Antwort auf Kryptowährungen wie Libra Christine Lagarde lässt digitalen Euro vorbereiten

Christine Lagarde vor Treffen mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz im September
Foto: HANNIBAL HANSCHKE / REUTERSEuropas Währungshüter intensivieren ihre Arbeit an einem digitalen Euro. "Die Menschen in Europa bezahlen, sparen und investieren immer häufiger auf elektronischem Weg. Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde (64), am Freitag laut einer Mitteilung. "Wir sollten darauf vorbereitet sein, einen digitalen Euro einzuführen, sollte dies erforderlich werden."
Technisch würde ein digitaler Euro dem Bitcoin ähneln. Aber im Gegensatz zu der Kryptowährung stünde er unter Aufsicht einer Zentralbank. Digitale Währungen funktionieren auf Basis einer sogenannten Blockchain - also über eine Kette von Datenblöcken, die sich mit jeder Transaktion ausbaut. Ein solcher Euro würde dabei als digitale Einheit existieren und für Online-Geschäfte verfügbar sein.
Die Europäische Zentralbank erklärte, eine solche elektronische Form von Zentralbankgeld könnte von der breiten Bevölkerung genutzt werden - genauso wie Bargeld, nur in digitaler Form. Die Währungshüter versicherten, ein digitaler Euro wäre eine Ergänzung zum Bargeld, kein Ersatz: "In jedem Fall wird das Eurosystem auch weiterhin Bargeld ausgeben." Den Bericht können Sie hier nachlesen.
Digitaler Euro soll Bargeld nicht ersetzen
Bislang hat der EZB-Rat nach Angaben der Notenbank in Frankfurt keinen Beschluss zur Ausgabe eines digitalen Euro gefasst. Geplant ist nun ein Austausch mit Bürgern, Wissenschaftlern, dem Finanzsektor und Behörden, um Vor- und Nachteile eines digitalen Euro abzuwägen. Ein öffentliches Konsultationsverfahren werde am 12. Oktober eingeleitet. Gleichzeitig werde die Testphase beginnen, ungeachtet des finalen Beschlusses, teilte die EZB mit.
Der Bankenverband reagierte in einer knappen Erklärung zunächst einmal verhalten auf die Ankündigung der Währungshüter in Brüssel. Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Andreas Krautscheid (59), sagte zu dem Vorhaben: "Der digitale Euro ist ein Zukunftsthema mit höchster Bedeutung für die Sicherheit und Stabilität der europäischen Finanzmärkte, bei dem es aber nach wie vor noch hochrelevante Fragen zu klären gilt."
Die folgende Diskussion müsse sicherstellen, dass Banken eine zentrale Rolle bei der Ausgabe eines digitalen Euros haben. Unter Ökonomen gelten digitale Zentralbankwährungen auch als Mittel, die Banken als Mittler der Geldpolitik ebenso wie die maßgeblich von Banken per Kreditvergabe betriebene private Geldschöpfung auszuschalten. Theoretisch könnten Bürger und Unternehmen auch direkt bei den Zentralbanken Konten unterhalten.
Die Pläne zum digitalen Euro dürfen auch als Antwort auf andere Digitalwährungen wie den Libra oder eben den Bitcoin verstanden werden. Ihren Anhängern gelten sie als das "Geld der Zukunft". Kritiker beklagen dagegen fehlende Kontrolle und damit eine Anfälligkeit für Missbrauch durch Terroristen und andere Kriminelle, vor allem jedoch als Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems. Deshalb möchte die EU-Kommission nach jüngsten Meldungen Kryptowährungen regulieren.
Die wichtigsten Kryptowährungen der Welt
Der Bitcoin ist die bei Weitem älteste und bekannteste Digitalwährung. Er hat zudem mit aktuell etwa 60 Prozent den größten Marktanteil unter den derzeit rund 7000 Kryptowährungen. Entstanden ist der Bitcoin zu Zeiten der Finanzkrise 2008. Sein Erfinder ist bis heute nur unter einem Decknamen bekannt. Wichtigste Merkmale des Bitcoins sind seine dezentrale Organisation und die Verwendung der Datenbanktechnik "Blockchain". Beides zusammen sichert den Bitcoin-Nutzern ein hohes Maß an Anonymität: Zahlungen in Bitcoin sind praktisch nicht nachzuverfolgen.
