Nervöse Investoren Krise der Silicon Valley Bank belastet Bankaktien

Die Krise der amerikanischen Silicon Valley Bank führt zum Ausverkauf europäischer Bankenwerte. Einige Experten warnen davor, die Probleme des Start-up-Finanzierers auf den gesamten Sektor zu übertragen. Gleichwohl stürzt die Aktie der Deutschen Bank um fast 10 Prozent.
Vertrauenskrise im Bankensektor: Die Silicon Valley Bank finanziert vor allem Tech-Unternehmen

Vertrauenskrise im Bankensektor: Die Silicon Valley Bank finanziert vor allem Tech-Unternehmen

Foto: Dado Ruvic / REUTERS

Der dramatische Kurssturz bei der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB Financial Group) hat den gesamten Bankensektor angesteckt und lauernde Probleme zum Vorschein gebracht. "Zwar deutet die SVB wohl nicht auf eine breitere Bankenkrise, könnte sie dennoch der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt", sagt Analyst Neil Wilson von Markets.com.

Der S&P 500 Bankenindex fiel am Freitag um 4,2 Prozent nach einem Rückgang von 6,6 Prozent am Donnerstag. Der europäische Stoxx-Bankenindex fiel um fast 5 Prozent und verzeichnete damit den stärksten Tagesrückgang seit März 2022, wobei die meisten großen Kreditinstitute nachgaben, darunter HSBC mit einem Minus von 6,1 Prozent, die Aktie der Deutschen Bank verlor im Dax fast 10 Prozent.

Die Aktien der auf die Finanzierung von Tech-Start-ups spezialisierten SVB hatten am Donnerstag an der Wall Street einen Rekord-Tagesverlust erzielt und damit Börsenwerte von rund 80 Milliarden Dollar ausgelöscht. Am Freitagnachmittag (MEZ) brachen die Papiere der Silicon Valley Bank  um weitere 63 Prozent ein, der Handel in New York wurde mit den Papieren ausgesetzt.

SVB-Aktie vom Handel ausgesetzt

Bei der SVB-Gruppe, zu der die Silicon Valley Bank gehört, hatte der stets steigende Liquiditätsverbrauch ihrer Kunden aus dem Startup-Bereich die Einlagen schnell gedrückt. Um den Liquiditätsbedarf abzudecken, verkaufte die SVB ihr Anleiheportfolio mit einem Verlust von 1,8 Milliarden Dollar – etwa so viel, wie der Nettogewinn der Finanzgruppe 2021. Um ihre Bilanzen zu stärken und diese Verluste abzufedern, platzierte die SVB Aktien im Wert von 1,75 Milliarden Dollar auf den Markt.

Die Entwicklungen verursachten eine Vertrauenskrise im Bankensektor: Denn die SVB habe einen viel zu hohen Anteil ihrer Vermögenswerte in langfristige US-Staatsanleihen investiert, die sie für eine sichere Anlage hielt – doch nun sind sie viel weniger wert, schreibt Analyst Wilson in einem Kommentar.

"Finanzierungsdruck eigentümlich für die Silicon Valley Bank"

"Die Investoren warten jetzt auf Klarstellungen der großen Banken, ob und in welchem Ausmaß die Probleme von SVB Financial auch auf sie zutreffen", sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets. Viele Banken hielten Anleihen, deren Kurse teilweise deutlich eingebrochen seien. Auch deutsche Geldhäuser stünden jetzt im Visier, weil der Start-up-Finanzierer SVB Financial etwas offenbart habe, was auch sie angehen könnte: nicht realisierte Verluste im Anleiheportfolio, so Stanzl.

Wenn auch UBS-Chief Investment Officer Mark Haefele meinte, die "reflexartige Reaktion des Marktes" sei übertrieben, sahen sich dennoch einige Banken veranlasst, den Markt zu beruhigen und gaben Erklärungen ab, wie man sie seit der Finanzkrise nicht mehr gesehen hat: Die Commerzbank zum Beispiel spielte jegliche Bedrohung durch die SVB herunter und erklärte, sie sehe "kein entsprechendes Risiko für uns".

Commerzbank versucht zu beruhigen

"Die Stimmung ist, was den Bankensektor angeht, sehr fragil nach dem Aktienverkauf von SVB, der Sorgen vor Kapitalisierungsrisiken im Sektor ausgelöst hat", sagt Marktanalystin Fiona Cincotta von City Index. "Das öffnet den Investoren die Augen für ein Problem, das sie bisher nicht auf dem Radar hatten." Die US-Bank Morgan Stanley geht allerdings in einer ersten Reaktion nicht davon aus, dass das Phänomen SVB auch auf weitere Institute in der Region anwendbar sei: Der Finanzierungsdruck sei eigentümlich für die Silicon Valley Bank.

Nach dem drastischen Kurssturz versucht die SVB ihre Kunden auf dem Wagniskapitalmarkt zu beruhigen. SVB-Chef Gregory Becker (52) habe sie angerufen und versichert, dass ihr Geld bei dem Institut geschützt sei, sagten zwei Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die Investoren blieben jedoch trotz der Platzierung der Aktien besorgt: Die Bank zählt Tech-Unternehmen zu ihren wichtigsten Kunden, die seit dem vergangenen Jahr mit einer stets verschlechternden finanziellen Lage kämpfen, auch weil durch die Anhebung der Zinsen der US-Notenbank Fed die Aufnahme von Krediten teurer wird. SVB-Chef Becker informierte die Investoren in einem Brief über die Risiken: Seine Unternehmenskunden verbrauchten immer mehr Liquidität, was zu niedrigeren Einlagen führe.

Einige Start-ups würden bereits ihren Geldgebern empfehlen, Kapital von dem Institut vorsichtshalber abzuziehen. Dazu gehört auch der Founders Fund von US-Tech-Investor Peter Thiel (55), sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. Die SVB war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.hbar.

hr, rei/reuters
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