Gemeinschaftswährung auf Höhenflug Was Investoren über die Euro-Rally wissen sollten

Euro-Scheine: Die europäische Gemeinschaftswährung ist an den Finanzmärkten seit Wochen gefragt.
Foto: DPAEin Plus von 5 Prozent binnen drei Wochen, das gibt es am Devisenmarkt nicht alle Tage. Dem Euro (Kurswerte anzeigen) ist genau das gelungen: Seit Mitte Mai ist die europäische Gemeinschaftswährung beispielsweise gegenüber dem US-Dollar um etwa 5 Prozent im Wert gestiegen. Es ist die längste Serie ununterbrochener Tage mit Kursgewinnen seit Jahren. Ein Euro kostet inzwischen bereits wieder beinahe 1,14 Dollar - manche Beobachter sehen schon einen Wechselkurs von 1,20 Dollar in erreichbarer Nähe.
Als Hauptgrund für die Euro-Stärke gilt das entschiedene Auftreten von europäischer Politik und Europäischer Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Nicht durch Zufall begann der jüngste Anstieg des Euro-Kurses exakt, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emanuel Macron ihren gemeinsamen Vorschlag eines 500 Milliarden Euro schweren europäischen Rettungsfonds präsentierten, dessen mögliches Volumen von Seiten der EU-Kommission inzwischen sogar noch auf 750 Milliarden Euro erhöht wurde.
Hinzu kommt das Corona-Hilfsprogramm der EZB: Unter dem Label "PEPP" wollte die Notenbank ursprünglich 750 Milliarden Euro in die Finanzmärkte pumpen. Auch dieses Volumen wurde mittlerweile um 600 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro erhöht.
"Es ist ein zweigleisiger Angriff der Europäer", fasst es Mohammed Kazmi, Portfoliomanager bei Union Bancaire Privée gegenüber dem "Wall Street Journal" zusammen. "Es gibt die Unterstützung durch die EZB und die Unterstützung durch den EU-Rettungsfonds."
Keine Kaufkraftparität zwischen Euro und Dollar
Andere Experten verweisen zudem auf das Zinsgefälle zwischen dem US-Dollar-Raum und dem Euro-Raum, das aufgrund der Zinssenkungen der US-Notenbank Fed zuletzt flacher geworden sei, was dem Euro ebenfalls Auftrieb gebe. "Die Zinsdifferenz zwischen dem US-Raum und dem Euro-Raum hat sich in den letzten Wochen deutlich eingeengt", sagt etwa Martin Stötzel vom Vermögensverwalter Rhein Asset Management in Luxemburg. "Dahinter stand zu Beginn der politische Druck des US-Präsidenten auf die Notenbank. Die Antwort der US-Notenbank und der US-Regierung auf die Corona-Krise trug in den vergangenen Wochen zu der Entwicklung bei. Das gigantische und im Vergleich zu Europa erheblich aggressivere Kaufprogramm der Fed am Anleihemarkt für US-Treasuries, aber vor allem auch am Markt für Unternehmensanleihen zieht den Zins weiter herunter."
Bleibt nicht zuletzt die mangelnde Kaufkraftparität zwischen Euro und Dollar, die von Experten als weiterer Grund für den Aufwärtstrend der europäischen Währung genannt wird: Wechselkurse fungieren auch als Ausgleich, durch den Preis- und Einkommensunterschiede nivelliert werden können, so dass am Ende Konsumenten mit gleichen Geldbeträgen beiderseits der Währungsgrenze ähnliche Einkäufe tätigen können.
Zwischen Euro und Dollar besteht diesbezüglich derzeit Experten zufolge allerdings keineswegs ein Gleichgewicht. Nach Angaben von Wolfgang Juds von Credo Vermögensmanagement beispielsweise ist der Euro zurzeit etwa 30 Prozent günstiger als der Dollar. Auch Rhein-Asset-Management-Experte Stötzel sagt: "Die Kaufkraftparität liegt nach verschiedenen Schätzungen von Analysten bei rund 1,25 Dollar bis 1,30 Dollar je Euro."
