Bei welchen Nachrichten Anleger genau hinhören sollten China-Krise? Von wegen!

Von Markus Schön
Textilfabrik in Lianyungang in Chinas Ostprovinz Jiangsu

Textilfabrik in Lianyungang in Chinas Ostprovinz Jiangsu

Foto: AFP

Zahlreiche Medien berichten derzeit über Sorgen um die konjunkturelle Entwicklung in China. Das relative Wachstum lag dort zwar mit 6,6 Prozent höher als von der Regierung geplant - markierte aber dennoch den schlechtesten Wert seit 28 Jahren. Leider wird in solchen Nachrichten vielfach vergessen, dass Prozentzahlen relative Werte sind und daher mit der zugrunde liegenden Basis zu vergleichen sind.

Markus Schön
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Markus Schön ist Vermögensverwalter und Geschäftsführer der Schön & Co GmbH . Er hat mehrere Bücher geschrieben und 2007 die gemeinnützige Giving Tree Stiftung gegründet, die benachteiligte Kinder und Jugendliche unterstützt.

Ein Wachstum von 6,6 Prozent entspricht einer Steigerung der chinesischen Wirtschaftsleistung um 667 Milliarden US-Dollar. Damit wächst das Land pro Jahr so stark, wie die Volkswirtschaften von Saudi-Arabien, der Schweiz oder Polen groß sind. Anders ausgedrückt: Chinas beeindruckende Wachstumsgeschichte lässt jedes Jahr eine zusätzliche, wirtschaftsstarke Volkswirtschaft neu entstehen.

Unterentwickelter Gestaltungswille

Öffentlich wird dies jedoch viel zu wenig diskutiert, weil man sich dann vielleicht fragen müsste, weshalb es China gelingt, auf hohem Niveau kontinuierlich zu wachsen, während die deutsche Volkswirtschaft nur selten über Wachstumsraten von 2 Prozent hinauskommt. Selbstverständlich ist es für eine vollständig entwickelte und innovative Wirtschaftsmacht schwieriger, dynamisches Wachstum zu erzielen, als für ein Land, das in nahezu allen Bereichen immer noch Entwicklungspotenzial hat. Aber die Leistungsstärke der deutschen Volkswirtschaft kann sich nicht vollständig entfalten, weil die politischen Rahmenbedingungen eher von dem Willen zu verbieten geprägt sind als von dem Willen zu gestalten.

Vielleicht wird deswegen auch US-Präsident Donald Trump in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt so kritisch wahrgenommen. Neben allen unbestreitbaren Defiziten hat er einen blinden - um nicht zu sagen: naiven - Glauben an die Selbstreinigungskräfte der Märkte. Insofern ist es aus seiner Sicht folgerichtig, auf das Zusammenspiel von Marktliberalisierungen und gesetzgeberischer Zurückhaltung zu setzen.

Die diesbezüglich zu Beginn seiner Amtszeit wahrzunehmenden Erfolge an den Finanzmärkten betrachtete Trump als Beleg für die Richtigkeit seines Tuns - was ungefähr so logisch ist, wie die brasilianische Bananenproduktion mit dem Konsum von Schokolade in Indien zu vergleichen. Schließlich hat Trump auch nicht erkannt, dass der Aufschwung an den US-Aktienmärkten fast ausschließlich durch die von ihm eigentlich wenig geliebten US-Technologiewerte getrieben wurde. Seine gute, alte US-Industrie hinkte diesen Entwicklungen deutlich hinterher.

Überschätzte Tech-Werte

Aber auch beim Blick auf die Technologiewerte gibt es Wahrnehmungsfehler. So dachten tatsächlich manche Anleger, Werte wie Apple oder Amazon könnten nie über einen längeren Zeitraum oder in einem größeren prozentualen Umfang fallen. Schließlich sahen sie sich noch bestätigt, als diese Werte auf eine Marktkapitalisierung von 1 Billion US-Dollar stiegen. Dies war ein großes mediales Ereignis, während die anschließende Abwärtsbewegung von teilweise mehr als 30 Prozent öffentlich kaum wahrgenommen wurde. So gibt es nach wie vor Anleger, die der festen Überzeugung sind, dass 2018 für die sogenannten FAANG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google) ein erfolgreiches Jahr war.

Solche Nachrichten nähren die Illusion, dass man mit Aktien im Handumdrehen reich werden kann. Es gibt Hunderte von Büchern und sicherlich Zehntausende von Artikeln, die diese Illusion aufrechterhalten. Tatsächlich lag die Wertentwicklung im Deutschen Aktienindex Dax seit der Jahrtausendwende bei durchschnittlich 2,7 Prozent pro Jahr. Trotz des Niedrigzinsniveaus hat jeder Anleger mit einem professionell aufgestellten Anleiheportfolio mehr Geld verdient als diejenigen, die sich allein auf deutsche Aktien verlassen haben.

Allerdings sind solche Informationen komplex und lassen sich nicht so gut zu einer plakativen Schlagzeile verdichten. Da aber die private Vermögensbildung für die Sicherung der persönlichen finanziellen Zukunft immer bedeutsamer werden wird, ist es notwendig, Kapitalmarktentwicklungen möglichst transparent und objektiv darzustellen. Deswegen ist es wichtig zu wissen, dass China weiter eine Lokomotive für die Weltwirtschaft bleiben wird, während sich die deutsche Politik auf der international noch immer vorhandenen Dynamik eher ausruht.

Markus Schön ist Geschäftsführer des DVAM Vermögensverwaltung GmbH und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.

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