Healthineers, Epcos, Osram, Infineon So schlagen sich Siemens' Ex-Töchter an der Börse

Computertomograph von Siemens Healthineers
Foto: SiemensWas der Siemens-Konzern da in die Wege leitet, dürfte ohne Weiteres der größte Börsengang seit Jahren werden - und das obwohl nur ein Minderheitsanteil der in Siemens Healthineers umgetauften Medizintechniksparte verkauft werden soll.

Auf eine Bewertung von bis zu 40 Milliarden Euro wird spekuliert. Da die Healthineers mit einer Marge von 18 Prozent zu den größten Gewinnbringern für Siemens zählen und im globalen Wettbewerb mit medizinischen Großgeräten ziemlich weit vorn sind, scheint sich die Börsenstory wie von selbst zu schreiben. Andererseits gibt es auch immer wieder Berichte, denen zufolge Siemens intern fürchtet, die aktuelle Dominanz sei auf Dauer durch den digitalen Wandel gefährdet.
Michael Sens Ambitionen für die Healthineers könnten zu hoch gegriffen sein. Oder verabschiedet sich Siemens gerade rechtzeitig von einem Geschäft, das gut läuft, aber neue Lasten mit sich bringt? Da lohnt sich ein Blick auf vergangene Spin-Offs und Verkäufe von Siemens-Sparten.
Gamesa: Streit mit den spanischen Partnern

Windrad von Siemens Gamesa
Foto: REUTERSDie Fusion der Siemens-Windkraftsparte mit dem spanischen Wettbewerber Gamesa ist noch kein Jahr alt - hat aber schon reichlich böses Blut erzeugt. Nicht nur bei den Beschäftigten, die von einem Kahlschlag tausender Stellen anstelle des nah geglaubten Aufstiegs zum Weltmarktführer überrascht wurden. Auch Großaktionär und -kunde Iberdrola ist in offenen Streit mit Siemens geraten und zeigte seinen Ärger mit einem Großauftrag für den dänischen Rivalen Vestas.
Siemens Gamesa ist ein Sanierungsfall. Der deutsche Konzern hat die Arbeit zwar an das Management im Baskenland delegiert, bestimmt aber als Haupteigner den Kurs. Das Beispiel dürfte auch in Frankreich aufmerksam beobachtet werden, wo mit dem Zughersteller Alstom der nächste Zusammenschluss nach demselben Muster geplant ist.
Performance der Siemens-Gamesa-Aktie einschließlich (Sonder-)Dividende seit 3. April 2017: minus 13,3 Prozent
Performance der Siemens-Aktie in derselben Zeit: minus 10,7 Prozent
Osram: "Das Kind ist erwachsen geworden"

Osram-Zentrale in München
Foto: DPANoch aufschlussreicher für die Healthineers könnte der Fall Osram sein: Die Lichttechnik wurde - noch vor dem Antritt des heutigen Siemens-Chefs Joe Kaeser - zunächst zum Teil an die Börse gebracht. Erst seit Ende 2017 ist Siemens fast komplett aus dem vor knapp 100 Jahren übernommenen Geschäft ausgestiegen.
In der Zwischenzeit gab es noch heftigeren Streit als mit den spanischen Gamesa-Partnern. Siemens verweigerte Osram-Chef Olaf Berlien auf der Hauptversammlung 2016 sogar die Entlastung. Sein Strategiewechsel mit dem Verkauf des Haushaltsleuchtengeschäfts nach China und dem Bau einer LED-Chipfabrik in Malaysia sei erstens riskant und zweitens schlecht kommuniziert, was den Aktienkurs belastet habe. Inzwischen allerdings zeigt der Osram-Kurs weit nach oben - auch nachdem Kaeser sich gönnerhaft von der Ex-Tochter verabschiedete: "Ich glaube, das Kind ist erwachsen geworden."
Performance der Osram-Aktie einschließlich Dividende seit 8. Juli 2013: plus 198 Prozent
Performance der Siemens-Aktie in derselben Zeit: plus 66 Prozent
Nokia: Das einstige Problemgeschäft blüht auf

