Schwierige Zinsentscheidung EZB hebt Leitzins um 0,50 Prozentpunkte trotz Bankturbulenzen an

Schwere Entscheidung: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat den Leitzins trotz der Börsenturbulenzen um 0,5 Prozentpunkte erhöht
Foto: Arne Dedert / dpaDie Europäische Zentralbank setzt trotz der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor und an der Börse ihren Zinserhöhungskurs fort. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde (67) beschlossen am Donnerstag auf ihrer zweiten geldpolitischen Sitzung in diesem Jahr, im Kampf gegen die hohe Inflation wie im Februar die Schlüsselsätze um einen halben Prozentpunkt anzuheben.
Damit liegt der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz künftig bei 3,00 Prozent, diesen Satz erhalten Geldhäuser von der Notenbank für das Parken überschüssiger Gelder. Der zentrale Leitzins wiederum steigt auf 3,5 Prozent – zu diesem Zinssatz können sich die Geschäftsbanken künftig bei der EZB Geld leihen. Höhere Zinsen gelten als Mittel gegen die Teuerung – sie wirken aber auch bremsend auf das Wirtschaftswachstum.
Die Währungshüter bekräftigten zudem ihre Entschlossenheit, eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Zwei-Prozent-Ziel sicherzustellen. "Die erhöhte Unsicherheit verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig ein datengestützter Ansatz bei den Leitzinsbeschlüssen des EZB-Rats ist", hieß es weiter. An der Börse reagierte der Dax zunächst mit Verlusten auf die Zinsentscheidung, drehte dann allerdings wieder ins Plus (zum Börsenbericht geht es hier)
Die Währungshüter erklärten zu den Börsenturbulenzen, sie beobachteten die aktuellen Marktspannungen genau. Die EZB sei bereit, so zu reagieren, wie nötig, um Preis- und Finanzstabilität im Euro-Raum zu wahren. "Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide", erklärte die Euro-Notenbank. Die EZB besitze alle Instrumente, um das Finanzsystem notfalls mit Liquiditätshilfen zu unterstützen.
Die Furcht vor einer neuen Bankenkrise hatte in den vergangenen Tagen an den Börsen heftige Turbulenzen ausgelöst. Erst hatte der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA den Bankensenktor an den Börsenplätzen in den Vereinigten Staaten und in Europa nach unten gezogen. Dann fachte die Vertrauenskrise bei der Credit Suisse, der zweitgrößten Bank der Schweiz, die Unruhe an den Finanzmärkten erneut an. Die Credit Suisse erhält nun maßgeschneiderte Hilfe von der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Das Institut will bei der SNB Kredite über bis zu 50 Milliarden Franken aufnehmen.
Keine einfache Entscheidung – Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel
Für die Europäische Zentralbank war dies daher keine einfache Zinsentscheidung, denn die Euro-Wächter müssen auch die Stabilität des Finanzsystems im Blick halten. Auf der anderen Seite hatten Notenbankchefin Lagarde und andere Währungshüter zuletzt wiederholt die Absicht bekräftigt, im Kampf gegen die hohe Inflation einen erneuten großen Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte zu gehen. Damit stand auch ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.
Denn die Inflation im Euro-Raum ließ zwar zuletzt leicht nach – sie sank im Februar auf 8,5 Prozent von 8,6 Prozent im Januar. Doch das Notenbank-Ziel einer Teuerung von 2,0 Prozent liegt damit immer noch weit entfernt. Zudem nahm die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie – und Lebensmittelpreise ausgeklammert bleiben, im Februar auf 5,6 Prozent zu nach 5,3 Prozent im Januar. Das bereitet den Währungshütern Sorgen: Denn dies könnte Hinweise darauf geben, dass der starke Preisschub womöglich noch länger anhält als bislang gedacht.
Trotz der Sorgen vor einer neuen Finanzkrise nach den Turbulenzen um die Silicon Valley Bank und die Credit Suisse begrüßt die Branche die erneut kräftige Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank. "Die EZB hat heute richtig entschieden, trotz der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten an ihrer zuvor angekündigten Zinserhöhung festzuhalten", sagte der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley. "Eine Pause der Zinserhöhungen hätte die Unruhe an den Finanzmärkten womöglich noch verstärkt."
Banken, Versicherer und Volkswirte begrüßen Zinserhöhung
Volkswirte äußerten sich in ersten Reaktionen positiv. Es sei richtig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch einmal einen großen Zinsschritt gemacht habe, sagte der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, Friedrich Heinemann. "Alles andere wäre ein Zeichen der Panik gewesen und hätte die Verunsicherung noch vergrößert." Auch aus Sicht des Chefvolkswirts des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley, hätte eine Pause der Zinserhöhungen die Unruhe an den Finanzmärkten womöglich noch verstärkt. "Die EZB hat heute richtig entschieden, trotz der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten an ihrer zuvor angekündigten Zinserhöhung festzuhalten."
Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) sprach sich für weitere Zinsschritte aus. "Die EZB sollte ihren Kurs weiter fortsetzen, damit die Inflation mittelfristig und nachhaltig zurückgedrängt werden kann", sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Henriette Peucker. "Die Inflation im Euroraum ist hartnäckig. Das schlägt durch auf die weiterhin hohen Inflationserwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher."
Ähnlich sieht das der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). "Da die Geldwertstabilität das primäre Ziel der EZB und die Finanzstabilität dem nachgeordnet ist, ist der heutige Zinsschritt um 50 Basispunkte der richtige Schritt", sagte der GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Die EZB dokumentiere zwar spät aber entschlossen, die Inflation an die Zielmarke von zwei Prozent zurückzubringen, sagte Asmussen, der einst selbst im EZB-Direktorium saß.