteilungen im deutschen Bundesanzeiger hervor. Weitere Akteure überschreiten die Schwelle von 0,5 Prozent der Anteile bislang nicht, ab der die deutsche Finanzaufsicht Bafin ihre Positionen offenlegt.
Klar ist aber: Es sind wesentlich mehr Profi-Investoren dabei, gegen die Bank zu wetten. Fallende Kurse und die Schwankungen locken Hedgefonds an, die schnelles Geld machen wollen. Sie verkaufen dabei üblicherweise Aktien, die sie sich zu dem Zeitpunkt nur geliehen haben; sinken die Kurse in der Folge, kaufen die Leerverkäufer sie zum dann günstigen Preis – und streichen die Differenz ein. Ein hochriskantes, aber potenziell lukratives Geschäft. Bereits vergangene Woche meldete der Finanzdienstleister Ortex aus London, dass Shortseller in den beiden Vorwochen mit Leerverkäufen gegen die Deutsche Bank-Aktie mehr als 100 Millionen Dollar Gewinn erzielt hätten.
Offenbar steigt das Engagement der Shortseller sogar. Am Freitag verwendeten Shortseller nach Berechnungen der Datenfirma Ortex etwa 2,3 Prozent der frei handelbaren Aktien gegen die Deutsche Bank. Am Montag seien es vermutlich schon rund 3,3 Prozent der Anteile gewesen, erklärte Ortex-Mitgründer Peter Hillerberg gegenüber dem manager magazin. Das entspreche einem Zuwachs von rund 57 Millionen Aktien. Nur agieren die Leerverkäufer bis auf Marshall Wace bislang im Dunkeln.
Der Hedgefonds wurde 1997 von Paul Marshall und Ian Wace gegründet und rangierte zuletzt im Ranking der größten Hedgefonds weltweit auf Position zwölf. Legende George Soros (92) gab damals Geld. Seit 2015 ist der Private-Equity-Riese Kohlberg Kravis Roberts (KKR) an der Firma beteiligt, inzwischen mit mehr als 39 Prozent der Anteile. Marshall Wace verwaltete mit mehr als 400 Mitarbeitern zuletzt nach eigenen Angaben ein Vermögen von rund 55 Milliarden Dollar. Spezialität ist der Aufbau von Short-Positionen, weswegen andere Investoren oft schauen, wie "der Marschall" am Markt agiert. Laut Bundesanzeiger haben die Londoner jüngst unter anderen Leerverkaufspositionen auch gegen andere börsennotierte Unternehmen aus Deutschland aufgebaut. Darunter allein in der vergangenen Woche gegen Covestro (1,62 Prozent der Aktien), Aurelius (0,59 Prozent), Vonovia (0,5 Prozent), Hellofresh (2,32 Prozent), Delivery Hero (0,90 Prozent) und Aroundtown (0,91 Prozent).
Für Marshall Wace ist es nicht die erste Wette gegen die Deutsche Bank. Laut Bundesanzeiger hatte der Hedgefonds zwischen 2016 und 2020 regelmäßig Anteile zwischen 0,5 und 2 Prozent der Anteile als Leerverkaufsposition gemeldet. Seit März 2020 waren die Londoner allerdings in Sachen Deutsche Bank keine neuen, nennenswerten Wetten mehr eingegangen. Das hat sich nun geändert.
Ortex hat berechnet, dass sich das Short-Interesse an den in Europa und den USA notierten Aktien des Bankhauses in den vergangenen zwei Wochen auf insgesamt 360 Millionen Dollar verdoppelt habe. Insgesamt, so Ortex-Mann Hillerberg, sei seit September 2020 nicht mehr ein so hoher Anteil von Deutsche-Bank-Aktien verliehen gewesen wie aktuell. "Wir sehen bis jetzt keine Trendänderung."
Das Analysehaus bezieht seine Informationen nicht nur aus offiziellen Quellen wie dem Bundesanzeiger. "Wir erhalten unsere Daten von Wertpapierverleihern, Kreditvermittlern, Broker-Dealern und Prime Brokern, im Wesentlichen jedem, der am Verleihen und Leihen von Wertpapieren beteiligt ist", sagt Hillerberg. Diese Daten würden täglich aktualisiert.
Ob die deutschen Aufseher bei der Bafin abgesehen von Mashall Wace ein ähnlich steigendes Interesse an Leerverkäufen bei Deutsche-Bank-Aktien feststellen, lässt eine Sprecherin unkommentiert und verweist auf die Transparenzregeln. Darin heißt es, dass die Bafin über Netto-Leerverkaufsposition ab 0,1 Prozent des ausgegebenen Aktienkapitals des betreffenden Unternehmens informiert werden müsse, aber erst ab einem Anteil von 0,5 Prozent die Position im Bundesanzeiger veröffentliche.
An den Kapitalmärkten sorgen Leerverkäufer immer wieder für Aufsehen. Zuletzt knöpfte sich etwa der Hedgefonds Hindenburg Research den US-Bezahlanbieter Block von Twitter-Gründer Jack Dorsey (46) sowie den indischen Giganten Adani vor. Eine entscheidende Rolle spielten sie auch im Wirecard-Skandal, beim Leasing-Anbieter Grenke und bei US-Elektroautobauer Nikola.
Wie lange Marshall Wace die Deutsche-Bank-Aktien shorten wird, ist derzeit nicht bekannt. Sinkt der Anteil unter die meldepflichtige Schwelle von 0,5 Prozent, muss dies erneut bekannt gegeben werden. Vorerst jedoch wurden die Shortseller enttäuscht: Die Aktie der Deutschen Bank hat sich zunächst einmal wieder erholt.