Investoren erwarten Bundestagswahl AfD, FDP oder ... - wer erschreckt am Sonntag die Börse?

Wahlplakate in Erfurt: Auch die Börse interessiert sich für die Bundestagswahl
Foto: Jens Meyer/ AP
Was macht die Börse am Tag nach der Bundestagswahl? Und wie werden sich die Kurse in den weiteren Wochen und Monaten danach entwickeln? Wichtige politische Ereignisse finden immer wieder Beachtung am Aktienmarkt, und die Parlamentswahl im wohl wichtigsten Mitglied von Europäischer Union (EU) und Euro-Zone sowie einer der größten Volkswirtschaften der Welt zählt zweifellos zu den Events, denen das Augenmerk der Börsianer gewiss ist. "Die Politik rückt wieder verstärkt in den Fokus der Märkte", bestätigt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers.
Stehen dem Aktienmarkt also am kommenden Montag erneut Turbulenzen bevor, wie sie beispielsweise auch nach dem Brexit-Votum in Großbritannien im Sommer des vergangenen Jahres aufgetreten sind, oder nach der US-Wahl im Herbst 2016? Wohl nur, wenn das Ergebnis der kommenden Bundestagswahl ebenfalls besonders überraschend ausfällt.
Zur Erinnerung: Bei der Abstimmung der Briten hatten Börsianer allgemein einen Verbleib in der EU erwartet - und wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Ähnlich war es bei der Präsidentschaftswahl in den USA, wo kaum jemand ernsthaft einen Sieg des republikanischen Immobilienmilliardärs Donald Trump auf dem Zettel hatte.
Solche Überraschungen sind selbstverständlich auch hierzulande denkbar. Allgemein - und auch aufgrund der Umfragen - wird erwartet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der CDU/CSU die Wahl mit deutlichem Abstand gewinnen und die nächste Bundesregierung bilden wird. Je nach Stimmenverteilung hat sie dann vermutlich die Wahl zwischen der Fortsetzung der Großen Koalition mit der SPD und der Bildung einer sogenannten Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen.
Wie stark werden FDP und AfD?
Letzteres ist allerdings bereits der erste Knackpunkt: Sollten die Liberalen besonders erfolgreich abschneiden und eine unerwartet starke Rolle in einer künftigen Regierung spielen können, so könnte das nach Ansicht von Experten durchaus für Unruhe an den Finanzmärkten sorgen. Denn insbesondere in der Euro-Finanzpolitik, im Verhältnis der Staatengemeinschaft zu Schuldenländern wie Griechenland also beispielsweise, vertritt die FDP unter Parteichef Christian Lindner deutlich schärfere Positionen als die bisherige Bundesregierung.
Einen Risikofaktor stellt nach Einschätzung von Fachleuten zudem das Abschneiden der Populisten von der AfD dar. Umfragen zufolge kann die Partei, die wohl erstmals in den Bundestag einziehen wird, auf ein Ergebnis von mehr als 10 Prozent hoffen. Möglicherweise wird die AfD aus dem Stand zur drittstärksten Kraft im Parlament. Eine Regierungsbeteiligung erscheint zwar aufgrund der strikt ablehnenden Haltung aller anderen Parteien trotz allem ausgeschlossen. Nach Ansicht der Privatbank Sal. Oppenheim etwa kann ein unerwartet starkes Abschneiden der AfD "deutlich oberhalb der 15-Prozent-Marke" die Märkte aber durchaus "kurzfristig verunsichern".
Nicht ausgeschlossen also, dass der deutsche Leitindex Dax am Montag nach der Wahl kurz ein wenig zusammenzuckt. Auf längere Sicht allerdings dürften sich die Auswirkungen der Bundestagswahl in Grenzen halten, wie ebenfalls Sal. Oppenheim in einer Analyse feststellt.
Das große Pech der SPD

Der Untersuchung zufolge hat der Dax bisher seit 1961 im Schnitt um 8,3 Prozent pro Jahr zugelegt. In Jahren, in denen Bundestagswahlen stattgefunden haben, waren es - von Ausreißern abgesehen - 7,5 Prozent. Kein großer Unterschied also.
Nicht vergessen werden darf dabei schließlich, dass einer solchen Kalkulation für den Zeitraum von den 1960er Jahren bis heute lediglich rund zwei Dutzend Bundestags-Wahljahre zugrunde liegen. Da besteht immer die Möglichkeit, dass einzelne Jahre das Ergebnis verfälschen, in denen aus womöglich ganz anderen Gründen eine extreme Börsenentwicklung stattgefunden hat.
"Wir warnen wir davor, auf Basis eindimensionaler Analysen pauschal einen Kausalzusammenhang zwischen Wahlergebnissen und der Preisbildung an den Kapitalmärkten herzustellen", sagt denn auch Jördis Hengelbrock, Portfoliomanagerin bei Sal. Oppenheim. Der Dax habe 2017 bis Mitte September bereits rund 9 Prozent zugelegt. "Könnte dieser Stand bis zum Jahresende gehalten werden, würde das Wahljahr 2017 sogar als ein überdurchschnittliches Börsenjahr in die Geschichte eingehen", so Hengelbrock.
Ähnlich sieht es Carsten Klude, Chefvolkswirt der Privatbank M. M. Warburg. Wenn das Wahlergebnis so kommt, wie erwartet, rechnet er sogar mit weiteren Kursgewinnen bis Jahresende. "Dieses Verhaltensmuster konnte man bereits bei den drei vorangegangenen Merkel-Wahlsiegen in den Jahren 2005, 2009 und 2013 beobachten", schrieb Klude kürzlich in einem Beitrag für manager-magazin.de. "Der Dax stieg in den folgenden zehn Wochen jeweils um durchschnittlich 6 Prozent an."
Nach den Wahlsiegen der SPD in den Jahren 1998 und 2002 dagegen fiel die Reaktion der Märkte anders aus: Seinerzeit gab es zwischenzeitliche Kursverluste von bis zu 15 Prozent, wie Klude vorrechnet. Diese wurden allerdings vergleichsweise schnell wieder aufgeholt und können - wie erwähnt - auch ganz andere Ursachen haben.
Oder wie es Sal. Oppenheim formuliert: Die SPD hatte einfach das Pech, im für den Dax historisch schlechtesten Börsenjahr die Bundestagswahl zu gewinnen.