Ether ist nach Bitcoin die zweitgrößte Digitalwährung der Welt. Ihr Marktanteil beträgt etwas mehr als zehn Prozent. Kennzeichnend für Ether ist zum einen die ebenfalls dezentrale Organisation des zugrundeliegenden Netzwerks Etherum. Zum anderen - und das ist ein wichtiger Unterschied zum Bitcoin - liegt ein Schwerpunkt von Ether auf "intelligenten Verträgen". Bei diesen sogenannten Smart Contracts handelt es sich im Grunde um kleine Computerprogramme, die Verträge nach der Zahlungsabwicklung quasi automatisch ausführen können. Ähnlich wie der Datenbanktechnik Blockchain wird Smart Contracts eine große Zukunft vorhergesagt.
Tether gehört zu den "Stable Coins", deren Wert durch die Unterlegung mit klassischen Anlagen garantiert wird. Im Fall von Tether ist es die weltgrößte Währung US-Dollar. Dadurch wird jedoch eine wichtige Idee des Kryptowährungskonzepts verletzt, nämlich die Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - erfreut sich Tether großer Beliebtheit. Ein Vorteil der Anbindung an den US-Dollar ist nämlich, dass der Kurs im Vergleich zu anderen Digitalwährungen weniger stark schwankt. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Zweifel, ob die behauptete Deckung mit US-Dollar den Tatsachen entspricht.
Ähnlich wie Tether ist Libra eine Digitalwährung nach dem Prinzip "Stable Coins", jedoch mit zwei gewaltigen Unterschieden. Erstens: Es gibt sie noch gar nicht. Zweitens: Hinter Libra steht mit Facebook eines der mächtigsten Technologieunternehmen der Welt. Die Idee von Libra ist, einer Digitalwährung auf breiter Front den kommerziellen Durchbruch zu verschaffen. Das Problem: Staatliche Institutionen sind davon überhaupt nicht begeistert. Zwar untersuchen auch Staaten und Zentralbanken seit Längerem, wie sie sich das Konzept digitaler Währungen nutzbar machen können. Sie lassen sich dabei aber nicht gerne das Zepter aus der Hand nehmen. Auf entsprechend großen Widerstand stößt daher die von Facebook initiierte "Libra Association" mit ihrem Vorhaben.
Schon länger arbeitet China an der digitalen Variante seiner Währung Yuan oder Renminbi. Das Vorhaben steht im klaren Gegensatz zu den freiheitlichen Ideen, die die Vordenker digitaler Währungen einst hatten. Denn eine staatlich unkontrollierte, dezentrale Währung mit anonymisierten Zahlungsvorgängen ist sicherlich nicht das, was die politische Führung der Volksrepublik im Sinn hat. Im Gegenteil dürfte ihr eher daran gelegen sein, Zahlungsvorgänge und damit verbundene Geschäfte möglichst engmaschig zu kontrollieren. Der Digital-Yuan kann damit als eine Art Gegenentwurf zur Ur-Kryptowährung Bitcoin angesehen werden.
Quelle: dpa-afx
Dem Vernehmen nach will die Behörde dabei unter anderem einheitliche Regeln für Kryptowerte wie Bitcoin schaffen. Strengere Auflagen solle es für Digitalwährungen - sogenannte Stablecoins - wie das Facebook-Projekt Libra geben. Hierfür soll die Aufsicht von der nationalen auf die europäische Ebene übertragen werden. Die Kommission plant demnach auch ein sogenanntes Pilotregime, um ein System der verteilten Kassenbücher ("Distributed Ledger Technology") zu ermöglichen. Damit wird deutlich weniger Energie verbraucht als etwa beim "Schürfen" der Bitcoins.