Börsenprofi Thomas Grüner zeigt Warum der Aktienmarkt vorläufig nicht abstürzen wird
US-Zinsen - keine Angst vor der Fed


Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.
Wie erwartet hat die US-Notenbank Fed in ihrer Sitzung die Anhebung des Leitzinsniveaus auf 0,75 bis 1,00 Prozentpunkte beschlossen. Angesichts der robusten Datenlage sehen die Experten diesen Schritt als logische Konsequenz an, aller Voraussicht nach sind im Börsenjahr 2017 weitere Zinsschritte zu erwarten.
Erstaunlich, wie leicht das alles von der Hand geht, oder? Man erinnere sich an 2011 und die nachfolgenden Jahre. Damals war die einhellige Meinung: Die Zentralbanken haben sich in eine Sackgasse manövriert. Angesichts der ausufernden Staatsverschuldung würden sich die USA höhere Zinsniveaus nie mehr leisten können. Als Ben Bernanke 2013 das Tapering ankündigte, war das Entsetzen unter Anlegern groß. Ohne die "Geldschwemme der Zentralbanken" würde die liquiditätsgetriebene Hausse nicht lange überleben können.
Falsche Ängste, die sich sukzessive auflösen - ein mächtiger, positiver Treiber für die Aktienmärkte.
Deutsche Aktien - Dax-Rekord in Reichweite

Seit diesem Monat hat der Dax die Marke von 12.000 Punkten wieder überschritten - das Allzeithoch aus dem Jahr 2015 ist fast erreicht. Sind neue Rekordwerte in Reichweite, ist in einem skeptischen Marktumfeld die Höhenangst meist nicht weit. Trump, europäische Wahlen und die Angst vor dem nächsten großen Crash - ist der Markt tatsächlich zu heiß gelaufen?
Das aktuelle KGV im Dax beträgt 15,74, während der langfristige Schnitt der letzten 30 Jahre etwa 19 beträgt. Gerade weil statistisch gesehen kein Trend zur Rückkehr zum langfristigen Mittel existiert und die relative Attraktivität im Verhältnis zu Staats- und Unternehmensanleihen sehr ausgeprägt ist, kann man bezüglich dieser Kennzahl keinesfalls von gefährlichen Höhen sprechen.
Lässt man die Dividenden außen vor und schaut sich nur den Dax-Kursindex an, so fällt zudem auf, dass das (Kurs-)Allzeithoch von 6339 Punkten noch deutlich weiter weg als gedacht ist. Bei einem aktuellen Wert von 5860 Punkten ist also auch optisch noch "Luft nach oben". Für langfristig orientierte Investoren ist sowieso nur die Tatsache entscheidend, dass der übergeordnete Bullenmarkt intakt ist. Neue Höchststände bedeuten keine Obergrenze, sondern sind eher wie ein angenehmer Nebeneffekt zu sehen.
Britische Aktien - Brexit, na und?

Knapp acht Monate ist es her, dass die Briten den Austritt aus der Europäischen Union beschlossen haben. Große Unsicherheit macht seitdem die Runde: Wie ist es um den Zugang zum europäischen Binnenmarkt bestellt? Droht dem Britischen Pfund eine nachhaltige Abwertung und verringern ausländische Unternehmen ihre Investitionsbereitschaft? Direkt am Tag nach dem Referendum entlud sich diese plötzlich aufgetretene Unsicherheit an den Märkten: Der britische Leitindex FTSE 100 und das Britische Pfund gingen kräftig in die Knie.
Seitdem strebt der FTSE 100 allerdings unbeschwert immer neuen Höhen entgegen. Die Austrittsverhandlungen gestalten sich exakt so, wie man es von der Politik erwarten konnte: kompliziert und langwierig. Die Märkte können sich entspannt auf Veränderungen der Situation einstellen und international aufgestellte britische Unternehmen verdienen weiterhin prächtig. Ausländische Investoren, die zum Zeitpunkt des Brexits den "doppelten Discount" über Währung und Kurs mutig genutzt haben, können sich heute sogar über eine deutliche Outperformance gegenüber anderen Aktienindizes freuen.
Intel - Marktführer mit Expansionsdrang

Ist es jetzt schon zu spät, in Technologieaktien zu investieren? Nein, keineswegs!
Wenn es sich um qualitativ hochwertige Unternehmen mit einem gesunden Geschäftsmodell und einer dominanten Marktstellung handelt, dürfte der nachhaltige Aufwärtstrend bei Microsoft (Kurswerte anzeigen), Facebook (Kurswerte anzeigen), Oracle oder auch Intel weitergehen.
Letztgenanntes Unternehmen ist im Bereich der Mikroprozessoren unangefochtener Branchenführer mit einem Marktanteil von 84 Prozent und auch der Umsatz und der Free Cash-Flow sind seit Jahren steigend. Ein Teil dieser Überschüsse wird dazu genutzt, sich durch gezielte Akquisitionen zukunftsträchtige Schlüsseltechnologien einzuverleiben, wie aktuell das Übernahmeangebot für den israelischen Sensorspezialisten Mobileye (siehe mein Beitrag vom 19.08.2016) zeigt.
Intel ist mit einem derzeitigen KGV von 17 nicht teuer bewertet und könnte im Laufe des Jahres neue Höchststände erklimmen.
Anleihezinsen - ein unfairer Vergleich der USA mit Italien

Das seit Jahren anhaltende Niedrigzinsumfeld macht es Investoren schwer, mit festverzinslichen Wertpapieren eine positive Rendite zu erwirtschaften. Wer dennoch in der Anlageklasse Renten investiert sein möchte, dem empfiehlt es sich, einen genauen Blick auf die relative Attraktivität innerhalb des Anleihesektors zu werfen.
Als Beispiel ziehen wir einen Vergleich zwischen der Rendite 10-jähriger Staatsanleihen aus den USA und Italien heran. Der Spread beträgt derzeit knapp 20 Basispunkte. Ist dies gerechtfertigt?
Zur genaueren Analyse betrachten wir einige volkswirtschaftliche Kennzahlen. Das italienische BIP ist im vergangenen Jahr um 1,0 Prozent gewachsen, das amerikanische BIP um 1,6 Prozent. Zum letzten Berichtszeitraum beträgt das Verhältnis von Staatsschulden zu BIP in Italien 133 Prozent, in den USA 106 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt in Italien bei 11,9 Prozent, in den USA bei 4,7 Prozent. Das Credit Rating für Italien wurde von S&P mit BBB- bewertet, im Gegensatz zum deutlich besseren AA+ Rating für die USA.
Ein unfairer Vergleich! Dennoch verlaufen die Anleiherenditen in den letzten zwei Jahren nahezu deckungsgleich. Der "Vorsprung" der Fed gegenüber der EZB bei der Zinswende macht es möglich.
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