Nokia-Zentrale in Espoo, Finnland
Foto: Vesa Moilanen/ APNokia, war da was? Der einst bewunderte Weltmarktführer der Mobiltelefonie läuft weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit, bekannt vor allem dafür, den Siegeszug des Smartphones verschlafen zu haben. Passend, dass Siemens in Richtung Finnland 2013 die letzten Reste seiner Kommunikationssparte, die Netzwerkausrüster von Nokia Siemens Networks, losgeworden ist. Zuvor verbuchten die Münchener reihenweise Milliardenabschreibungen in der Sparte - wohl fast auf Null.
Doch inzwischen sieht nicht nur Kaeser den Umgang des Konzerns mit seinen eigenen Wurzeln - Siemens begann als Telegrafenbauanstalt - rückblickend als Fehler an. Nokia seinerseits scheint seine Rolle als führender Installateur der digitalen Infrastruktur gefunden zu haben.
Seit dem Siemens-Deal ging es mit dem Kurs nach oben, auch weil aus heutiger Sicht Randgeschäfte wie der verbliebene Mobilfunkanteil (an Microsoft) und die digitale Kartografie Here (an deutsche Autokonzerne) abgestoßen wurden. Der teure Zukauf des Wettbewerbers Alcatel-Lucent drückte den Aktienkurs zwar, unterm Strich läuft Nokia aber besser als Siemens.
Performance der Nokia-Aktie einschließlich Dividende seit 1. Juli 2013: plus 92 Prozent
Performance der Siemens-Aktie in derselben Zeit: plus 67 Prozent
Atos: Die Franzosen haben noch mehr Appetit auf Siemens-Geschäft

Atos-Zentrale in Bézons bei Paris
Foto: AFPÄhnlich liegt der Fall bei Atos. Der französische IT-Dienstleister hat die ehemalige Siemens IT Solutions (SIS) 2011 übernommen - zur Erleichterung der damaligen Siemens-Führung um Peter Löscher, die auch noch mit den Folgen des vor allem in der Kommunikationssparte offenkundigen Korruptionsskandals rang.
Den Franzosen hat der Kauf offenbar nicht geschadet. Sie bekamen sogar noch einmal Appetit auf weiteres Siemens-Geschäft und übernahmen Ende 2017 zusätzlich die Firma Siemens Convergence Creators.
Performance der Atos-Aktie einschließlich Dividende seit 1. Juli 2011: plus 230 Prozent
Performance der Siemens-Aktie in derselben Zeit: plus 46,5 Prozent
Infineon: Fulminantes Comeback reicht noch nicht

Damaliger Infineon-Chef Ulrich Schumacher vor der Frankfurter Börse (13.3.2000)
Foto: A3250 Oliver Berg/ dpaInfineon ist für Anleger, die auf dem Höhepunkt des Neuen Marktes dem Börsenrausch verfielen, ein Reizwort. Der Chipfabrikant wurde von Siemens im März 2000 an die Börse gebracht, der Auftritt des damaligen Vorstandschefs Ulrich Schumacher im Renn-Porsche sollte noch lange die Gemüter erregen, weil die Aktie nach einem schnellen Höhenflug über 90 Euro sehr schnell wieder abstürzte. Dividende gab es einmal üppig, dann jahrelang gar nicht.
Siemens hatte sich schadlos gehalten, wie es schien. Umso mehr, als Infineon das Beispiel mit seiner eigenen Abspaltung Qimonda nicht wiederholen konnte. Deren Pleite riss Infineon beinahe mit in den Umgang, im Krisenjahr 2009 wurde die Aktie als Pennystock weit unter einem Euro gehandelt.
Das seitdem gefeierte fulminante Comeback mit Rückkehr in den Dax und seit 2010 wieder regelmäßig gezahlten (und steigenden) Dividenden reicht zwar bei weitem nicht an den ersten Börsenkurs von 77,95 Euro heran. Doch diesen können die gebrannten Aktionäre nicht Siemens anlasten. Der Ausgabepreis von 35 Euro, zu dem sie die Papiere zeichnen durften, ist nicht ganz so weit entfernt.
Performance der Infineon-Aktie einschließlich Dividende seit 13. März 2000: minus 31,5 Prozent
Performance der Siemens-Aktie in derselben Zeit: plus 26,6 Prozent
Epcos: Vergessen und abgeschrieben

Epcos-Produktion (undatiertes Archivbild)
Foto: DPAIn dieselbe Ära gehört auch eine weitere Siemens-Abspaltung, von der heute niemand mehr redet: Epcos war aber auch fast drei Jahre lang im Dax vertreten und bereitete den Boden für Infineon. Der Hersteller elektronischer Bauteile wurde jedoch immer weiter zerlegt, Siemens und der japanische Joint-Venture-Parter Matsushita (heute bekannt als Panasonic) trennten sich bald von ihren Anteilen.
2009 stieg der japanische TDK-Konzern ein - und fand bald ein Geschäft, das "viel besser als erwartet" laufe. Inzwischen ist die ehemalige Epcos auch noch für Milliardendeals mit Branchengrößen wie Qualcomm gut. Die Aktionäre haben aber nichts davon. Sie wurden 2009 mit 18,14 Euro je Aktie abgefunden - sofern sie nicht schon längst das Weite gesucht hatten.
Performance der Epcos-Aktie einschließlich Dividende von 15. Oktober 1999 bis 22. Oktober 2009: minus 37 Prozent
Performance der Siemens-Aktie in derselben Zeit: plus 51,2 Prozent