So gesehen bestünde also trotz des jüngsten Anstiegs noch Potenzial nach oben für den Euro. Aber wird er wirklich weiter steigen? Zweifel scheinen angebracht. Erinnert sei beispielsweise an die Monate März und April dieses Jahres, als der Euro binnen weniger Wochen schon einmal einen ähnlichen Ausreißer nach oben machte, nur um kurz darauf noch rasanter wieder nach unten zu rauschen. Ähnliches könnte jetzt wieder bevorstehen. Eine Analyse des Finanzinformationsdienstes Bloomberg jedenfalls ergab: Der Euro ist auf dem aktuellen Wechselkursniveau bereits "überkauft".
Auch Tobias Frei, Portfolio-Manager beim Investmenthaus Bantleon, hält es für verfrüht, die jüngste Aufwärtsbewegung in Richtung der Marke von 1,20 Dollar je Euro fortzuschreiben. "Einerseits sind kurzfristig orientierte Anleger bereits in hohem Maß im Euro investiert", sagt er. "Andererseits ist die Einigung auf den Wiederaufbaufonds aufgrund der Forderungen von Österreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark wahrscheinlich nur möglich, wenn Deutschland zu weiteren Zugeständnissen bereit ist." Sprich: Noch ist keineswegs sicher, dass der gefeierte 750-Milliarden-Euro-Rettungsplan der EU Realität wird.
"Wir brauchen den Dollar zur Diversifizierung"
Nicht zuletzt sollte nicht vergessen werden, dass die momentane Stärke des Euro zum Teil auch lediglich das Spiegelbild der Schwäche ist, die der US-Dollar in den vergangenen Wochen erlebte. Die US-Währung gilt als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten - eigentlich ein Vorteil während einer weltweiten Krisensituation wie momentan. Zuletzt herrschte an den Aktienmärkten jedoch die Euphorie vor, die Wirtschaft könnte sich schnell wieder von den Folgen der Pandemie und der weltweiten Lockdowns erholen. Während also die Aktienkurse rund um den Globus stiegen, verlor der Dollar an Attraktivität und Wert.
Wie schnell sich eine solche Entwicklung jedoch umkehren kann, zeigte sich just in dieser Woche: Nachdem die US-Notenbank Fed einen pessimistischen Ausblick auf die Zukunft der Wirtschaft gegeben hatte, zogen sich Investoren von den Börsen zurück. Sollte das Comeback der Konjunktur doch nicht so reibungslos gelingen, wie gedacht?
Anleger, die von solchen Zweifeln geplagt sind, wandten sich am Mittwoch und Donnerstag verstärkt den "sicheren Häfen" zu: beispielsweise Gold sowie dem US-Dollar. Der Greenback legte infolge der Fed-Aussagen spontan um 0,6 Prozent zu - und der Euro gab um etwa 0,4 Prozent nach.
Was heißt das alles also für Geldanleger? Sollen sie auf die jüngste Euro-Rally reagieren? Und wenn ja, wie?
"Ruhe bewahren", rät Vermögensverwalter Juds. Er würde stets einen Teil des Vermögens in US-Dollar anlegen. "Wir brauchen den Dollar zur Diversifizierung - auch wenn er vorübergehend zur Schwäche neigt. Die nächste Krise kommt bestimmt. Dann ist der Dollar wieder gefragt."
"Anleger sollten sich von der aktuellen Bewegung nicht verunsichern lassen", meint auch Christian Köpp vom Vermögensverwalter Oberbanscheidt & Cie. "Für den Euro-Anleger bedeuten die aktuellen US-Dollar-Verluste zwar kurzfristig Verluste bei US-Aktien, US-Renten oder auch Fonds mit hohem Dollar-Anteil. Aber diese Bewegungen sind noch in einem normalen Bereich."
Tatsächlich hilft womöglich ein Blick zurück, um den augenblicklichen Wechselkurs zwischen Euro und Dollar richtig einordnen zu können. Trotz des 5-prozentigen Anstiegs der vergangenen Wochen bewegt sich der Euro-Kurs nach wie vor auf einem Niveau, wie es seit 2015 in jedem Jahr mindestens einmal erreicht wurde - sei es, während einer Aufwärtsbewegung, oder sei es, während einer Abwärtsbewegung.