Börsenprofi Thomas Grüner erklärt So bekommen Sie die Emerging Markets richtig in Ihr Depot

Von Thomas Grüner
Börsianer in China: Die Schwellenländer haben sich zuletzt gut entwickelt - wer einsteigen will, muss einiges beachten

Börsianer in China: Die Schwellenländer haben sich zuletzt gut entwickelt - wer einsteigen will, muss einiges beachten

Foto: REUTERS

Das letzte Quartal des Jahres läuft, und die Gewinner und Verlierer im Börsenjahr 2017 zeichnen sich immer deutlicher ab. Wer auf der Sonnenseite der Renditetabelle steht, kann sich der Aufmerksamkeit der Anleger gewiss sein: Schwellenländer (Emerging Markets) befinden sich dementsprechend hoch im Kurs. In lokaler Währung konnte der MSCI Emerging Markets in den ersten drei Quartalen 2017 um 21,3 Prozent zulegen. In Euro berechnet bleiben unter dem Strich zwar nur 11,9 Prozent stehen, dennoch ist die neu entstandene Dynamik in den Emerging Markets bemerkenswert.

Thomas Grüner

Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.

Zu Beginn des laufenden Bullenmarkts als Speerspitze der neuen Aufwärtsbewegung gefeiert, sorgten Wachstumsdellen und eine kritische Schuldenproblematik für schnelle Ernüchterung. In der zähen Seitwärtsphase bis ins Jahr 2016 hinein verloren Anleger zunehmend das Interesse an der "Performance-Bremse" Emerging Markets. Ist der Glanz vergangener Tage jetzt zurückgekehrt? Oder lauert das nächste Strohfeuer auf global orientierte Anleger? Ein differenzierter Blick auf die Schwellenländer ist an dieser Stelle angebracht.

Foto: manager magazin online

Emerging Markets sind eine wichtige Komponente für global orientierte Anleger, allein schon durch die vielfältigen Möglichkeiten zur zusätzlichen Diversifikation. Dennoch sollte man sich als Anleger im ersten Schritt bewusst werden, was eine Investition - beispielsweise in ein breit aufgestelltes Emerging Markets-ETF - so alles mit sich bringt. Anleger begehen häufig den Fehler, gar nicht so genau darauf zu achten, was sie sich eigentlich ins Portfolio holen - gerade wenn das Produkt den Namen "ETF" trägt und durch den hohen Beliebtheitsgrad gar nicht mehr sorgfältig überprüft wird.

Schwerpunkt in Tech und Finanzen: Wette auf Alibaba, Tencent und Samsung

Der MSCI Emerging Markets kann zu 51 Prozent den beiden Sektoren Technologie und Finanzen zugeordnet werden. Eine Übergewichtung, die bei der Zusammenstellung des Gesamtportfolios definitiv beachtet werden sollte. Einzelne Länderindizes der Emerging Markets, die nicht sehr breit aufgestellt sind, zeigen noch viel deutlichere Abweichungen: Der MSCI Korea notiert beispielsweise zu 50 Prozent im Technologiesektor.

Fehlende Marktbreite ist in den Schwellenländern ein übergeordnetes Thema: Allein die fünf größten Einzelwerte machen knapp 19 Prozent des MSCI Emerging Markets aus, und das obwohl insgesamt 839 Aktien darin enthalten sind. Wenige Schwergewichte, viele Leichtgewichte.

Wer die Emerging Markets im Depot abbildet, investiert also zwangsläufig vor allem in die großen Technologieschwergewichte außerhalb der USA, wie Alibaba  , Tencent oder Samsung  . Eventuelle Überschneidungen oder ungewollt gesetzte Schwerpunkte gilt es sorgfältig zu überprüfen.

So behandeln Sie das Fremdwährungsrisiko richtig

Auch das Thema "Fremdwährung", eines der großen (negativen) Themen für global orientierte Investoren aus dem Euroraum im Jahr 2017, darf man bei einer Investition in die Emerging Markets nicht außen vor lassen. Tendenziell machen sich Anleger nur dann Gedanken über Währungen, wenn ihre Portfolioperformance davon negativ beeinflusst wird. Läuft das eigene Portfolio hingegen gut, wird dies allerdings selten der Währungskomponente zugeschrieben, sondern lieber der eigenen Managementleistung - eine klassische Form der Selbstüberschätzung. Gerade deshalb sind Investitionen in Emerging Markets in Bezug auf Währungskomponenten genau zu überprüfen.

Währungen unterliegen Schwankungen und haben somit einen mehr oder weniger großen Einfluss auf Renditen. Doch in welche Währungen investiere ich überhaupt, wenn ich in den Emerging Markets investiere? Die Länderallokation ist hierbei nicht die ultimative Antwort, da manche Aktien nur über sogenannte ADRs handelbar sind, die im Ausland aufgelegt wurden und somit auch nicht in der ursprünglichen Währung notieren. Zu beachten gilt es in jedem Fall, dass es sich in manchen Schwellenländern um "schmale" Währungsräume handelt, die vor allem kurzfristigen Schwankungen leicht unterworfen werden. Auch hier gilt es, den Einfluss auf die Währungsallokation des Gesamtportfolios genauer zu untersuchen, da gerade bei "heißen" oder "trendigen" Themen wie Emerging Markets die Jagd nach überdurchschnittlichen Renditen den Währungsaspekt immer wieder komplett auszublenden droht.

