Börsenausblick Dax-Rekordhoch trotz Corona?

Dax im Vorwärtsgang: Der deutsche Leitindex notiert wieder über der Marke von 13.000 Punkten. In den USA notiert der S&P 500 auf Rekordniveau
Foto: Boris Roessler / dpaEin möglicher Impfstoff stärkt den Optimismus, doch weiter steigende Corona-Infektionszahlen schüren am Aktienmarkt wieder die Angst vor zusätzlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einschränkungen. Sie dürften laut Börsianern in der neuen Woche die Freude über den Durchbruch bei einem Impfstoff noch etwas mehr verdrängen - und dafür sorgen, dass der Dax sein Rekordhoch von 13.795 aus dem Februar wahrscheinlich noch nicht erreicht. Der deutsche Leitindex Dax hatte den Freitagshandel nach einer starken Börsenwoche etwas bei 13 076 Punkten beendet und legte damit auf Wochensicht um 4,8 Prozent zu. Bis zum Rekordhoch fehlen dem Dax noch weitere 5 Prozent.
Experten sehen zwar die hohe Wirksamkeit eines von Biontech und Pfizer entwickelten Impfstoffs gegen die Lungenkrankheit Covid-19 sowie den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl als sogenannte "Game Changer", also als bahnbrechende Ereignisse. Sie hatten für eine Börsenrally gesorgt und den Dax von Ende Oktober bis in den November hinein binnen weniger Tage um mehr als 1800 Punkte hoch bis fast auf 13 300 Punkte getrieben; eine Fortsetzung erscheint aber zumindest vorerst ungewiss.
Ein Rekordhoch ist Analysten zufolge für den deutschen Leitindex in der neuen Woche eher unwahrscheinlich. Die aktuelle Bestmarke liegt bei 13 795 Punkten und datiert von Mitte Februar, also kurz vor Beginn des Corona-Börsencrashs.
Bilanzsasion geht zu Ende
Von der Bilanzsaison bekommen die Börsen in den nächsten Tagen wenige Impulse. Sie neigt sich allmählich ihrem Ende zu. Aus dem Dax haben inzwischen alle Konzerne Quartalszahlen vorgelegt, so dass nur noch einige Vertreter aus MDax und SDax auf der Agenda stehen. Gleich am Montag ist das etwa der Immobilienkonzern Grand City Properties sowie am Dienstag der Internethändler für Haustierbedarf Zooplus und am Mittwoch der Lkw-Zulieferer SAF-Holland.
Die Zahlen des kriselnden Traditionskonzerns Thyssenkrupp stehen am Donnerstag auf der Agenda. Auch der von der Corona-Pandemie stark belastete Ticketvermarkter und Eventveranstalter CTS Eventim berichtet.
Komplettiert wird die Reihe vom Solar- und Windparkbetreiber Encavis und vom Arzneihersteller Dermapharm (beide am Montag) sowie vom Bremsspezialisten Knorr-Bremse (am Donnerstag).
Wichtige Konjunkturdaten der neuen Woche kommen am Dienstag aus den USA mit den Einzelhandelsumsätzen und der Industrieproduktion. "Es sind die zwei Gesichter der US-Wirtschaft in der Corona-Erholung: Während die Einzelhandelsumsätze bereits im Juni das Vorkrisenniveau überschreiten konnten, hinkt die Industrieproduktion auffallend deutlich hinterher", analysieren die Volkswirte der DekaBank. "An diesem grundsätzlichen Bild dürfte sich auch mit den Oktoberzahlen nichts Wesentliches ändern."
Wall Street: S&P 500 Index erreicht ein Rekordhoch
An der Wall Street haben die Indizes am Freitag weiter zugelegt. Der Dow Jones gewann 1,4 Prozent auf 29.480 Punkte. Der technologielastige Nasdaq 100 rückte ein Prozent auf 11.829 Punkte vor und der breit gefasste S&P 500 legte 1,4 Prozent auf 3585 Punkte zu - ein Rekordhoch. Auf Wochensicht legte der S&P knapp 2,2 Prozent zu und der Dow 4,1 Prozent, während die Nasdaq 0,6 Prozent nachgab.
Dem Datenanbieter Refinitiv zufolge haben inzwischen rund 90 Prozent aller Firmen aus dem Index S&P 500 ihre Zahlen vorgelegt. Im Schnitt werden die Quartalsgewinne wohl um knapp acht Prozent gesunken sein. Anfang Oktober hatten Analysten noch einen Einbruch um mehr als 20 Prozent prognostiziert.
Die explodierenden Corona-Fallzahlen bereiteten Investoren aber weiter Kopfschmerzen, sagte Analyst David Madden vom Online-Broker CMC Markets. In Städten wie Chicago oder New York drohe eine erneute Verschärfung der Restriktionen. "Außerdem sollten Anleger im Hinterkopf behalten, dass der potenzielle Corona-Impfstoff vielleicht keine Zulassung erhält. Und selbst wenn: Die Verteilung wird Zeit beanspruchen."
