Börsenprofi Thomas Grüner zeigt US-Techwerte klettern - höher an der "Wand des Zweifels"

Von Thomas Grüner
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Wie fanden Sie persönlich das Börsenjahr 2016 bislang? Die China-Krise Anfang des Jahres, der Brexit, der unkontrollierte Zustrom von Flüchtlingen nach Europa, die Instabilität der Eurozone, das Scheitern von TTIP und die hohe und immer weiter wachsende Staatsverschuldung der westlichen Industriestaaten. Diese toxische Gemengelage an Risikofaktoren lässt vermuten, dass die globalen Aktienmärkte im Jahr 2016 ganz schön unter die Räder gekommen sind.

Thomas Grüner

Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.

Keineswegs! Der globale Aktienindex MSCI World ist aktuell in Dollar gerechnet 3,8 Prozent im Plus, in Euro immerhin 0,7 Prozent (aufgrund der Aufwertung des Euros). Zwar kam es kurzfristig zu einigen Korrekturen, jedoch konnte der MSCI World Index die zwischenzeitlichen Verluste wieder wettmachen und belohnte langfristig orientierte Investoren, die sich nicht durch tagespolitische Ereignisse nervös machen lassen. Eine positive Rendite seit Jahresbeginn ist das Ergebnis dieser emotionslosen, aber erfolgreichen Strategie.

Global aufgestellte Unternehmen mit erfolgreichen Produkten sind im aktuellen Bullenmarkt weiterhin gefragt und auch lokale Konjunktureinbrüche und kurzfristige Krisen können eine wachsende Weltwirtschaft nicht aus der Bahn werfen. Im Gegenteil, eine pessimistische Grundstimmung bietet das Potenzial für weitere Kurssprünge.

Nasdaq 100 - immer höher an der "Wall of Worries"

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Noch eine Meldung gegen die Katerstimmung im Jahr 2016: Der Nasdaq 100  schafft es seit Jahresbeginn auf ein Plus von über sechs Prozent in US-Dollar und knackt endlich das Allzeithoch aus dem Jahr 2000, welches kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase erreicht wurde.

Dotcom-Blase? Crash? Ist es bald wieder soweit? Nein! Das wirtschaftliche Umfeld für Technologieunternehmen zur Jahrtausendwende und heute ist nicht vergleichbar. Substanz und hohe Gewinne verschaffen den heutigen Unternehmen eine starke Marktposition.

Ein historischer Rekord, dem kaum Beachtung geschenkt wird. Gute Nachrichten werden in der Masse verschluckt, womit die "Mauer der Angst", die so genannte "Wall of Worries", dem Bullenmarkt weiterhin Gelegenheit verschafft, weiter nach oben zu klettern.

Die Entwicklung des Nasdaq 100 entspricht der fortschreitenden technologischen Vernetzung in privaten Haushalten, Wirtschaft und Industrie und stellt uns auf zukunftsorientierte Prozesse und Wandlungen wie Industrie 4.0 ein. Vor allem die größten Firmen im Technologiesektor prägen diese Entwicklung - und diese Firmen sind im Nasdaq 100 abgebildet. Ein unverzichtbarer Bestandteil eines global diversifizierten Portfolios!

EuroStoxx 50 - das ewige Lied

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Nicht ganz so glorreich fällt die Jahresbilanz 2016 für den europäischen Leitindex EuroStoxx 50  aus. Das ewige Lied. Auf Jahressicht dümpelt der Index im Minus herum, fällt immer wieder unter das Vor-Brexit-Niveau und kämpft verbittert mit der 3.000 Punkte-Marke.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Stimmungslage bei europäischen Investoren nicht gerade rosig ist. Zähe Seitwärtsphasen fördern Unsicherheit, Misstrauen und können frustrierend sein - sie gehören somit zu den härtesten Prüfungen für langfristig orientierte Anleger, denn Emotionen sind nun mal Gift für den nachhaltigen Anlageerfolg.

Das Jahr 2016 bringt also wenig Neues für Europa: Der EuroStoxx 50 kämpft, rackert - und verliert gegenüber anderen Kursindizes weiter an Boden. Aber ebenso bleibt er unterschätzt, dividendenstark und verfügt durch die niedrige Erwartungshaltung weiter über positives Überraschungspotential.

Deutsche Bank - vorerst Vorsicht

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In den letzten Monaten sind europäische Bankaktien enorm unter Druck geraten. An der Spitze der Verlierer steht aktuell die Deutsche Bank , deren Börsenwert seit dem letzten Zwischenhoch im August 2015 etwa zwei Drittel eingebüßt hat.

Grund für das Allzeittief ist insbesondere die Forderung des US-Justizministeriums gegen die Deutsche Bank wegen Geschäften mit faulen Hypothekenpapieren vor der Finanzkrise 2008. Die Höhe der Forderung in Höhe von 14 Milliarden US-Dollar (rund 12,5 Milliarden Euro) wirkt sehr bedrohlich, wenn diese der Marktkapitalisierung von derzeit 15 Milliarden Euro gegenüber gestellt wird. Die gebildeten Rückstellungen von 5,5 Milliarden erscheinen da nicht ausreichend.

Wie schlimm kommt es wirklich? Die Citibank musste in einem vergleichbaren Verfahren mit der US-Justizbehörde 7 Milliarden Dollar, von ursprünglich geforderten 12 Milliarden, zahlen. Immerhin! Dass der Straferlass gegenüber einer deutschen Bank besonders hoch ausfällt, erscheint allerdings wenig wahrscheinlich.

Das Ausmaß ist derzeit noch nicht abzusehen. Es wird jedoch viel spekuliert - von einer bevorstehenden Kapitalerhöhung bis hin zum möglichen Kollaps der Deutschen Bank. Während der italienische Premierminister Matteo Renzi kürzlich vor den unlösbaren Derivate-Problemen der Bank gewarnt hat, empfiehlt der Wirtschaftsberater des türkischen Präsidenten Erdogan den Einstieg bei der Bank. In Anbetracht der teils unkalkulierbaren Risiken ist es für Anleger ratsam, trotz des niedrigen Aktienkurses vorerst Vorsicht walten zu lassen.

Statoil - läuft wie geschmiert

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Die OPEC-Staaten einigen sich über die Begrenzung der Öl-Fördermenge. Es bleibt natürlich bis zur offiziellen Sitzung im November abzuwarten, wie diese Einigung letztendlich aussieht. Für Unternehmen wie den norwegischen Ölkonzern Statoil , die bis ins Jahr 2016 hinein schwer durch den Ölpreisverfall gebeutelt wurden, bedeutet diese Meldung jedoch schon heute ein helles Licht am Ende des Tunnels.

2015 hatte Statoil nach starkem Umsatzrückgang erstmals seit dem Börsengang 2001 einen Verlust vermeldet. Der Kurs der Aktie setzte seinen Fall zu Beginn des Jahres, parallel zum Ölpreis, weiter fort.

Mit strategischen Zukäufen und Beteiligungen wurde das Kerngeschäftsfeld erweitert - auch die Kehrtwende des Ölpreises wirkte sich positiv auf das Ergebnis des Unternehmens im Jahr 2016 aus. Der entstandene kurzfristige Aufwärtstrend konnte den langfristigen Abwärtstrend im April durchbrechen. Statoil verfolgt einen konsequenten Sparkurs, mit dem die Investitionskosten drastisch gesenkt werden sollen.

Der Ölpreisverfall hat den gesamten Sektor hart getroffen - im positiven Sinne aber auch dafür gesorgt, dass Unternehmen ihre Zukunftsgestaltung so schlank und effizient wie möglich vornehmen.

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