Schwellenland ist nicht gleich Schwellenland

Sicher ist: Die Emerging Markets sind kein homogenes Feld. Wer also investieren möchte, sollte sich bestimmter Tatsachen bewusst sein. Nur weil die Wirtschaft der Emerging Markets dazu tendiert, stärker zu wachsen als die der Industriestaaten, bedeutet das nicht, dass alle Komponenten und alle Aktien generell positiv zu bewerten sind. Nicht nur die Währungen und Sektorenschwerpunkte unterscheiden sich in den verschiedenen Ländern, sondern vor allem die wirtschaftlichen und politischen Einflussfaktoren.

Beispielsweise befindet sich Korea wirtschaftlich in den Emerging Markets, weist andererseits sehr typische Eigenschaften eines entwickelten Industriestaats auf (starke demokratische Prinzipien wie Gewaltenteilung und freie Wahlen). Die OECD listet Korea somit auch in der Kategorie "Developed Countries" auf. Vergleicht man die koreanischen Strukturen nun beispielsweise mit denen in Pakistan, die seit diesem Jahr Bestandteil des MSCI Emerging Markets sind, treffen Welten aufeinander - politisch und wirtschaftlich.

Der MSCI Pakistan besteht genau aus sechs Aktien, davon drei aus der Finanzindustrie, zwei aus dem Sektor "Materials" und eine aus dem Energiesektor - die Privatwirtschaft ist quasi nicht existent. Gleichzeitig besteht eine große politische Unsicherheit. Der höchste Gerichtshof Pakistans entließ Premierminister Nawaz Sharif im Juli dieses Jahres wegen Korruption zum dritten Mal aus dem Amt - und nicht nur hier ist Korruption omnipräsent. In vielen Ländern der Emerging Markets stellt sie ein großes wirtschaftliches Problem dar und sorgt für Unsicherheiten - niemals ein gutes Signal für Aktien.

Diese beiden Länder stellen Extrembeispiele innerhalb der Gruppe der Emerging Markets dar und verdeutlichen die Heterogenität dieser Region. Eine sorgfältige Analyse ist jedoch auch bei den weiteren Komponenten hilfreich, um Investitionen in die Emerging Markets ganzheitlich zu verstehen. Finanzmärkte in Taiwan funktionieren ähnlich wie in Korea und politische Korruption ist ein relativ unproblematisches Thema. In Südafrika ist die Wirtschaft sehr konsum- und finanzorientiert bei gleichzeitig tumultartigen politischen Gegebenheiten. Premierminister Jacob Zuma ist in einen Korruptionsskandal verwickelt und versucht durch verschiedene populäre Maßnahmen wie beispielsweise der Neuregelung der Minenkonzessionen seinen Kopf zu retten. Märkte haben all diese Dinge möglicherweise eingepreist - die weiteren Entwicklungen im Auge zu behalten ist für Investoren jedoch zwingend notwendig.

Fazit

Für eine umfassende Analyse der Emerging Markets genügt es nicht, sich Bevölkerungsentwicklungen, jährliche Wachstumsraten und Steigerungen des Bruttoinlandsprodukts zu betrachten. Wachstumsraten sind nun einmal meistens rückwärtsgerichtet und bei unsicheren politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten keine Sicherheit für zukünftige Entwicklungen. Begehen Sie nicht den ebenfalls beliebten Investorenfehler die kurzfristige Vergangenheit einfach in die Zukunft fortzuschreiben.

Sehen Sie eher die Chance darin, die Eigenheiten der Emerging Markets für Ihren Vorteil zu nutzen. Wenn Sie beispielsweise von überdurchschnittlich guten Entwicklungen im Technologiesektor überzeugt sind, kann ein Blick nach Taiwan, China oder Korea nicht schaden. Für Investoren, die vom Energiesektor überzeugt sind, könnten Russland und Brasilien interessant sein. Und vergessen Sie nie, dass Sie auch falsch liegen könnten - eine Diversifikation sollte zu keiner Zeit aus dem Fokus geraten.

Sie wollen die Emerging Markets als Bestandteil Ihres global aufgebauten Depots einbinden? Eine gute Idee - tun Sie es, aber überlegt und mit klarem Bewusstsein für die Bestandteile und die Risiken, die Sie damit eingehen. Eine (risikoorientierte) Einbindung in das Gesamtportfolio, bei der nicht nur wirtschaftliche Faktoren sondern auch die (gesellschaftliche und wirtschaftliche) Stimmung sowie politische Risiken einfließen, ist unabdingbar. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass wir uns im finalen Drittel des Bullenmarktes befinden - also kaufen sie die großen, qualitativ hochwertigen Schwergewichte. Denn wenn alle in die Märkte wollen, dann werden vorrangig die Aktien gekauft, die man kennt - und das sind nun einmal die großen, zukunftsträchtigen Werte.

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