IfW-Chef Dennis Snower
"Deutschland verkauft sich sehr schlecht"
Deutschland-Tadel gehört im internationalen Geschäft fast schon zur Tagesordnung. Zuletzt war es US-Finanzminister Jack Lew, der Deutschlands Exportstärke kritisierte. Das liegt auch an Deutschland selbst - das Land verkauft sich eben schlecht, meint IfW-Chef Dennis Snower.
Dennis Snower: Präsident des Kieler Instituts für Weltwertschaft (IfW) und geistiger Vater des Global Economic Symposiums (GES)
Foto: DPA
mm: Professor Snower, wenn Sie einmal in die Zukunft schauen ...
Snower: Oh je, ich glaube, die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch Ökonomen nicht in die Zukunft schauen können.
mm: Ich formuliere um - woran liegt es, dass wir noch immer über die Finanzkrise reden? Warum ist sie immer noch nicht gelöst, auch wenn die Finanzmärkte zwischenzeitlich etwas anderes signalisieren?
Snower: Das liegt an verschiedenen Ursachen. Zum einen sind es die EU-Gremien, die sich nicht gegenüber Einzelinteressen von Ländern durchsetzen können. Die Erkenntnisse, wie die Krise anzugehen ist, sind ja da. Wir schlagen zum Beispiel nationale Fiskalregeln vor, also klare Regeln für die Staatsverschuldung. Wenn die nicht eingehalten werden, treten automatisch Gegenmaßnahmen in Kraft - zum Beispiel eine Begrenzung der Staatsausgaben.
Im Bankensektor könnten zum Beispiel Coco-Bonds helfen, Institute in einer Krise zu entschulden. Wenn die Eigenkapitalquote unter eine bestimmte Schwelle sinkt, werden Anleihengläubiger zu Aktionären - und bremsen mit ihrem Mitbestimmungsrecht riskante Geschäfte aus. Wann immer ich mit Staatenlenkern darüber rede, zeigen sich alle einsichtig und nicken, das klinge vernünftig. Dann besprechen sie sich mit den Bankvorständen, die aufstöhnen.
mm: Welche Rolle spielt es, dass Ideen aus Brüssel in den Ländern inzwischen mit Skepsis aufgenommen werden?
Snower: Es zeigt, dass die Menschen mitgenommen werden müssen. Wer das versäumt, kann nicht erwarten, dass längerfristig Geld aus einem wirtschaftlich erfolgreichen Land in ein weniger erfolgreiches Land fließt. Deswegen muss klar sein, warum Geld fließt und wann automatische Mechanismen greifen, die Defizite begrenzen. Wir brauchen da einen klaren Deal.
mm: Ist es nicht schwierig, Strafen auszusprechen, wenn der Betreffende schon massiv verschuldet ist?
Snower: Ich halte nichts von Strafen, sie sind nicht glaubwürdig. Deshalb plädiere ich für eine Regelbindung, die automatisch überhöhten Defiziten entgegen wirkt.
mm: Wie werten Sie eigentlich die Rolle Deutschlands in dem Kontext? Immerhin wurde zuletzt massive Kritik laut am deutschen Exportmodell.
Snower: Deutschland verkauft sich bei diesem Thema in der Welt sehr schlecht. In den 90er war Amerikas Wirtschaft sehr stark. Und niemand kam auf die Idee, das Land dafür zu tadeln. Bei Deutschland ist das offenbar anders.
mm: Warum?
Snower: Vielleicht weil Deutschland mehr tun könnte. Deutschland wäre in der Lage - und das wird auch im Ausland erwartet -, ein Konzept für die Zukunft Europas zu entwickeln, eine Vision. Doch es scheut davor zurück.