Kursgewinne bei Disney und Cisco
Die Aktien von Walt Disney stiegen um 2,1 Prozent. Umsatz und Gewinn des Unterhaltungskonzerns gingen im abgelaufenen Quartal weniger stark zurück als befürchtet. Ein Lichtblick sei der Erfolg des Streaming-Dienstes Disney+, kommentierte Analyst Neil Macker vom Research-Haus Morningstar. Auch bei Cisco fiel der Ergebnisrückgang geringer aus als befürchtet. Der Ausblick sei ebenfalls besser als erwartet ausgefallen, kommentierte Analyst George Notter von der Investmentbank Jefferies. Gleichzeitig beschleunige sich der Auftragseingang. Cisco-Aktien stiegen bis zu knapp 7,1 Prozent.
Gefragt waren auch die Titel von Applied Materials, die sich um 4,4 Prozent verteuerten. Der Chipindustrie-Zulieferer peilt für das laufende Quartal einen überraschend hohen Umsatz an.
Nasdaq 100
Brexit: Anleger hoffen auf Einlenken Londons in letzter Minute
Im Blick behielten die Anleger auch die in einer heißen Phase befindlichen Brexit-Gespräche. Das Pfund legte 0,5 Prozent auf 1,3175 Dollar zu, nachdem der engste Berater des britischen Premierministers Boris Johnson, Dominic Cummings, sich aus Downing Street 10 weggeschlichen hat "Mit Cummings Weggang, der als einer der Schlüsselpersonen hinter Brexit angesehen wird, deutet dies darauf hin, dass Johnson weitere Kompromisse in Betracht ziehen könnte, was positiv zu werten sein wird. So nimmt der Markt diese Nachricht wahrscheinlich auf", sagte Lee Hardman, Währungsanalyst beim Broker MUFG. Nach dem offiziellen EU-Austritt ist Großbritannien bis Ende 2020 in einer Übergangsphase, in der noch EU-Regeln gelten. Über die künftigen Beziehungen samt Freihandelsabkommen wird seit Monaten gerungen - bislang ohne Ergebnis, weshalb die Wirtschaft ab Anfang 2021 Chaos und steigende Zölle befürchtet.
Euro legt leicht zu
Der Kurs des Euro hat am Donnerstag im späten US-Devisenhandel leicht zugelegt. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung 1,1806 US-Dollar. Im europäischen Währungshandel war der Euro noch bis auf 1,1759 Dollar gefallen. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1791 (Mittwoch: 1,1766) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8481 (0,8499) Euro.
EUR/USD
Der Euro hat damit die Kursverluste vom Vortag teilweise wieder wettgemacht. "Die Hoffnung auf eine wirksame Corona-Impfung dominiert nach wie vor den Devisenmarkt", kommentierte Esther Reichelt, Devisenexpertin bei der Commerzbank. Allerdings befänden sich Europa, die USA und Großbritannien noch immer mitten in einer unkontrollierten Ansteckungswelle.
"Eine effektive Impfung im kommenden Jahr könnte vor diesem Hintergrund für viele Unternehmen und Arbeitnehmer schlicht zu spät kommen", so Reichelt. Noch sei unklar, welcher Regierung und Zentralbank es am besten gelinge, auf die Entwicklung zu reagieren. Besser als erwartet ausgefallene Daten vom US-Arbeitsmarkt stützten den Dollar nur vorübergehend.
Überraschender Anstieg der US-Ölreserven belastet
Die Ölpreise sind am Freitag gefallen. Daher überwogen am Ölmarkt die Sorgen vor einem erneuten Nachfrage-Rückgang, wie Analyst Koichi Murakami beim Brokerhaus Daiichi Commodities sagte. Sollten die Neuinfektionen in den kommenden Tagen weiter steigen, müsse mit weiteren Kursverlusten gerechnet werden. Die US-Ölsorte WTI verbilligte sich am Freitag um knapp zwei Prozent auf 40,36 Dollar je Barrel (159 Liter).
Brent
Nach einem starken Preisanstieg im Verlauf der Woche standen die Ölpreise seit Donnerstagnachmittag unter Druck. An den Finanzmärkten rückte die Hoffnung auf einen wirksamen Corona-Impfstoff kurz vor dem Wochenende etwas in den Hintergrund und der starke Anstieg der Neuinfektionen wieder stärker in den Vordergrund.
Außerdem war am Markt bekannt geworden, dass die Ölreserven in den USA in der vergangenen Woche überraschend zugelegt hatten. Die offiziellen Daten zur Entwicklung der Lagerbestände an Rohöl der US-Regierung zeigten einen Anstieg um 4,3 Millionen Barrel auf 488,7 Millionen Barrel. Zuvor war der Interessenverband American Petroleum Institute (API) noch von einem Rückgang der amerikanischen Ölreserven ausgegangen.
Steigende Ölreserven können ein Hinweis auf ein zu hohes Angebot oder eine sinkende Nachfrage sein und belasten in der Regel die Ölpreise. Zuletzt hatte die Internationale Energieagentur (IEA) ihre Prognose für die Nachfrage nach Rohöl in den Monaten Oktober bis Dezember angesichts neuer Corona-Lockdowns gesenkt.